Anleitung für eine Revolution

Heute erschien auf dem Substack von Milos Matuschek ein amüsanter Beitrag, aber nicht gedacht als Aprilscherz. Er meint es ernst: da der Systemcrash ja nun wirklich bald naht, liefert Matuschek aus aktuellem Anlass schnell noch eine Anleitung für eine Revolution.  Dass Bitcoins allerdings nicht taugen zum Basteln an einer Revolution, wie Matuschek zu glauben scheint, soll sich im Anschluss klären.

Matuschek fragt, ob wir nun in einer Tragödie, oder einer Kommödie leben, und sagt völlig zu Recht: es ist beides, und wir können nicht einmal mehr dazwischen unterscheiden. Wir leben in einer „Reality-Seifenoper mit flackernden medialen Bildern“, und sitzen – wir sind ja zahlende Gäste – in der ersten Reihe. „Allerdings können wir den Kanal nicht wechseln“, wie er sagt, und haben eigentlich auch kaum noch die Wahl, ob wir überhaupt ausschalten wollen.

Er sagt, das Programm das uns geliefert wird, ist nicht neu, aber: wir können uns immerhin selber eines basteln, und das besteht aus – Chaos und Verwirrung:

Man muss einfach nur die Welt als ihr Gegenteil darstellen, permanent und in lauten Tönen. Irgendwann weiß der Mensch nicht mehr, wo oben und wo unten ist. Wer seiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr trauen kann, der lässt sich jedes Programm vorspielen.

Und das funktioniert, seit Orwells Neusprech: Krieg ist Frieden, Krankheit ist Gesundheit, Diktatur ist Demokratie; man muss Matuscheks Argumente nicht im Einzelnen wiederholen.

Wie er nun richtig erkennt, beherrscht das System nur diesen einen Trick: Chaos und Verwirrung erzeugen. Aber, wie er sagt, gibt es hinter dem Chaos eine geschickt getarnte Ordnung, und in der passiert immer das Gleiche:

Es gibt gerade viele selbstverschuldete, selbstherbeigeführte und selbstverantwortete Krisen. Doch immer passiert dabei das Gleiche. Es gibt für alles Schlimme in der Welt nur ein Mittel: Mehr Geld. Klimakrise? Geld drucken. Corona? Die größte Gelddruckorgie der Welt. Krieg? Die klassische Gelddruckmaschine. Das System beherrscht nur einen Trick, aber den dann doch so gut, dass ihn alle glauben.

Klar ist also, dass den Trick alle glauben. Und: der Systemcrash ist wirklich nah, Beleg: die jüngste Pleite der Credit Suisse, die sich vor ein paar Jahren niemand vortellen konnte. Wie Matuschek sagt:

Also, wenn im Herzen der Schweiz eine Großbank fällt, dann ist wirklich mal Alarm. Wer rettet am Ende die Retter?

Das Bilanzvolumen der UBS ist nun größer als das Sozialprodukt der ganzen Schweiz; wenn die UBS crasht, crasht auch die Schweiz.

Matuschek listet dann auf, woran das System krankt, und was genau das Kranke (und krank Machende) ist an diesem System. Es ist so: Die Worte selber stinken, die Wahrheit, die Standards, das Recht, die Maßstäbe verrotten und faulen.

Eine Gesellschaft kann aus den Fugen gebracht werden, wenn jeder Ordnungsmaßstab geopfert wird. „Noch 100 Jahre Zeitungen und alle Worte stinken“, prophezeite einmal Nietzsche. Inzwischen sind die 100 Jahre längst rum und die Massen-Desinformation findet in den „Qualitätsmedien“ statt. Die richtige Information ist verwässert, ebenso die Aussagekraft von Diplomen, die Qualität der Forschung oder der Wert des Geldes.

Das ist vollkommen richtig. Was den Wert des Geldes angeht: natürlich ist der Wert des Geldes aufgebläht, für alle; es besteht zum großen Teil aus heißer Luft, aus Gewinnerwartungen und spekulativen Buchwerten.

Aber Matuschek scheint nun zu glauben, das Aufblähen des Geldes sei schon das Problem, und die Lösung wären vielleicht Bitcoins. Was wäre aber, wenn der Wert des Geldes echt wäre, und nicht so sehr aus heißer Luft bestünde? Das Problem: wäre das Geld auch überall echt, und nicht aufgebläht, bliebe das meiste trotzdem in den Taschen einer winzigen Zahl von Superreichen. Und was den Wert des Geldes angeht: einer, der sich wirklich damit auskennt, der Banker J. P. Morgan, Mitgründer der FED, sagte dazu: „Nur Gold ist Geld, alles andere ist Kredit“. Das wirkliche Problem liegt also (auch) in der Konzentration des Geldes, sei es aus Gold oder aus Papier.

Also, angenommen, es gibt nur echtes Geld, und auch keine Bitcoins: der Systemcrash ist trotzdem beschlossene Sache: Was tun Sie? Herr Matuschek?

Ja – da ist offenbar guter Rat teuer, und die Verwirrung ist – und bleibt – groß.

Aber zunächst dazu: Wie konnte die Verwirrung überhaupt so groß werden? Wie kam es, dass trotz (und vielleicht wegen …) aller Verwirrung immer nur diese eine Melodie gespielt wird – die nur die wenigen Reichen immer reicher macht?  Und dann auch noch (mit deutlichem Vorteil) besonders die Reichen im Wohnsitz in den USA?

Achtung Achtung: sehr gefälschte Texte

Hin und wieder taucht ja das Geraune auf von den Protokollen der Weisen von Zion. Niemand kennt sie, niemand hat sie je gelesen, niemand weiß was drin steht, und jeder weiß dass es sich bei diesen Texten um Fälschungen handelt. Aber irgendwie müssen diese Texte ja in die Welt geraten sein; dass es sie überhaupt gibt, bestreitet ja niemand.

Wer solche Texte verfasst, muss sich auch etwas dabei gedacht, und etwas damit bezweckt haben. Dass die dabei verfolgte Absicht schlecht ist – geschenkt, das bezweifelt ja niemand. Die nächstliegende Vermutung über die Gründe: Täuschungsabsicht, und die Absicht, zu verwirren. Das passt aber doch erstaunlich zu der Verwirrung, in der die Welt sich befindet.

In diesen Texten, den „Protokollen“, wird jedenfalls ziemlich genau beschrieben, wie jemand vorgehen würde, der solche Verwirrung stiften will. Da steht zum Beispiel in einem der (so genannten) „Briefe“:

Die Hauptaufgabe unserer Verwaltung besteht darin, die öffentliche Meinung durch eine zersetzende Beurteilung aller Vorgänge in ihrer Widerstandskraft zu lähmen, den Menschen das eigene Denken, das sich gegen uns aufbäumen könnte, abzugewöhnen, und die vorhandenen Geisteskräfte auf bloße Spiegelfechtereien einer hohlen Redekunst abzulenken.

Also: Zersetzung der öffentlichen Meinung, den Menschen das eigene Denken abgewöhnen .. Wer auch immer so etwa im Schilde führt, macht sich doch jedenfalls verdächtig, so etwas zu beabsichtigen. In einem anderen „Brief“ heißt es :

Um die öffentliche Meinung zu beherrschen, müssen wir Zweifel und Zwietracht säen, indem wir von den verschiedensten Seiten so lange einander widersprechende Ansichten äußern lassen, bis die Nichtjuden sich in dem Wirrsale nicht mehr zurecht finden und zu der Überzeugung kommen, daß es am besten sei, in staatsrechtlichen Fragen überhaupt keine Meinung zu haben, da dem Volke in diesen Dingen der nötige Überblick fehle, und nur Derjenige sie wirklich überschauen könne, der das Volk selbst leitet. Das ist unser erstes Geheimnis!

… Öffentliche Meinung beherrschen, Zweifel und Zwietracht säen, einander widersprechende Ansichten äußern … Also, die unbekannten Autoren der gefälschten „Protokolle“ sind es dann ja nicht, die so etwas äußern, aber an der Wirkung gemessen, an der gestifteten Verirrung, war da jemand offenbar ganz  erfolgreich. Wer könnte es ein, der sich so etwa tatsächlich ausdenkt? In unserer Gegenwart, vor aller Augen sozusagen?

Dann kommt die Sache mit den stinkenden Worten, den Ordnungsmaßstäben und der richtigen Information;

Das zweite, für den Erfolg unserer Sache nicht minder wichtige Geheimnis besteht darin, die Fehler und Gebrechen des Volkes möglichst zu vermehren. Alle schlechten Gewohnheiten, Leidenschaften, alle Regeln des geselligen Verkehrs müssen derart auf die Spitze getrieben werden, daß sich Niemand in dem tollen Durcheinander mehr zurecht finden kann, und die Menschen aufhören, einander zu verstehen. Auf diese Weise wird es uns leicht sein, Zwietracht in allen Parteien zu säen, jede Sammlung von Kräften, die sich uns noch nicht unterwerfen wollen, zu verhindern und jede persönliche Tatkraft, die unsere Sache irgend wie stören könnte, von vorn herein zu entmutigen.

Und dann kommt es ganz dick, zur Bedeutung der „achten Großmacht“, der Presse:

Als Mittel dazu werden wir die öffentliche Meinung vorschützen, die wir insgeheim durch die sogenannte achte Großmacht – die Presse – in unserem Sinne bearbeitet haben. Mit ganz wenigen Ausnahmen, die überhaupt nicht in Frage kommen, liegt die ganze Presse in unseren Händen.

So. Dass „die Presse“, die Medien, ob privat oder öffentlich-rechtlich, inzwischen ziemlich komplett und widerstandslos in irgendjemandes Händen liegen, wird schwerlich noch von ernst zunehmender Seite bestritten werden können. Das zeigen sowohl die Erfahrung, als auch einfach die Zahlen, die geschaffenen Eigentumsverhältnisse in der auf wenige beherrschende Medien konzentrierten Presselandschaft. Diese ominösen Verfasser der, wie man ja weiß, gefälschten „Protokolle“ waren es also nicht, die die Presse in diesem Sinne bearbeitet haben, aber wer dann?

Das soll als kleine spekulative Reflexion über die gestiftete Verwirrung in der öffentlichen Meinung und deren gestörte Urteilsfähigkeit reichen; und vor allem soll natürlich niemand verdächtigt werden, das wäre natürlich überhaupt nicht die Absicht. Nur: die Verwirrung ist da, und da muss die Frage erlaubt sein, wer sie denn wohl gestiftet hat. Und zu diesen Protokollen: von wem auch immer sie stammen – wer so etwas geschrieben hat, wusste über Mittel und Wege zur Stiftung von Verwirrung wohl recht gut Bescheid.

Zum Schluss noch ein Satz aus diesem Texten, über „Hochgeister unter den Staatsmännern“: Die Autoren dieser Protokolle, wer auch immer sie sind und was auch immer sie beabsichtigten, haben (diesen Texten zufolge) ein Faible für von „Staatsmännern geschickt ausgeführte Gaunerstreiche“:

Das Volk liebt und verehrt die Hochgeister unter den Staatsmännern; es beurteilt ihre Vergewaltigungen in folgender Weise: „Das war niederträchtig, aber sehr geschickt! Ein Gaunerstreich, aber großartig ausgeführt! Mit welcher Frechheit!“

Welches Volk da gemeint ist – niemand weiß es.

Vor einiger Zeit gab es einen Streich, von dem man nicht weiß, wer ihn ausgeführt hat, aber immerhin so geschickt dass klar ist wer von diesem Streich einen enormen Vorteil hatte: das war der Streich der gesprengten Gas-Pipelines durch die Nordsee. Ein Staatsmann mit Namen Antony Blinken schrieb ganz stolz, dass dieser Streich seinem Volk, den USA, „tremendous opportunities“ bescheren werde. Als der Streich dann ausgeführt war, konnte immerhin – bisher – noch niemand nachweisen, dass es ein „Streich“ der USA war, der da in den Tiefen der Nordee großartig ausgeführt worden ist.

Nun – vielleicht war das so ein Fall: „Ein Gaunerstreich, aber großartig ausgeführt! Mit welcher Frechheit“! Aber, wie gesagt, diese Protokolle gibt es nicht. Um Himmels Willen – wer würde so etwas denken.

Bitcoin und Revolution

Nach der langen Vorrede nun zur Hauptsache. Die Welt rätselt nun immer verzweifelter, wa zu tun ist, wenn der Systemcrash beschlossene Sache ist. Tatsächlich rätselt die Welt seit mindestens 40 Jahren, vielleicht sind es 50, sie hätte aber in jedem Fall schon vor 50 Jahren anfangen können nach der Lösung zu suchen, oder besser, sich um die Lösung zu kümmern. Denn im Prinzip ist die Lösung klar: wenn das Geld, die Marxsche „riesige Warensammlung“ zu groß geworden ist, um von der Vernunft, von der Wissenschaft, von der (echten) Vierten Gewalt und der demokratischen Politik beherrscht zu werden, dann – ja dann muss die Staatsmacht einschreiten. Als das im Laufe der kapitalistischen Geschichte einige Male vorgekomen ist, mit Erfolg damals beim „New Deal“ Roosevelts, ist die Staatsmacht eingeschritten, hat die Macht des Kapitals erfolgreich beschnitten, und hat die nächste Phase der (dann wieder erfolgreichen) kapitalistischen Expansion eingeläutet. Aber das wird und kann nicht ewig so weitergehen.

Was dann? Dann muss – die Staatsmacht engültig einschreiten. Dann muss, wie große Staatsmänner und Ökonomen längst wussten, das (zu) groß gewordene Kapital in öffentliche, staatliche Hände übergehen.  Nichts andere ist dann noch möglich, und erst recht keine Bitcoins aus der Rechenmaschine.

Das hätte etwa ab Mitte der 1970er Jahre in die Weg geleitet werden können – und müssen. Dann hätte auch noch niemand eine Anleitung zu einer Revolution benötigt.

Aber jetzt sind die Dinge seit mindestens 40 Jahren in die falsche Richtung gelaufen. Was sich jetzt gebildet hat, das kennt man unter dem Namen Klumpenrisiko. Inzwischen ist der Klumpen so groß und das an seiner Existenz hängende Risko, dass das Risiko des Ausbruchs des Dritten Weltkriegs sich in etwa der gleichen Größenordnung bewegt, ebenso wie der Crash, der mit dem Crash der UBS und der Schweiz beginnen könnte, und mit dem endgültigen Umkippen des Klimas.

Die gestiftete Verwirrung hält derweil an, und dass noch immer das Gleiche passiert, hält auch an: das Geld fließt immer weiter in die gleiche Richtung, einige (sehr) wenige werden immer reicher, und einige (sehr) viele werden immer ärmer. Mehr wird das (aufgeblähte oder echte) Kapital, das Gold, und auf der anderen Seite die Schulden.

Jetzt hilft wirklich nur noch eine – ziemlich donnernde – Revolution. Beginnen müsste sie damit, dass die öffentliche Meinung erwacht, dass man sich auf das Recht und die Wissenschaft besinnt, und auf all das, was die Kulturgeschichte den Menschen eigentlich als Geschenk hinterlassen hat. Und die Demokratie.

Dazu sind Worte da, geprochen und gedacht zu werden, und ehrlich gemeint zu  sein. Und darum müssen sie aufhören, zu stinken.

Und dann: Anleitung zur Revolution.

Wir schlagen auf: Erstes Kapitel .

 

 

 

 

Das Narrativ des Westens, Kriegsgefahr und die Mauer der Geheimhaltung

Jeffrey D. Sachs, lange Jahre Ökonomie-Professor an der Harvard-Universität und ab 2002 Professor für nachhaltige Entwicklung und Gesundheitspolitik und Direktor des Earth Institute an der Columbia Universität, hat sich kürzlich mit mahnenden und eindringlichen Worten an die Öffentlichkeit gewandt. Sachs sieht die Welt – nicht nur wegen des anhaltenden Beschusses des Kernkraftwerks Saporischschja  – am Rand einer nuklearen Katastrophe, die sich über die Gefahr einer atomaren Verseuchung weiter Gebiete zwischen Russland und Polen hinaus zu einem Atomkrieg auswachsen könnte. Hervorgerufen sieht Sachs diese Gefahr vor allem dadurch, dass „die politischen Führer des Westens es versäumt haben, die Ursachen der eskalierenden globalen Konflikte offen zu benennen. Das unerbittliche westliche Narrativ, dass der Westen edel sei, während Russland und China böse sind, ist einfältig und außerordentlich gefährlich. Es ist ein Versuch, die öffentliche Meinung zu manipulieren und nicht, sich mit der sehr realen und dringenden Diplomatie zu befassen.“ (in der Übersetzung von Telepolis).

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Kann Anpassung eine emanzipatorische Praxis sein?

Phillip Staab, seit Februar 2019 Soziologie-Professor für das Gebiet „Soziologie der Zukunft der Arbeit“ an der Humboldt-Universität Berlin, hat ein neues Buch geschrieben, das im Oktober im Suhrkamp-Verlag erscheinen wird, und zwar unter dem Titel: „Anpassung. Leitmotiv der nächsten Gesellschaft.“

Kann Anpassung ein Leitmotiv für die nächste Gesellschaft sein?

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Die Revolution ist fällig

Albrecht Müller, prominentes SPD-Urgestein seit über 50 Jahren, ehemals Planungschef im Bundeskanzleramt und Wahlkampfmanager Willy Brandts, nannte sein 2020 erschienenes Buch „Die Revolution ist fällig“. Untertitel: „Aber sie ist verboten“.

Ach wie dumm. Das ist natürlich ein misslicher Umstand für eine Revolution. Dass Revolutionen verboten sind, liegt eigentlich in der Natur dieser Sache, und wenn eine fällig ist, geschieht sie trotzdem. Dann fragt auch niemand nach Gesetzen oder einer Behörde, die eine Revolution zu genehmigen oder zu verbieten hätte. Wenn eine Revolution wirklich fällig ist, dann nimmt sie sich gewissermaßen ihr Recht.

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Gut und Böse

Wie der Spiegel berichtet, hat der britische Premierminister Boris Johnson den russischen Präsidenten Wladimir Putin mal wieder scharf kritisiert, und der Ukraine mal wieder die nachhaltige Unterstützung seines Landes zugesichert. Denn es geht, so Johnson, um Großes, ja das Größte überhaupt, ja eigentlich schon um Alles oder Nichts: »Es geht um ukrainische Demokratie gegen Putins Tyrannei«, sagte Johnson in einer Videoansprache an das ukrainische Parlament. »Es geht um Freiheit gegen Unterdrückung. (…) Es geht um Gut gegen Böse. Und deshalb muss die Ukraine gewinnen.«

Der seit dem Zweiten Weltkrieg wohl einzigartige Präzendenzfall für einen Kampf des Guten gegen das Böse ist seitdem wohl nach in der ganzen Welt einhelligem Urteil der gute Kampf gegen das böse Hitler-Deutschland, natürlich zuerst in der Person des Bösen schlechthin, des Diktators Adolf Hitler. Insofern ist es nicht überraschend, dass nach Ausbruch des russischen Krieges gegen die Ukraine die Gesichtszüge Wladimir Putins in medialen Auftritten immer mehr die Züge Adolf Hitlers annehmen. Man sieht es gleich: der Böse Wladimir, nun der Böse schlechthin, sieht aus ja schon aus wie böse Adolf Hitler.

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Marx, Roboter und die Fundamentalökonomie

Wenn das Wirtschaftssystem den Planeten und die Freiheit bedroht, sollte man darüber nachdenken, wie sich der „alltägliche Kommunismus“ der Fundamentalökonomie mit Hilfe der Roboter in einen weit weniger alltäglichen Kommunismus verwandeln lässt.

Der weltbekannte Jazz-Bassist Richard Bona, der in einfachsten Verhältnissen im Kamerun aufwuchs und sich auf selbstgebauten Instrumenten das Bass-Spielen beibrachte, schrieb neulich in seinem Facebook-Profil, er strebe in allen Dingen die er tue, an jedem einzelnen Tag nach Vollkommenheit. Und tatsächlich – ist es denn nicht genau das, was jeden Meister seines Fachs, sei er Künstler oder Handwerker, Wissenschaftler oder Ingenieur, auszeichnet? Ist es denn nicht immer diese dem Geist nur undeutlich und unerreichbar fern vorschwebende Idee von Vollkommenheit, die schaffende Menschen immer von neuem vorantreibt, diesem Ideal immer weiter sich anzunähern? Und das, ist es einmal in einem Werk erreicht und verwirklicht, unvergleichliche Faszination ausübt, und seinerseits für andere Menschen Ansporn darstellt, diesem Ideal nachzueifern?

Nun verbindet man mit diesem großen Wort Vollkommenheit eher dem Bereich profaner Nutzanwendungen entrückte Kunstwerke; von auf dem Markt handelbaren und industriell hergestellten Produkten erwartet man sie nicht unbedingt. Aber auch etwa die schwäbischen Mercedes-Gründer Carl Benz und Gottlieb Daimler wollten perfekte, vollkommene Autos bauen, und dem italienischen Auto-Genie Ettore Bugatti wird man vielleicht zugestehen wollen, es mit seinen erlesenen automobilen Skulpturen auch geschafft zu haben. Oder wie ist es etwa mit Möbeln, ersonnen von großen Möbel-Designern, wie den bis heute faszinierenden Schöpfungen der Bauhaus-Designer, vom weniger bekannten Charles Macintosh mit seinem bezaubernden Hill House-Stuhl bis zu den unvergessenen Namen Charles Eames, Gerrit Rietfeld, Le Corbusier oder Marcel Breuer? Oder in der Architektur? Oder vielleicht mit Fernsehgeräten, von Braun, oder auch von Sony?

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Mehr Licht für die klare lichte Zukunft

Paul Mason hat nun ein Buch geschrieben, das in die Zeit zu passen scheint. Jedenfalls erheblich besser als sein „Postkapitalismus“ (2016 in der deutschen Übersetzung erschienen). Bisher sind seine Kritiken handzahm und eher positiv, und der ganze Zeitgeist scheint im Moment ja nach links zu fliegen. Ein Youtuber, der „die CDU zerstören“ will, erhält Millionen Views in drei Tagen und findet Eingang in die Spalten der etablierten Medienwelt, und nach einer Gallup-Umfrage aus April würden 43 Prozent der Amerikaner „irgendeine Form von Sozialismus“ für eine gute Sache halten.
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Kleine Ursache, große Wirkung

Das Thema 3D-Druck, vor einigen Jahren hoch gehyped, ist ein wenig in der Versenkung verschwunden. Es gab so viele flammende Artikel, die die kommende 3. Industrielle Revolution ankündigten, die Fabrik für Jedermann und für Alles auf dem Schreibtisch, und das Verschwinden des Großteils der bisherigen Industrien. Davon ist nicht mehr so sehr die Rede, dafür aber umso mehr von der Digitalisierung. Sogar die CDU hat nun das Thema entdeckt, Unionsfraktionschef Kauder hält es für das Megathema der kommenden Jahre.

Warum nun so sehr die Digitalisierung und nicht mehr die „Desktop Factory“? Nun: Die Digitalisierung ist ein Industrie-Thema. Das heiße und von der Bundesregierung erfundene und vorangetriebene Thema Industrie 4.0 gehört zur Digitalisierung. Die Breitbandausbau gehört zur Digitalisierung, und flächendeckendes und schnelles Internet. Warum wünscht man das – das fördert das Wachstum, man erhofft es sich zumindest. Handel und Logistik laufen zunehmend über das Internet; der Kunde ist für den Lieferanten besser erreichbar und erkennbar, wenn er im Netz eingeloggt ist, er kann ihn gezielter mit Werbung erreichen und ihm direktere Angebote machen. Die Unternehmen können mit der gewandelten Organisation und Infrastruktur gemäß dem Konzept I40 schneller und kundenindividueller produzieren, und erhoffen sich dadurch Umsatz- und Gewinnsteigerungen. Und das ist ohne Zweifel wichtig, so wichtig, dass etwa die Klimaziele für 2020 dafür gekippt werden mussten.

Wealth without Money

Und wo ist der der 3D-Druck geblieben? Einer der Protagonisten war z. B. der britische Ingenieur und Mathematiker Adrain Bowyer, der die RepRap-Bewegung gründete. Seine Idee war der „Self-Replicating-Rapid-Prototyper“, eine Maschine, die sich selbst reproduzieren konnte, und damit nichts Geringeres schaffen würde als Wealth without Money. Diese Ideen sind aus den Schlagzeilen verschwunden.

Ein anderer Protagonist war der Amerikaner Hod Lipson, der die Fab@Home-Bewegung geschaffen hat. Auch an so etwas denkt noch kaum jemand, wenn von Digitalisierung die Rede ist.

Was macht Hod Lipson heute? Er ist an die Columbia-Universität gewechselt, und lehrt nun unter anderem das Fach Digital Fabrication. Da sieht man, dass der 3D-Druck nur einen Teil dieses Faches darstellt; insgesamt geht es um digitale Fabrikationsprozesse, also um die digitale Steuerung von digital steuerbaren Maschinen, wie eben dem 3D-Drucker, dem Laser, der CNC-Maschine, dem 2D-Schneiden von Materialien, und der programmierbaren Montage.

Was ist das Aufregende an der Digitalen Fabrikation?

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Freiheit statt Kapitalismus – ein Kommentar zu Sarah Wagenknecht

Sarah Wagenknechts im Mai 2012 erschienenes Buch ist brilliant. Das lange Lebensbuch des Kapitalismus, seine Eigenheiten und Unarten, seine Stärken und Gefahren hat sie wunderbar beschrieben. Der Kapitalismus war ganz ohne Zweifel erfolgreich: es sind weltweit immense Reichtümer geschaffen worden, darunter wirkliche Werte, die zahllosen Menschen auf der Welt das Leben erleichtern und bereichern und es ungleich lebenswerter gestalten. Ein immenser Reichtum ist nun da. Aber – das zeigt Sarah Wagenknecht wunderbar klar auf – dieser Reichtum erreicht ein solches Gewicht, eine solche Masse, dass er anfangt sich wie ein schwarzes Loch in den Tiefen des Alls zu verhalten: die Zentren des Reichtums fangen an, Werte die in ihre Nähe geraten, aufzusaugen, aufzutürmen und zu komprimieren; je mehr Reichtum an einer Stelle konzentriert ist, um so größer wird die Gier und Saugkraft und der Hunger nach mehr. Der Kapitalismus hat aufgehört, Werte zu schaffen und zu schöpfen: er kann nur noch Werte abschöpfen. Das Wachstum des Reichtums da wo er einmal entstanden ist, gelingt nur noch durch Verarmung an den Rändern der Gesellschaft, in immer grösseren Bereichen.

Was wird geschehen in den USA mit der Verschuldungsrenze? wird es noch einmal einen Aufschub geben, oder geraten wir nun alle in den amerikanischen  Schuldenschlamassel? 

Sarah Wagenknecht zeigt sehr schön auf, wie der gigantische Reichtum in den Händen der einen die Verschuldung auf den Schultern der anderen bedingt. Nur so ist die angestrebte horrende Kapitalrendite der Kapitalbesitzer erzielbar. Und sie zeigt ebenso schön auf, dass sich die realen Reichtümer und realen Werte, die einst von Schumpeterschen risikofreudigen, kreativen und vorausschauenden Unternehmern geschaffen worden sind (in Kooperation natürlich mit zahllosen ebenso kreativen und einsatzfreudigen arbeitenden Menschen), sich allmählich unter diesen gigantischen Massen von um die Welt vagabundierenden Geldströmen in heiße Luft verwandeln, die sich eines schönen Tages wie ein geplatzer heisser Luftballon in ein vollkommen wesen- und wertloses Nichts verwandeln können. Niemand weiss, wie nah dieser Tag uns bevorsteht.

Wenn nun eine nahende Katastrophe, oder – wenn man die nun gerade noch nicht so nahe bevorstehen sehen will – so doch erhebliche ökonomische und soziale Missstände so schön klar und hellsichtig beschrieben werden, so erwächst doch mit dieser gelingenden Einsicht ganz dringlich der Wunsch nach Eröffnung von Mitteln und Wegen, wie all dem denn nun alsbald Einhalt geboten werden könnte. Wie kommen wir denn nun raus aus dem Schlammassel, oder möglichst in diesen ganz großen uns unter ungünstigen Umständen bevorstehenden erst gar nicht hinein.

Sarah Wagenknechts Vorschlägen hierzu ist vor allem dies gemein: sie sind politische. Sie sind sämtlich mit politischer Gestaltungsmacht zu erreichen, umzusetzen und zu realisieren. Es bedarf dazu also politischer Gestaltungsmacht, und zwar ein ganze Menge. Sie möchte Unternehmen wieder angemessen besteuern, überhaupt die Besteuerung wieder mehr der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit anpassen (also höhere Steuern für Spitzenverdiener), ferner möchte sie Erbschaften ganz kräftig besteuern, und eine Reihe von Schlüsselindustrien verstaatlichen. Dass all dies – es kommt dann auf die genaue Ausgestaltung an – ökonomisch vollkommen angemessen und zweckdienlich und dem Dafürhalten der größten Pioniere der Marktwirtschaft sicher weitestgehend entsprechend ist (sie nennt ihr Programm ja “Erhardt Reloaded”) – daran kann gar kein Zweifel bestehen. Wenn diese notwendige politische Gestaltungsmacht einer aktiven Politikerin Sarah Wagenknecht oder jemand anderem der ihr Buch gelesen hat, eines Tages auf legale Weise verliehen sein möchte – es wäre nur zu schön. Vielleicht auch ein bischen zu schön um wahr zu sein. Es wäre jedenfalls nichts dagegen einzuwenden, ganz im Gegenteil. Es wäre unbedingt zu unterstützen.

Aber. Um etwas zu gestalten, dass als ALTERNATIVE zum Kapitalismus zu verstehen ist, also Freiheit  statt  Kapitalismus, und nicht Freiheit  im  Kapitalismus, da werden lediglich politische Gestaltungsmittel nicht hinreichen.

Wenn man sich besinnt, wie der Kapitalismus entstanden ist, wird man unschwer erkennen können, dass die wesentlichen Entstehungsgründe nicht politischer Wille oder Einfluss waren, sondern: technische Möglichkeiten. Die Dampfmaschine, das mit mechanischer Energie angetriebene Fließband, vielerlei in den Produktionsprozess eingeflossene Errungenschaften der Ingenieurwissenschaften. All dies machte es möglich, den Kern der Wertschöpfung nunmehr aus der Landwirtschaft, der Bewirtschaftung des Bodens zur Nahrungsmittelproduktion, in die Erzeugung von Konsumgütern zu verlagern. Damit wurden die Fabrikanten die neuen Herren, und lösten in dieser Funktion die Land- und Gutsbesitzer ab.

Der Kapitalismus hat nicht nur diesen gigantischen und sich allmählich selbst erstickenden Reichtum geschaffen, sondern auch: ganz neue, revolutionäre, nie da gewesene Produktionsmittel. Da, wo noch tatsächlich wertschöpfend und real von der Industrie investiert worden ist, sind zunehmend Produktionsverfahren und Systeme entstanden, die eine immer intensivere Kooperation von Konsument und Produzent ermöglichen; die Produktionsmittel wurden immer kleiner, und universaler einsetzbar (sehr schön hier beschrieben, besonders der Abschnitt  “Die Verbreitung von Open Manufacturing”: )

Das “Ideal”, das theoretische (und zunehmend praktisch werdende) Maximum oder Optimum einer solchen Entwicklung ist der kleine Personal Fabricator, eine kleine universale Fabrik für “allmost anything”, mit einer theoretischen produktiven Universalität, die sich allerdings von der gegenwärtig noch gegebenen Beschränkung auf kleine Spielfigürchen aus Plastik durch eine vermutlich lange Reihe von Generationen bis zur volkswirtschaftlich relevanten tatsächlichen Universalität und Einsatzfähigkeit wird hinaufentwickeln müssen.

Aber – das ist der Keim. Der Keim ist in der Gegenwart winzig und bleich und blass, wie die Farben der Plastikfäden, die er gegenwärtig verarbeiten kann. Die Kraft, die Welt zu verändern, sieht man diesem Keim, diesen kleinen gegenwärtig in den FabLabs der Welt fabbernden Maschinchen nicht an. Aber aus diesem Keim – sicherlich zusammen mit erforderlichen unterstützenden und ergänzenden politischen Gestaltungsmaßnahmen – wird die geschichtliche Möglichkeit erwachsen, den Kapitalismus als dominierendes System abzulösen.

Erst dann kann gelten: Freiheit statt Kapitalismus.