In der Sommerschule: Wie das „Handelsblatt“ die Welt erklärt

Der „Handelsblatt Management Campus“ empfiehlt seinen Lesern die Teilnahme an einem Seminar, einer sogenannten „Blended Learning Masterclass“. Das eintägige Seminar soll mittels eines „praxisnahen Leitfadens“ begreiflich machen, wie sich KI „systematisch zu einem strategischen Treiber in Ihrem Unternehmen“ machen lässt.

Das vielfach beschworene Problem, mit dem Manager sich in diesen Zeiten herumschlagen müssen, in der griffigen Beschreibung dieses Journals:

Fachkräftemangel, stagnierende Produktivität und eine sinkende Innovationskraft sind zentrale Herausforderungen, die die deutsche Wirtschaft zunehmend unter Druck setzen. Künstliche Intelligenz bietet hier strategische Lösungsansätze, denn sie kann Prozesse automatisieren, Produktivität steigern, Innovationskraft stärken und fehlende Arbeitsstunden teilweise kompensieren. Wer KI gezielt einsetzt, profitiert bereits heute von spürbaren Effizienzgewinnen. Unternehmen stehen daher vor der Aufgabe, KI nicht nur technologisch zu verstehen, sondern als Schlüssel zu Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit strategisch im Unternehmen zu verankern.

Zum ohne Unterlass beschworenen Fachkräftemangel sollte sich allmählich die Erkenntnis durchsetzen, dass es weit überwiegend zwei Berufsgruppen sind, an denen es so sehr mangelt: a) Sozialpädagogen, Sozialarbeiter und Pflegekräfte, und b) Verkaufspersonal.

Wie um Himmels Willen ist das zu erklären? Nun, ganz einfach: es werden offenbar für diese Personen viele Stellen ausgeschrieben, die werden aber so schlecht bezahlt, dass sich kaum jemand für ein Studium in dieser Branche erwärmen kann. Außerdem ist das Image denkbar schlecht: Sozialpädagogen gelten als die Fachleute, die nichts können, sich aber für alles verantwortlich fühlen. Das ist nicht gut für das Selbstbewusstsein. Pflegekräfte wiederum sind die jenigen mit der höchsten Berufsabbrecherquote. Warum  wohl?

Verkaufspersonal: Während allerorten die Supermärkte und Fachgeschäfte schließen, weil die Kunden lieber zu Amazon & Cons. gehen und sich ihre Einkäufe zuschicken lassen, herrscht ausgerechnet in den lokalen Läden großer Fachkräftemangel? Seltsam.

Aber was mit der „stagnierenden Produktivität“? Warum ist das ein Problem?

Wenn von Produktivität die Rede ist, dann meist von der Arbeitsproduktivität. Arbeitsproduktivität bedeutet: Das Verhältnis von eingesetzter Arbeitsmenge (gemessen meist pro Stunde) zu erzieltem Leistungsertrag. Für die Maschinenproduktivität gilt Entsprechendes: Leistungsertrag pro eingesetzter Maschinenstunde.

Hohe Produktivität bedeutet also: relativ geringe Kosten, und damit: Wettbewerbsvorteil. Stagnierende oder gar sinkende Produktivität bedeutet dann natürlich: Wettbewerbsnachteil. Wir wollen ja schließlich alle überleben, und die Mitbewerber überflügeln.

Nun wissen alle Ökonomen seit Karl Marx und besonders seit dem Mathematiker Allan Turing, der die digitale Automation erfunden hat, dass dies beides zusammen,  das erfolgreiche Streben nach Wettbewerbsvorteilen durch hohe Arbeits- und/oder Maschinenproduktivität, bedeutet: pro Abrechnungsperiode eines Unternehmens hohe Gewinne. So einfach ist das. Da die Gewinne aber nun möglichst in alle Ewigkeit wachsen sollen, muss nun auch die Arbeits- und Maschinenproduktivität in alle Ewigkeit wachsen, und die „künstliche Intelligenz“ ist nun nichts anderes als eine Art von Maschinen, die sehr leistungsfähig sind, sehr flexibel und vielseitig einsetzbar, und idealerweise in der Lage, möglichst große Bereiche ehedem menschlicher Arbeit ganz  von alleine, autonom, zu leisten, und, weil sie billiger sind, zu ersetzen. Die KI-Maschinen sind in zwischen auch so weit, dass sie „lernen “ können, und das bedeutet nichts anderes als das was für die Informatiker seit über 70 Jahren keine Neuigkeiten mehr sind: die Maschinen können immer mehr menschliche Arbeit selbst, autonom, erledigen. Hinter diesem klingenden Ergüssen im Marketingjargon – „… KI nicht nur technologisch verstehen, sondern als Schlüssel zu Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit strategisch im Unternehmen verankern…“ verbirgt sich immer wieder von Neuem immer nur genau das. Maschinen, ob nun „intelligent“ oder aus anderen Gründen leistungsfähig, erledigen Arbeit, die sonst Menschen erledigen müssten, und die nicht bezahlt werden müssen – weshalb sie, aus Kosten- und Wettbewerbsgründen, ersetzt und darum entlassen werden.

An Hochschulen und Universitäten werden von Professoren mit beeindruckenden Titeln solche „Masterklassen“ angeboten, damit sie viel Geld dafür ausgeben:

Die Blended Learning Masterclass KI-Strategien für Unternehmen bietet einen praxisnahen Leitfaden, um KI systematisch zu einem strategischen Treiber in Ihrem Unternehmen zu machen. Sie lernen, wie Sie vorhandene KI Potenziale identifizieren, klare Ziele definieren und erfolgreich implementieren. Der Kurs zeigt, wie Sie Ihre Führungsebene einbinden, notwendige Kompetenzen aufbauen und Strukturen etablieren, um KI Projekte nachhaltig umzusetzen. Anders als bei den anderen Masterclass Kursen, werden Sie in dieser Blended Learning Masterclass im Laufe von zwei Wochen durch eine Mischung aus flexibel abrufbaren on demand Lerninhalten und praxisorientierten Live-Sessions geführt.

Das Programm solcher „KI-Strategien“ ist immer das gleiche: „intelligente“, leistungsfähige Maschinen leisten mehr bzw. billigere Arbeit als Menschen. Das geht so lange, bis für die Menschen wenig bis gar keine Arbeit mehr übrig bleibt. Wie lautete das „Zweite Zubowsche Gesetz“ der Ökonomie-Professorin Shushana Zubow:

Alles was automatisiert werden kann, wird auch automatisiert.

Dieses „Gesetz“ kennt die Welt seit 40 Jahren, und die Weisheiten des Ökonomen Karl Marx sagen im Prinzp das Gleiche, sind aber wiederum weitere 100 Jahre älter. Aber noch immer gelingt es diesen Management-Gurus, diese alte Weisheit als sensationelle Neuigkeit zu verkaufen.

Dass wir gleichzeitig mit unseren sterbenden Ökonomien endgültig vor die Wand laufen und einen grandiosen dreifachen Schiffbruch erleiden – ökonomisch, ökologisch, militärisch – erklärt uns in der Sommerschule mit Sonne im Gesicht niemand. Wir werden in den „Masterklassen“ darauf getrimmt, an ewiges Wachstum und ewige Gewinne zu glauben – beides ist nur noch möglich durch ewige Kriege. Das kann nicht gut enden.

Die Zukunft in den Blick nehmen – ja bitte, unbedingt, aber nicht um Wettbewerbsvorteile durch Kriegstüchtigkeit und Effizienzgewinne zu erzielen. Es muss heute um einen Zukunft gehen, die viel zu lange verloren schien.

 

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