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Der Mensch ist ein „tool making animal“ (der Begriff geht auf Benjamin Franklin zurück) – so weit die Geschichtsschreibung zurück blicken kann. Der Begriff „homo faber“ meint dasselbe, schon in einem gedanklichen Kontext, in dem der Begriff des „homo ludens“ oder „homo contemplativus“ dem als programmatischer Gegenentwurf gegenübergestellt werden kann.

Seit der Vertreibung aus dem Paradies hat der Mensch die Kräfte des Körpers und des Geistes benutzt um auf seine vorgefundene Lebenswelt einzuwirken und sie zu bearbeiten, um sie belebbar und lebensfreundlicher zu gestalten, und in diesem Sinne und mit dieser Absicht hat er Dinge erfunden, bearbeitet und hergestellt – fabriziert, seit dem Beschlagen des ersten Faustkeiles, der Herstellung der ersten Jagdwaffen, der ersten Gefäße aus Holz, Stein oder Ton, und dem ersten Schmuck zur bloßen Zierde seines Trägers. Und es ist vielleicht nicht ganz aus der Luft gegriffen, die gesamte Kulturgeschichte so zu deuten, als habe sich der Mensch in seiner Entwicklungsgeschichte auf den Weg gemacht, in dieses Paradies zurückzukehren.

Das lateinische Wort „faber“ meint „kunstfertig“, „geschickt“, und auch „Arbeiter“, und das Wort „fabrica“ „Bauhütte“, „Bauwerk“, „kunstvolle Bearbeitung“ oder „Werkstatt“. Mit Beginn der Industrialisierung wurde eine Fabrik zu diesem sprichwörtlichen Ort der Herstellung von Dingen in großer Zahl und in hoher Geschwindigkeit, unter Ausnutzung der entstandenen Ingenieurswissenschaften und ihrer Erfindungen wie Dampfmaschinen oder Elektrizität, und unter Einsatz der – später berüchtigten – Erkenntnisse der „wissenschaftlichen Betriebsführung“ nach Frederic Winston Taylor.

In einer späteren Phase kam die Steigerung der fabrikativen Leistungsfähigkeit durch die „Computer“ hinzu: die „Informations- und Kommunikationstechnologien“, die benutzt werden konnten, die produktiven Prozesse in den Fabriken zu steuern, zu verfeinern, zu kontrollieren und weiter zu beschleunigen.

Lange Zeit glaubten viele Beobachter, dieser Prozess der Steigerung der produktiven Leistungsfähigkeit – also Produktivitätssteigerungen – werde entweder auf ewig so weiter gehen, und mit einem proportionalen Wachstum der Wirtschaftlichen Leistung den Wohlstand – als Menge der zum Konsum zur Verfügung stehenden Güter und Leistungen – der Menschen steigern, oder aber der technische Fortschritt werde sich sozusagen abtrennen von seiner wohlstandserweiternden Wirkung; die Fabriken werden zwar immer produktiver, maschineller und kapitalintensiver, aber das wirtschaftliche Wachstum steigt nicht in gleichem Maße, es kommt also zu Entlassungen und Arbeitslosigkeit, und die Entwicklung der Industriegesellschaft gerät in eine ausweglose Sackgasse – immer breitere Teil der Volkswirtschaft geraten in Arbeitslosigkeit und werden damit auch vom Konsum, und vom Zugang zu Lohn und Brot ausgeschlossen. Wie man weiß, war so die Annahme der marxistischen Theorie: der „Kapitalismus“ hat die inhärente Tendenz, immer mehr „lebendige Arbeit“ durch „tote Arbeit“ (= Maschinen, Kapital) zu ersetzen, und die Masse der Werktätigen sieht sich der trostlosen Perspektive gegenüber, zu verelenden. Sie habe also nichts zu verlieren als ihre Ketten: sie müsse in einer revolutionären Erhebung sich der „Produktionsmittel“ bemächtigen, und sich dadurch den Zugang zu den Quellen des gesellschaftlichen Reichtums ermöglichen.

Wir wissen heute zwar, dass die ehemals sozialistischen Staaten des damals so genannten „Ostblocks“ zu einer markt- und privatwirtschaftlichen Ordnung zurückgekehrt sind, aber über den Verlauf des zukünftigen wirtschaftlichen Wachstums ist noch nicht entschieden; die Erfahrung der vergangenen drei oder vier Jahrzehnte hat uns jedenfalls das Wissen um die entstandenen ökologischen Grenzen des Wachstums beschert.

Wie, wohin, entwickelt sich tatsächlich die Fabrikationstechnologie? Ist es tatsächlich so, dass die Industriefabriken und die in diesen Fabriken eingesetzte Technologie nur diese eine Entwicklungsdimension kennt: immer schneller, immer mehr, immer mehr Maschineneinsatz, Computer Aided Manufacturing, Computer Integrated Manufacturing (wie man das nannte in den 1990ern), und immer „smartere“ Robotik? Tatsächlich glaubte man das so auch innerhalb der Wissenschaften selber, die mit der Erforschung und Fortentwicklung dieser Technologien betraut sind.

Es war eines der wichtigsten Ergebnisse meiner damaligen Dissertation zu zeigen, dass die Entwicklung der Fabrikationstechnologie nun von einer zweiten Dimension begleitet und bestimmt wird: sie kennt nicht nur die Richtung „Steigerung der Produktivität“, also: immer mehr Herstellungsleistung pro Zeit, immer schneller, immer mehr, folgend dem Diktat der „economies of scale“, also Kostensenkung durch Steigerung der Stückzahlen. Sie folgt gleichzeitig der Entwicklungsdimension „Universalität“: es liegt sozusagen im Keim der theoretischen Mutter des Computers, der Universalen Turing Maschine, auch eine universale Fabrikationsmaschine herauszubilden; die inhärenten Möglichkeiten dieses theoretischen Konstrukts einerseits, und die ökonomischen Erfordernisse und Entwicklungen der lebensweltlichen Realitäten andererseits verlangen und „gebären“ gewissermaßen so eine universal verwendbare Fabrikationsmaschine – eine einzige Maschinerie für „alles“; eine digital steuerbare Fabrik, die „alles“ herstellen kann, sofern es digital beschrieben ist. Robert b. Reich, der frühere Sozialminister unter Bill Clinton, hat es iEverything genannt.

Das heißt: die „spekulative Vernunft“ gewissermaßen konnte erkennen, dass ökonomische Rationalität und theoretisches Potential eine „Universale Fabrikationsmaschine“ gewissermaßen „wollen“, denn so etwas ist erkennbar die Ultima Ratio, das Perfectissimum einer in ökonomischen Kontexten und Verwertungszusammenhängen eingesetzten Universalen Turing Maschine, und dies ganz unabhängig von der Frage, wie so eine universale Fabrikationsmaschine technisch realisiert sein könnte, ob als eine einzelne Universalmaschine, oder als ein Ensemble verschiedener Maschinen, als programmierbare „Applikation“, oder als komplexe Industriefabrik, die als Ganze digital programmierbar ist.

Damals, zur Zeit der Entstehung meiner Dissertation, konnte die „spekulative Vernunft“ also eine universale Fabrikationsmaschine zwar postulieren, aber nicht herstellen oder zu ihrer Herstellung beitragen, durch Aufzeigen konkreter kurzfristig realisierbarer Möglichkeiten.

Ganz ohne Kenntnis dieses theoretischen Postulats machte sich aber so eine Universale Fabrikationsmaschine etwa ab Ende der 1980er Jahre auf den Weg, diese Welt zu betreten. Diese Entwicklungen sind nun im Verlauf der letzten Jahre eingemündet in die Entstehung einer „Wissenschaft der Digitalen Fabrikation“, so wie sie von einem ihrer bedeutendsten Forscher mitsamt dem gewaltigen dazugehörigen Forschungsprogramm benannt worden ist:

In der Industrie entspricht dies der Fabrik als Blackbox, die Dinge aus Daten machen kann, in der Losgröße Eins. Sie kann also Einzelstücke fertigen, so billig wie Massenware. Diese Fabrik ist autonom, die Menschen darin habn nur noch die Maschinen zu beaufsichtigen, und die Fabrik erstellt nahezu beliebige Dinge aus Daten. So etwas ist auf der Hannover Messe Industrie schon zu besichtigen, das ist seit Jahren der ganz heiße Trend.

Was ist nun das wirklich Neue, nie Dagewesene, und im wahrsten Sinne des Wortes Herausfordernde an der Vorstellung der Verfügbarkeit einer Universalen Fabrikationsmaschine?

Eine wahrhaftig Universale Fabrikationsmaschine könnte sich direkt am Ort des Konsums befinden, es wäre also kein ökonomischer Verkehr, kein ökonomischer Austausch zwischen Produzent und Konsument erforderlich. Und diese Möglichkeit sticht gewissermaßen mitten hinein ins Herz des Kapitalismus. Sie bedeutet: Reichtum ohne Geld. Das Produkt einer solchen universalen Fabrikationsmaschine, die sich am Ort des Konsums befindet, wäre keine Ware mehr. Und damit wäre eine Zivilisation, eine Wirtschaftsgemeinschaft oder -gesellschaft, die die Technologie und Verfügbarkeit von Universalen Fabrikationsmaschinen kultiviert und institutionalisiert hat, keine warenproduzierende Ökonomie mehr. Eine Universale Fabrikationsmaschine wäre kein Kapital mehr.

Die Herausforderungen, die einhergehenden Veränderungen für das alltägliche Leben der Menschen, für die Lebensplanungen und -entwürfe, das Sorgen um oder für existentielle Sicherheit der Familien, für Gesundheit, Wohlergehen und Lebensglück wären gewaltig.

Man wird einwenden, es handelt sich entweder um eine Utopie, oder um eine durch keinerlei Empirie belegte oder belegbare Spekulation. Insofern, als diese Technologie die Marktreife offensichtlich noch nicht erreicht hat, ist dieser Einwand berechtigt. Aber man muss eine ideale universale Fabrikationsmaschine auch als gedankliches Konstrukt verstehen, als ein Ideal von Fabrikationsmaschine a priori gewissermaßen, vor der Erfahrung, dem sich die realen Fabrikationssysteme in der erfahrbaren Wirklichkeit annähern. Diese Annäherung ist in der Tat bereits seit Jahrzehnten empirisch belegbar. Das gedankliche Konstrukt macht es dann möglich, die gesellschaftlichen und ökonomischen Wirkungen der Verfügbarkeit einer solchen Technologie zu antizipieren, und dies auch dann, wenn deren Verfügbarkeit nur in Annäherung existiert.

Die sich bietende Perspektive ist in der Tat tiefgreifend und umfassend und bedeutet in diesem Sinne einen Paradigmenwechsel; sie erschüttert das bisherige ökonomische Weltbild. Ebenso herausfordernd und umfassend wie das Forschungsprogramm zur Entwicklung der Digitalen Fabrikation (im engeren Sinne der Consumer-Produktion als auch im weiteren Sinne der industriellen Produktion) wäre ein Forschungsprogramm zur Erfassung und Gestaltung der Folgewirkungen auf die Lebenswelt der Menschen. So wie sich allmählich die Erkenntnis durchzusetzen scheint, dass diese Digitale Fabrikation möglicherweise real und in den entwicklungsfähigen Anfängen nun vor uns steht, wird sich hoffentlich auch in Zukunft die Erkenntnis durchsetzen, dass auch diese Fragen einer Lösung und Beantwortung harren.

Die Beantwortung dieser Fragen umfassten ein interdisziplinäres Forschungsprogramm mit Beteiligung der folgenden Disziplinen:

  • Philosophie und Ethik (Werte, Sinn, Kulturtheorie, zivilisatorischer Fortschritt, Wissenschaftstheorie)
  • Ökonomie (Ordnungstheorie, Preise, Kosten)
  • Politik und Sozialwissenschaften
  • die Wissenschaft der Digitale Fabrikation und ihrer Teildisziplinen (Komplexität, Theoretische und praktische Informatik, Physik, Produktionswissenschaften)

Fragen der Computerwissenschaften sind schon seit Jahrzehnten in Kernbereiche der Philosophie eingewandert; es waren und sind noch immer Fragen nach den Grenzen dessen, was Maschinen möglich ist: können Maschinen denken? So fragte schon Allan Turing, lange bevor ein erster Schachcomputer einen menschlichen Schachweltmeister schlagen konnte, bevor Spracheingabesysteme Autoradios und Telefone zu bedienen halfen, und bevor Navigationssysteme Automobile tausende Kilometer weit und durch ganz gewöhnlichen Stadtverkehr steuern konnten. Dieses Vermögen wird sehr bald an die damit sich aufwerfende Fragen heranführen: können Computersysteme verantwortlich sein? In aller Kürze wird man dazu sagen müssen: dieses Vermögen, Verantwortung tragen zu können, Rechenschaft ablegen zu können, argumentieren und sich rechtfertigen zu können, also moralische Kompetenz zu besitzen: Dieses Vermögen besitzt bisher noch immer nur der Mensch, und dieses Vermögen ist es, das dem Menschen seine Würde verleiht. Sollte eines Tages tatsächlich ein menschen-gemachtes, maschinelles System auftreten, das diese Kompetenz glaubhaft für sich in Anspruch nehmen könnte, so würde das zur Folge haben, dass es von anderen Wesen mit Würde wie ein Wesen gleicher Würde zu behandeln und zu respektieren wäre, und es sich eben auch diesen Ansprüchen zu stellen hätte. Maschinelle Systeme jedoch sind bislang menschen-gemachte Nutzgegenstände, Artefakte, die menschlichen Zwecken dienen sollen; aus dem menschlichen Geist erschaffen, und dazu gemacht, die Unversehrtheit, Würde und Freiheit des menschlichen Geistes und Wesens zu unterstützen oder erst herzustellen.

In diesem Sinne ist ein Universale Digitale Fabrikationsmaschine die Ultima Ratio von automatischer Maschine, und die Verfügbarkeit, die Reife und Kulturtauglichkeit eines solchen Technologie wird ein neues Kapitel in der menschlichen Kulturgeschichte aufschlagen. Karl Marx sah – wie er im Vorwort zur Politischen Ökonomie formulierte – die Entwicklung der „Produktivkräfte“ als die Schlüsselfaktoren zur Entstehung neuer Gesellschaftsformationen:

> Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft ausgebrütet sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet, wird sich stets finden, dass die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozess ihres Werdens begriffen sind.

Tatsächlich: Die Digitale Fabrikation wird man als die in diesem Sinne neuen „Produktivkräfte“ verstehen dürfen und müssen, die neue, höhere Produktionsverhältnisse an die Stelle treten lassen werden.

Wie wird sie also aussehen, die neue Gesellschaftsformation? Wird sie die Kulturgeschichte fortsetzen, die Würde des Menschen respektieren, die Schöpfung bewahren und neu gestalten? Wird sie neue blühende Landschaften hervorbringen, in denen die öden Industriegebiete nicht mehr ihr Gesicht prägen, und der Prozess der Herstellung der lebensnotwendigen Gebrauchsgüter ihr nicht mehr seinen Stempel aufdrücken wird?

Dieses Blog hier will versuchen einige dieser Fragestellungen zu benennen, ein wenig zu strukturieren, und einmal auf diese Weise mit dem Versuch einer Beantwortung zu beginnen, allerdings beschränkt auf die freie und formlose Art wie sie einem Blog zu eigen ist – anders und methodisch anspruchsvoller wird es in diesem Rahmen nicht möglich sein.

Und: Ein Weblog ist auch ein Tagebuch. In diesem Fall ist es eine Chronik der Entwicklung des späten Kapitalismus auf seinem mühevollen und verschlungenen Pfad zu einer neuen Epoche.

Jedenfalls – ist das die Hoffnung.