Marx, Roboter und die Fundamentalökonomie

Wenn das Wirtschaftssystem den Planeten und die Freiheit bedroht, sollte man darüber nachdenken, wie sich der „alltägliche Kommunismus“ der Fundamentalökonomie mit Hilfe der Roboter in einen weit weniger alltäglichen Kommunismus verwandeln lässt.

Der weltbekannte Jazz-Bassist Richard Bona, der in einfachsten Verhältnissen im Kamerun aufwuchs und sich auf selbstgebauten Instrumenten das Bass-Spielen beibrachte, schrieb neulich in seinem Facebook-Profil, er strebe in allen Dingen die er tue, an jedem einzelnen Tag nach Vollkommenheit. Und tatsächlich – ist es denn nicht genau das, was jeden Meister seines Fachs, sei er Künstler oder Handwerker, Wissenschaftler oder Ingenieur, auszeichnet? Ist es denn nicht immer diese dem Geist nur undeutlich und unerreichbar fern vorschwebende Idee von Vollkommenheit, die schaffende Menschen immer von neuem vorantreibt, diesem Ideal immer weiter sich anzunähern? Und das, ist es einmal in einem Werk erreicht und verwirklicht, unvergleichliche Faszination ausübt, und seinerseits für andere Menschen Ansporn darstellt, diesem Ideal nachzueifern?

Nun verbindet man mit diesem großen Wort Vollkommenheit eher dem Bereich profaner Nutzanwendungen entrückte Kunstwerke; von auf dem Markt handelbaren und industriell hergestellten Produkten erwartet man sie nicht unbedingt. Aber auch etwa die schwäbischen Mercedes-Gründer Carl Benz und Gottlieb Daimler wollten perfekte, vollkommene Autos bauen, und dem italienischen Auto-Genie Ettore Bugatti wird man vielleicht zugestehen wollen, es mit seinen erlesenen automobilen Skulpturen auch geschafft zu haben. Oder wie ist es etwa mit Möbeln, ersonnen von großen Möbel-Designern, wie den bis heute faszinierenden Schöpfungen der Bauhaus-Designer, vom weniger bekannten Charles Macintosh mit seinem bezaubernden Hill House-Stuhl bis zu den unvergessenen Namen Charles Eames, Gerrit Rietfeld, Le Corbusier oder Marcel Breuer? Oder in der Architektur? Oder vielleicht mit Fernsehgeräten, von Braun, oder auch von Sony?

Aber auch noch weit profanere Dinge können einen Grad von Perfektion erreichen, der in die entrückten Dimensionen von Vollkommenheit hineinreicht. Zum Beispiel – Software-Systeme. Software-Entwickler können ob des Anblicks von Programmcode in Verzückung geraten, und darin makellose Schönheit entdecken, Eleganz und Perfektion, und eben Vollkommenheit. Oder auch – Roboter. Oder ganze Produktionssysteme, wie etwa die „Open Integrated Factory“ von SAP, die individuelle Dinge auf Kundenanforderung herstellen kann, oder das „Roboter-Lego“ der jungen Firma Robodev, eine Art Lego-Baukasten, dessen Bausteine aus Modulen wie Klein-Robotern oder Transportsystemen bestehen, die man schnell und einfach zu flexibel verwendbaren automatischen Produktionssystemen zusammenstecken kann. Das Motto ist: „Einfach selbst automatisieren“.

Was macht ein Werk vollkommen? Die Regel form follows function war das auf den amerikanischen Architekten Louis Sullivan zurückgehende Design-Prinzip, das später vom Bauhaus übernommen wurde. Die function, die Funktionalität wiederum „bringt Normativität ins Spiel“, wie der amerikanische Philosoph John Searle formulierte; der Begriff ästhetischer oder funktionaler Vollkommenheit transportiert normative Ansprüche. Was macht nun etwa eine Software oder einen Roboter oder ein Fabrikationssystem vollkommen – offenbar die Fähigkeit, ihre Funktion auf vollkommene Weise zu erfüllen. Und worin besteht ihre Funktion vor allem und in erster Linie – wohl doch darin, Arbeit zu leisten, und so den Menschen von Arbeit zu entlasten. Das wiederum haben diese Artefakte mit allen solchen menschengemachten Dingen gemein, die Tools, Werkzeuge sind: Werkzeuge sind und waren nie etwas anderes als vorgetane Arbeit, um Arbeit einzusparen. Der Mensch ist, das wusste Marx von Benjamin Franklin, ein toolmaking animal, seit dem ersten Faustkeil, über das Rad und den Hebel, Pfeil und Bogen und Druckerpresse bis zum universal programmierbaren Automaten, und schließlich bis zur vollkommenen, vielfältigste Arten von Arbeit erledigenden und so menschliche Arbeit sparenden „smarten“ oder intelligenten Fabrik.

Insoweit ist die immer wieder von neuem mit immer neuem Elan diskutierte Frage, ob die digitalen Technologien inklusive Robotik und KI Arbeitsplätze vernichten werden, eigentlich eine nicht sehr originelle Frage. Genau dazu sind sie doch gemacht worden, Arbeit einzusparen, sonst wäre die Arbeit, die man aufgewendet hat um sie herzustellen, verschwendet. Bezogen auf die Frage nach dem Arbeitsplatz bedeutet das: wenn so ein Artefakt in einem definierten Arbeitsprozess so viel Arbeit einsparen kann, dass für den oder die diese Arbeit bisher erledigenden Menschen nicht genügend Arbeit übrig bleibt, um ihn oder sie dem Lohn entsprechend auszulasten, wird der Arbeitsplatz verloren gehen. Es sei denn, eine Firma ist großzügig und verschenkt den Lohn, was sie sich aber in den seltensten Fällen wird leisten können bzw. wollen. Bezogen auf eine ganze Ökonomie bedeutet das: wenn man vorgetane und eingesparte Arbeit saldiert, wird ein durchschnittliches Plus von einigen Prozent an Produktivitätsfortschritt dabei herauskommen, und dies nur dann, wenn ein möglicher Produktivitätsfortschritt durch sachgemäße Anwendung geschaffener arbeitssparender Technologien auch realisiert wird. Das ist nicht unbedingt der Fall, aber, wie die Geschichte seit frühester Steinzeit und insbesondere seit Start des Kapitalismus zeigt, sind Produktivitätsfortschritte wohl nicht nur ausnahmsweise erreicht worden. Seit Beginn der Industrialisierung haben sich Produktivität und Lebensstandard geradezu explosiv entwickelt.

Ist ein Produktivitätsfortschritt einmal erreicht, kann er prinzipiell auf dreierlei Weise verwendet werden: als Lohnerhöhung, als Arbeitszeitverkürzung, oder als Gewinnsteigerung des Unternehmens. Produktivitätssteigerungen bedeuten immer auch neue Spielräume zur Erweiterung des Konsums, durch verbilligte, verbesserte oder ganz neue Produkte. Solange danach Nachfrage besteht und die hinreichend attraktiven Produkte nicht plötzlich ausbleiben, kann die Wirtschaft wachsen, und tatsächlich ist dies in den wesentlichen Zügen ja der jahrhundertealte evolutionäre Prozess, der den frühindustrialisierten Gesellschaften den bis heute erreichten Lebensstandard beschert hat.

Wenn aber die Fähigkeit, durch leistungsstarke Technologien Arbeit einzusparen, die Möglichkeiten der konsumtiven Verwendung der eingesparten Arbeit dauerhaft übersteigt, weil die Ideen für die immer neue „Killerapplikation“, die sensationelle, alle Märkte stürmende, ganz neue und ganz neue Kapazitäten erfordernde Innovation ausbleibt, oder wenn andere Gründe – etwa ökologische – einem endlos weiter gesteigerten Konsum entgegenstehen, genau dann und erst dann wird im Feld der Ökonomie ziemlich vieles ziemlich anders.

Kann der Kapitalismus weiterleben? Meines Erachtens nicht.

Joseph Schumpeter, im linken Lager nicht gerade der geliebte Referenzökonom, vertrat im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen John Maynard Keynes die Auffassung, dass der Kapitalismus nicht ewig weiterleben könne. Er werde sich gewissermaßen selbst in einen Folgezustand transformieren, den Schumpeter Sozialismus nannte. Als bedingende und auslösende Faktoren nannte Schumpeter genau diese beiden: Sättigung der Massenmärkte, und Vollkommenheit der Produktionsmittel.

Wann genau darf man nun einem so komplexen Werkzeug wie einem Produktionssystem, das Konsumgüter herstellen kann, Vollkommenheit zusprechen? Schumpeter dachte an möglichst hohe Produktivität, die ja vom Automationsgrad abhängig ist. Ist der Automationsgrad eines Arbeitsprozesses sehr hoch und geht gegen hundert Prozent, steigt die Arbeitsproduktivität der verbliebenen menschlichen Arbeiter, die in diesem Arbeitsprozess noch eine Rolle spielen, ins Unendliche. Ist eine Gesellschaft in dem Sinne reich geworden, dass sie über derart vollkommene Produktionsmittel verfügt, ist „das Problem der Ökonomie“ gelöst, wie Keynes erwartet hatte, denn die lebensnotwendigen und einen angenehmen Lebensstandard bescherenden Güter sind nicht mehr knapp. Doch obwohl das auf den ersten Blick völlig logisch und folgerichtig erscheint, hat bislang weder die Selbsttransformation des Kapitalismus stattgefunden, noch hat sich die 15-Stundenwoche durchgesetzt, und das Problem der Ökonomie scheint ungelöster denn je.

Bevor wir uns ökonomischen Fragestellungen zuwenden, bleiben wir noch einen Moment bei der Frage der Vollkommenheit der Produktionsmittel. Wie ja auch Marx wusste, träumte schon der griechische Philosoph Aristoteles von selbstbewegten, auto-matischen Werkzeugen, zum Beispiel dem berühmten Weberschiffchen, das mit dem Wissen begabt war, wie es seine Bewegungen zu steuern hätte, um ein textiles Gewebe entstehen zu lassen. Dieses Wissen ist in der modernen IT-gesteuerten Fabrik in ein Programm, also in Software gegossenes Wissen; die Fabrik ist seit dem Siegeszug von Alan Turings Universalrechner in die Fabrikhallen – man nun sagt – digitalisiert. Idealerweise ist so eine Fabrik also eine technische Apparatur, die sich durch in Software gegossenes Wissen steuern lässt, und vollkommen ist sie dann, wenn das von ihr erzeugte Produkt mit minimalem Aufwand und ohne Verschwendung von Ressourcen auto-matisch erzeugt wird, und dies möglichst genau so wie der Konstrukteur eines Produktes es erdacht hatte. Eine solche Fabrik wäre also eine vollkommene Spezialfabrik, die ein bestimmtes in einer Softwareprozedur beschriebenes Produkt fehlerfrei und mit minimalem Ressourceneinsatz herstellen kann.

Nun weiß man ja seit Turings universaler Rechenmaschine, dass die sich genau dadurch von vorherigen automatischen Rechenmaschinen unterschied, dass sie eine Universalmaschine war: sie war eben die Universale Turing-Maschine, im Gegensatz zur speziellen Turing-Maschine. Sie war in der Lage, jede spezielle, eine spezielle algorithmische Prozedur beschreibende Turing-Maschine zu „implementieren“, also zur Ausführung zu bringen. Erst das machte sie zur mächtigen Universalmaschine, die im Bereich der Berechenbarkeit jedes Problem lösen konnte, das als algorithmische Prozedur beschrieben werden konnte. Das impliziert offenbar für die normative Zuschreibung von Vollkommenheit im Falle einer Fabrikationsmaschine: auch sie müsste idealerweise in der Lage sein, jedes beliebige als berechenbare Prozedur formulierte Produktionsprogramm auzuführen. Bevor wir uns nun der Frage zuwenden, ob die industriellen Produktionsmittel vielleicht – und sogar schon lange! – auf dem Weg sind, sich in der Realität diesem Ideal anzunähern, kurz zu der Frage, ob die Verfügbarkeit in diesem Sinne idealer Produktionsmittel nicht nur die Möglichkeit darstellt, Knappheitsbedingungen zu überwinden, sondern auch die hinreichende Bedingung, kapitalistische ökonomische Verhältnisse mit dominanter Markt- und Preissteuerung zu überwinden.

Solange die Betriebe Spezialbetriebe sind, sind Märkte und Preissteuerung unverzichtbar, um die doppelte Kontingenz der anonymen anarchischen kapitalistischen Produktion zu operationalisieren: der Anbieter kennt den Nachfrager und dessen Konsumwünsche nicht, und der Nachfrager kennt den Anbieter und dessen Angebot nicht. Über möglichst transparente Märkte kann der Anbieter dem Nachfrager sein Angebot bekannt machen, und der Nachfrager kann das für ihn optimale Angebot auswählen. So entsteht die unausweichliche Marktdynamik: der Anbieter produziert unter Risiko auf Vorrat, und steht mit seinen Mitbewerbern in Konkurrenz um zahlende Kundschaft und Marktanteile.

Diese Dynamik löst sich – den Erwartungen Keynes‘ und Schumpeters zum Trotz – aber nicht auf, wenn die Märkte sich von Verkäufer- zu Käufermärkten gewandelt haben, und insofern schon lange Sättigungssymptome aufweisen. Im Gegenteil, der Kampf um Marktanteile und Gewinne wird umso härter ausgefochten; der Druck auf die Löhne genauso wie in subtilerer Form auf die Konsumenten, auch die verzichtbarsten Produkte etwa zur Steigerung des Prestiges für teures Geld einzukaufen, nimmt unaufhörlich zu, und der Umsatz wird mit den raffiniertesten und tückischsten Mitteln auf möglichst hohem Niveau gehalten.

Nun könnte man sagen: wenn die Selbsttransformation des Kapitalismus ausbleibt, dann wird nichts anderes übrig bleiben, als mit anderen Mitteln diese Transformation herbeizuführen, etwa, indem man die Steuerung der Ökonomie und der Betriebe in die öffentliche Hand übergibt, und sie von einem „Planungsministerium“ durchführen lässt, wie es Joseph Schumpeter vorschwebte. Wie immer das Problem der Überführung privaten Eigentums in öffentliche Verfügungsgewalt nun gelöst werden könnte, bliebe aber auf jeden Fall genau das Problem bestehen, das bis dato nur Märkte und freie Marktpreise lösen konnten: nämlich die Überwindung der typischen doppelten Kontingenz der Warenproduktion.

Und genau dieses Problem wäre nun in der Tat gelöst, wenn die Produktionsmittel im beschriebenen Sinne Vollkommenheit besäßen: dann wäre es eben möglich, auf die Steuerung durch die „invisible hand“ des Marktes, die genauso unsichtbar wie blind ist, zu verzichten, weil es möglich wäre, jede Konsumentennachfrage ad hoc, on demand exakt nach Kundenwunsch zu befriedigen. Der Kunde könnte sein Wunschprodukt nun in einem virtuellen Prozess auswählen, bevor es hergestellt worden ist. Die Produkte müssten nicht mehr über den Markt allokiert werden, sondern könnten etwa über eine Internet-Plattform allokiert werden, ohne Verluste an allokativer Effizienz. Und dann erst wäre es auch möglich und sinnvoll, dass diese Produktionsmittel aus der privaten gewinnwirtschaftlichen Nutzung in öffentliche Nutzung übergingen.

Wirft man nun einen Blick auf die tatsächliche Entwicklung der digitalen Fertigungstechnologien, so ist kaum übersehbar, dass die Begriffe Losgröße 1, Flexibilität, on-demand-Produktion und Automation die Vision der „Fabrik der Zukunft“ prägen. Etwa beim Projekt der „SmartFactory KL“, eines herstellerübergreifenden Vereins zur Entwicklung einer visionären Modellfabrik, die die Potenziale von Automatisierungstechnik und Informationstechnik in einem funktionsfähigen Modell sichtbar machen soll, dreht sich alles um die Begriffe Modularität, Flexibilität und Losgröße 1. Die „Smart Factory“ soll idealerweise eine „Blackbox“ sein, die mit „Daten“, also den zu einem Produkt gehörenden CAD- und Prozessdaten, gefüttert wird, und die daraus ganz im Verborgenen und möglichst in Windeseile das gewünschte Ding produziert. Und diese Fabrik wäre in der Tat schon fast universal programmierbar. So trennt sich die eigentliche Fertigung auch mehr und mehr von einem speziellen Produkt und einem speziellen Markenfertiger; es gibt bereits Anbieter von „smart factories as a service“, als Dienstleistung, auf welche Markenhersteller nach Bedarf zugreifen können – was sie von der Notwendigkeit, eigene Fertigungskapazitäten vorhalten zu müssen, tendenziell befreit.

Haben Fertigungsprozesse in diesem Sinne hinreichende Vollkommenheit erreicht, kommt es gewissermaßen zum geschichtlichen Durchbrechen der Schallmauer, zur „Singularität“: dann macht es keinen Sinn mehr, dass private gewinngetriebene Unternehmen diese Services anbieten, die dabei immer auch der kapitalistischen Dynamik ausgesetzt sind und einerseits wachsen müssen, andererseits der Begierde des nach Investitionsmöglichkeiten gierenden Großkapitals ausgesetzt sind. Dann könnte sich die Gesellschaft der Bürger, die ihre Konsummöglichkeiten Pareto-optimal gestalten wollen, selbst eine entsprechende industrielle Infrastruktur aufbauen, die dieses gewährleistet. Das Ende des Kapitalismus würde gewissermaßen darin bestehen, dass die Gesellschaft sich „Dinge-Automaten“ installiert, die nach Wunsch und auf Anforderung Konsumgüter produzieren. Zum ersten Mal in der Geschichte würden diese Dinge-Automaten keinen Tauschwert mehr produzieren, sondern nur noch Gebrauchswert. Ihr Ziel wäre nicht die endlose Vermehrung von Kapitalgewinnen, sondern die endliche Befriedigung von – rationalen – Konsumwünschen.

Fundamentalökonomie

Wolfgang Streeck beschreibt in seiner Einleitung zur „Ökonomie des Alltagslebens“ fundamentalökonomische Infrastrukturen als den „alltäglichen Kommunismus“, der „unseren alltäglichen Kapitalismus erst ermöglicht“. Fundamentalökonomische Infrastrukturen sind langfristige Investitionen mit geringen Renditen, „die jedoch durch ein geringes Risiko – und natürlich durch ihren allgemeinen, der Gesellschaft frei zur Verfügung gestellten Wert – aufgewogen werden.“

Genauso verhielte es sich mit industriellen Infrastrukturen, die nun nicht nur Wasser, Energie, Mobilität, Gesundheit, Bildung, Wohnen, Pflege und Telekommunikation produzieren, sondern auch: Konsumgüter, jedenfalls solche, die man zu einem Grundbedarf zählen kann. Die Rendite wäre – als Kapitalertrag – nicht nur gering, sondern null. Der Ertrag bestünde ausschließlich aus dem „allgemeinen, der Gesellschaft frei zur Verfügung gestellten Wert“. Aus dem alltäglichen Kommunismus wäre ein etwas weniger alltäglicher Kommunismus geworden, mit einer aber schon deutlich erkennbaren Tendenz zum absolut nicht mehr alltäglichen Kommunismus: denn so könnte es langsam entstehen – „das Einfache, das schwer zu machen ist“. Die Arbeit – unter diesen Bedingungen nur noch notwendig, um Dinge und Dienstleistungen zu konsumieren, die der alltägliche Kommunismus nicht produzieren kann – wäre in genau diesem Umfang optional geworden, und die kapitalistische Profitwirtschaft wäre aus dem Bereich der Fundamentalökonomie vertrieben. Der gesellschaftliche Reichtum – Marx‘ wirklicher Reichtum – würde in genau dem Maße wachsen.

Dieser Argumentation folgend würde es in Zukunft also darauf ankommen, nicht nur die kollektiv-gemeinwirtschaftliche Grundlage der Gesellschaft vor den Imperativen der Kapitalverwertung zu schützen, sondern im Gegenteil die kollektiv-gemeinwirtschaftliche Grundlage in den Bereich der Konsumgüterproduktion hinein auszudehnen. Und dies wird nicht möglich sein ohne Roboter und menschenleere, „smarte“, leistungsfähige Fabriken. Was spricht auch dagegen? Wer heute die menschenleere Fabrik für ein Schreckgespenst hält, denkt konservativer als die konservativsten Kapitalisten. Für Marx war gerade die Menschen versklavende und demütigende Fabrik das Schreckgespenst, und es war seine Hoffnung, dass kluge Wirtschaftsplanung und ausgefeilte Technologien den Menschen eines Tages ein erfülltes Leben außerhalb der Fabrikmauern ermöglichen werde. Der Atem der gesellschaftspolitischen Gestaltung und der Blick müssen weit genug sein, einen Wandel zu überblicken und gestalterisch zu bewältigen, der den langfristigen Abbau von Arbeitsplätzen in der Industrieproduktion einschließt, ohne die betroffenen Menschen im Regen stehen zu lassen, und ihnen dazu eine attraktive – ja weit attraktivere – Alternative zu bieten.

Geschichtlicher und technischer Fortschritt verlangen Klügeres als das Festhalten am industriellen Arbeitsplatz, der keine andere Legitimation besitzt als die, dass man sich nichts anderes vorstellen kann. Dies hat auch nicht nur nationalökonomische Relevanz. Die Smart Factory, die wie der Computer zum internationalen Standard geworden ist, kann den internationalen Wirtschaftsverkehr revolutionieren: Statt des gegenseitigen Überschüttens mit Exporten von fertig produzierten Produkten können die CAD-Daten immateriell durch Datenleitungen fließen, um am Ort des Konsums in Produkte verwandelt zu werden. Staaten können ihre Kapazitäten zu weltweiten Produktionsnetzwerken zusammenschließen. Ziel ist dann aber nicht mehr die Maximierung der Kapitalrendite, sondern eben der der Gesellschaft zur Verfügung gestellte (Gebrauchs-)Wert.

Die Gesellschaften haben heute die Greta-Frage zu beantworten: wie hältst Du’s mit dem Wirtschaftswachstum? Nicht erst das brennende Amazonasbecken zeigt: infinites Wirtschaftswachstum ist längst nicht mehr wohlstandserweiternd, sondern schafft statt blühender Landschaften verkohlte todbringende Wüsten. Es wäre eine gute Idee, diese Möglichkeiten, die der Kapitalismus am Ende seiner fruchtbaren Tage der Nachwelt hinterlässt, zu entdecken und im Sinne einer nachhaltigen und erstrebenswerten Zukunft zu nutzen. Allerdings: Renditejäger werden enttäuscht sein. Es geht eigentlich nur um den höheren Lohn und den Wert des Erhalts dieses unseres einzigen Heimatplaneten.

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