Bundesliga mit Tore-Limit

Angenommen, man stellt fest, dass Tore, die in der Fußballbundesliga geschossen werden, die Umwelt belasten. Man kann ausrechnen, dass in der Saison höchstens sagen wir 150 Tore geschossen werden dürfen, sonst überschreitet das den tolerablen Grenzwert. Wenn zu viele Tore geschossen werden, wird das Klima aufgeheizt, und dann schmelzen die Polkappen, und dem HSV steht bald das Wasser im Stadion bis zum Hals.

Wie kann man also dafür sorgen, dass nicht zu viele Tore geschossen werden, aber die Spiele trotzdem spannend bleiben, und die Mannschaft mit den meisten Toren deutscher Meister wird?

Kann man Kontingente verteilen? Dürfen die Mannschaften Torschussrechte einkaufen, die der DFB verkauft? Pfeift man die Bundesliga einfach ab, wenn das Limit erreicht ist? Erklärt man Spiele einfach für schöner und sehenswerter, wenn weniger Tore fallen? Gibt es Limits von Toren pro Spiel? Oder pro Mannschaft? Hmm.

An dem Beispiel sollte klar werden, dass die Idee, die erzielbaren Tore, die Leistung oder den Output insgesamt zu begrenzen, zu der Idee des Wettbewerbs nicht gut passt. Der Wettbewerb hat im Grunde keinen anderen Sinn, als aus jedem Wettbewerber das meiste herauszuholen. Wenn man das nun irgendwie begrenzen muss, steht man im Wettbewerb gleichzeitig mit dem Fuß auf dem Gas und auf der Bremse.

Genau so ist die Situation in unserer Wettbewerbswirtschaft. Hier ist die Idee des Wettbewerbs genau die, aus jedem Wettbewerber das meiste herauszuholen. Das meiste sind dann in der Regel die meisten Produkte pro Kopf einer Firma, oder pro Firma, und zum besten Preis. Der Sieger kriegt zwar keinen Pokal, aber den größten Marktanteil, und das meiste Geld in die Kasse.

Das hat lange bestens funktioniert, und der Wettbewerb hat (fast) alle reich gemacht, jedenfalls im großen Durchschnitt, oder in der Summe, per Saldo. Dazu ist die Wettbewerbswirtschaft erfunden worden, das Kapital, der Markt, der freie Unternehmer, und das Wirtschaften auf eigenes Risiko. The Winner takes it all! Warum nicht, wenn jeder der Gewinner sein kann, das ist doch in der Bundesliga auch so.

Raus aus tödlichem Wettbewerb und Marktdynamik

Aber nun soll auf den ganzen freien Wettbewerb und seinen Leistungsbooster ein Deckel. Alle sollen sich anstrengen, aber nur bis zum Grenzwert.

Nicht zu viel Energie verbrauchen, nicht zu viel Abfall und Dreck produzieren, und nicht zu viele Rohstoffe. Das passt mit dem Wettbewerb und dem Produzieren um die Wette nicht gut zusammen. Denn auch hier steht man dann gleichzeitig mit dem Fuß auf dem Gas und auf der Bremse. Und der Gasfuß hat sich bisher noch immer durchgesetzt, und der Bremsfuß steht ziemlich belämmert da. Wer steht auch schon gerne mit dem Fuß auf der Bremse?

Der Gewinner jubelt und streicht seinen Gewinn ein, und er hört erst dann auf zu jubeln, wenn ihm das Wasser über dem Kopf zusammenschlägt, wie jetzt gerade auf Mallorca, oder in Florida. Bald könnte es mit dem Jubeln für alle vorbei sein.

Wir wussten seit Anfang der 1970er Jahre, dass es ein Problem mit dem Klima geben könnte. Wir haben den Wettbewerb aber dann noch verschärft, und alle Regulierungen abgebaut. Wir haben Unternehmen, die über Jahrzehnte ohne Wettbewerb, in staatlicher Regie, ohne Hektik und in Ruhe gut gearbeitet haben, in den Wettbewerb geschickt, damit die Gewinne der Gewinner fetter werden.

Jetzt schlägt uns das Wasser über dem Kopf zusammen, und wir wissen nicht, wie wir die Wettbewerber bremsen sollen.

Brauchen wir den Wettbewerb denn eigentlich noch? Angefangen hat es mit dem Wettbewerb, damit alle reicher werden. Das war der Sinn der freien Marktwirtschaft. Aber jetzt sind (fast) alle reich, einige jedenfalls extrem reich. Brauchen wir denn den Wettbewerb überhaupt noch? Ist es denn nicht langsam viel wichtiger, das Klima zu retten, als noch mehr Sachen zu produzieren, die man den Leuten doch schon mit Gewalt in den Hals stopfen muss?

Wie kommen wir raus aus dem Wettbewerb – indem wir die Marktkräfte abbauen, meinte Paul Mason. Wenn wir die Unternehmen, die bis vor rund dreißig Jahren staatlich waren, wieder staatlich werden lassen, haben wir Marktkräfte abgebaut, richtig? Was spricht dagegen? Angeblich die höhere Effizienz der Privaten, die mehr Druck machen auf alle, die an der Effizienzschraube drehen können. Aber ist das so wichtig, wenn sich die Stürme an den Küsten schon zusammenbrauen? Außerdem ist das vielleicht gar nicht so wild mit der Effizienz, und wenn so tatsächlich Effizienzgewinne erzielt werden können, stecken die in den Chefetagen ganz oben sich die in die Tasche. Der breiten Masse bleibt am Ende nur das Wasser, das dann allen über dem Kopf zusammenschlägt.

Könnte es sein, dass die Zeit des Wettbewerbs vorbei ist? Oder jedenfalls der Oberherrschaft des Wettbewerbs? Mit Bahn und Post und Telekom ist es leicht, den Wettbewerb loszuwerden. Ebenfalls wäre es leicht, etwa auf dem Wohnungsmarkt den Wettbewerb loszuwerden, es brauchten nur die Kommunen von dem Wahn befreit zu werden, alle ihre Immobilien auf den Wettbewerbsmarkt zu werfen. Wenn alle Privatisierungen der letzten 30 Jahre rückgängig gemacht werden, wären eine Menge Marktkräfte verschwunden.

Schwieriger ist es nur mit den Sachen, mit denen man zeigen kann, was für ein toller Mensch man ist, mit den Sachen, an denen ein geiles Logo klebt. Das Logo des Staates sieht fast immer Scheiße aus, wie vom Finanzamt. Aber wenn wir die Marktkräfte abbauen wollen, dürfen diese Unternehmen, die uns die heißen Sachen bauen, auch nicht mehr um die Wette produzieren, jedenfalls die ganz großen nicht, oder nicht alle.

Das Logo machen die Privaten, fabrizieren tut der Staat

Aber wir könnten den Staat die Sachen bauen lassen, und es klebt trotzdem das heiße Logo daran. Das ginge, wenn das Design, das die Sachen so heiß macht, von der Fabrik getrennt würde, in der die heißen Sachen produziert werden. Warum soll das nicht gehen? Apple hat schon lange keine eigenen Fabriken mehr, und Google auch nicht. Tendenziell ist die ganze Industrie auf dem Trip, die Fertigung vom Design zu trennen.

Die Designs sind dann Daten, aus denen in den Fabriken die heißen Sachen gemacht werden. Es ist im Prinzip ganz egal, wo die Fabrik steht, oder wem sie gehört. Cloud Manufacturing ist der Trend, Manufacturing as a service. Man muss so auch nicht die Sachen fertig produzieren und in Massen auf Lager legen, sondern man kann sie „on demand“ produzieren, auf Anforderung, und dann gleich da, wo derjenige sitzt, der sie haben will. Dazu müssen die Fabriken nur „smart“ genug sein – eben eine „Blackbox“, die Dinge aus Daten machen kann.

Genau das ist der heiße Trend der Hannover Messe Industrie: Die Smart Factory, on demand, Losgröße eins, und lauter Technologien, die die Fertigung vom Design, vom Produktentwickler trennen.

Warum soll man dann die Marktkräfte nicht auch hier verschwinden lassen? Wenn die Hersteller nicht im Wettbewerb stehen, können sie sich vernetzen, ihre Aufträge koordiniert bearbeiten, bündeln und sortieren, und eine Menge Effizienzgewinne und Skaleneffekte erzielen. Die Sachen mit dem heißen Logo kriegt man also immer noch, und sie werden auch nicht teurer. Aber dann ist nicht mehr nur die private Wirtschaft der Akteur, dem alles egal ist, wenn es nur Geld in die Kasse spült. Dann kann der Staat, der wir alle sind und bei dem wir alle ein Wort mitzureden haben, bei der Produktion der Sachen, auf die wir so wild sind, auch ein Wort mitreden. Von den Marktkräften wäre jedenfalls eine Menge verschwunden, ohne dass wir in der DDR landen.

Oder nicht?

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