Albrecht Müller, prominentes SPD-Urgestein seit über 50 Jahren, ehemals Planungschef im Bundeskanzleramt und Wahlkampfmanager Willy Brandts, nannte sein 2020 erschienenes Buch „Die Revolution ist fällig“. Untertitel: „Aber sie ist verboten“.
Ach wie dumm. Das ist natürlich ein misslicher Umstand für eine Revolution. Dass Revolutionen verboten sind, liegt eigentlich in der Natur dieser Sache, und wenn eine fällig ist, geschieht sie trotzdem. Dann fragt auch niemand nach Gesetzen oder einer Behörde, die eine Revolution zu genehmigen oder zu verbieten hätte. Wenn eine Revolution wirklich fällig ist, dann nimmt sie sich gewissermaßen ihr Recht.
Aber so dringlich sieht Albrecht Müller die Sache dann doch nicht. Wir hätten „der Idee nach“ eine schöne Demokratie, sagt Müller, aber wir müssen mit „verhärteten Verhältnissen“ leben. Die Einkommen seien ungerecht verteilt, die großen Vermögen befinden sich in den Händen weniger, und die Wirtschaft wird beherrscht von Finanzkonzernen. Die Parteien seien „programmatisch entkernt“, schreibt er, und „die Medien konzentriert und meist angepasst“. Und was die nun so vordringlich gewordenen Fragen der Sicherheit angeht, da klagte er schon zur Zeit des Erscheinens seines Buches, es werde statt auf Dialog und Verhandlung vornehmlich „auf Konfrontation und Kriegsvorbereitung gesetzt, fremdbestimmt von den USA.“ Statt des Stürmens der Barrikaden lautet also Müllers „Rat an Gleichgesinnte: Tut euch zusammen, verhindert das Schlimmste und setzt auf bessere Zeiten!“
Das klingt alles zusammen statt nach Revolution tatsächlich eher nach einem wohltemperierten blassroten sozialdemokratischen Programm, das, umzusetzen dann im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland, selbst im besseren Fall des Gelingens einer solchen „Revolution der Gleichgesinnten“, auch den USA nicht sonderlich weh tun würde. Die für diese „Fremdbestimmten“ dann erforderliche Genehmigung durch die USA gäbe es vielleicht sogar gratis.
Aber eine echte Revolution – wirklich, ohne Genehmigung? Das machte das Gelingen einer Revolution dann doch sehr unwahrscheinlich. Oder es müsste viel zwingendere Gründe geben, stärkere Motive, überzeugendere, einigendere, und mit längerem Atem ausgestattete Revolutionäre, damit deren Revolution sieg- und erfolgreich werden könnte. Und, um das gleich vorweg zu sagen: wenn eine Revolution wirklich fällig ist, geht es nicht nur um die Bundesrepublik Deutschland, dann geht es ums Ganze, dann geht es eben auch um die herrschenden USA. Wer weiterlesen möchte, kann an dieser Stelle mit freundlicher Empfehlung an den „Rat der Gleichgesinnten“ besser gleich abschalten.
Gute Gründe und schlechte Gründe
Wer aber nun dennoch weiterlesen möchte, kann fragen, ob es auch nur im Entferntesten Aussichten geben könnte, eine derartig dimensionierte Revolution ins Werk zu setzen. Leider sind die Aussichten in der Tat dramatisch schlecht.
Man kann aber trotzdem nach echten Gründen fragen, also danach, ob es sie gäbe, oder geben könnte, oder geben sollte, theoretisch. Was könnte oder sollte trotz allem so starke Motive und Überzeugungen ansprechen und hervorrufen, dass Menschen in hinreichend großer Zahl sich zu wirklich „revolutionären“ Taten entschließen?
Gründe für Taten können gute sein, teilbare, vernünftige, oder schlechte, nichtteilbare, unvernünftige, da gibt es immer zwei Möglichkeiten. Das gilt auch für Revolutionen. Schlechte Gründe sind also eigentlich keine Gründe, sondern sie geschehen trotzdem, aus Dummheit, Irrtum oder schlechten Motiven, wenn es keine guten Gründe gibt.
Gute Gründe für eine Revolution können entstehen aus „inneren“ Gründen, aus dem großen weiten Kontext der dynamischen Wirtschaftsentwicklung, also dann, wenn – damit in groben Zügen der Marxschen oder auch Schumpeterschen Interpretation folgend – die Entwicklung an einen Punkt gerät, an dem es einfach nicht mehr weitergeht. So wie Marx so schön lakonisch schrieb: „Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolutionen ein“. Oder, wie Joseph Schumpeter annahm, es werde dann – nicht per Revolution, sondern per Verwaltungsakt – zu einem „sehr gemäßigten“ Sozialismus kommen, einfach weil der Kapitalismus vorher getan hat, was er tun konnte, und das ja mit großem Erfolg. Und weil er nun nicht mehr kann, eben wegen der Erfolgs. Wie das genau vor sich gehen soll, ist mit wenigen einfachen Worten leider nicht zu beschreiben, aber es lassen sich doch eine Reihe von Indikatoren nennen, die so ein „nicht mehr kann“ plausibel erklären können.
Aber es gibt eben auch „äußere“, schlechte Gründe, die in – eigentlich vermeidbarem – individuellem (Fehl-)Verhalten von Menschen liegen, von schuldigen Menschen, von Verbrechern. In den Gesellschaften, in den politischen Gemeinwesen, in den Ökonomien hat sich – tragischerweise erst nachdem der Kapitalismus schon viel von dem getan hat, was er tun konnte, oder während dessen – Schwerkriminalität breitgemacht, und zwar gewissermaßen von oben nach unten und in die Breite, von den USA ausgehend quer durch die von ihnen dominierten Gesellschaften. Der Fisch stinkt nun, vom Kopfe her.
Man muss also unterscheiden, welches die sozusagen rein ökonomischen Gründe sind, aus denen sich eine Revolution – dann mit innerer Notwendigkeit – entwickeln kann, und diese hervorrufen. Das ist dann eher ein rein akademisches Projekt, in dem nur akademisch, moralisch und vernünftig denkende und handelnde Menschen vorkommen. Schlechte, böse, aus schlechten Gründen handelnde Menschen kommen in dieser großen Sicht – sub specie aeternitatis sozusagen – aus Prinzip nicht vor.
Aber es können eben auch sehr schlechte, böse Menschen sein, die die Geschicke beeinflussen wollen, und vielleicht wollen diese Menschen verhindern, dass der Lauf der Dinge sich einer wirklichen revolutionären Neugestaltung annähert, also so, wie es eigentlich möglich und in der Geschichte als Möglichkeit angelegt ist. Aber böse Menschen, sehr böse Menschen, wollen eben keine richtige Revolution. Im Gegenteil. Und sie erlauben sich unter Umständen dann schwerste Verbrechen. Solche Verbrechen hat es gegeben, und hier folgen zwei Beispiele.
Schlechte Gründe (1)
Eines der beeindruckendsten Zeugnisse für ein die Geschichte nachhaltig prägendes Kapitalverbrechen ist wohl Bob Dylans Ballade „Murder most Foul“, in der Dylan den Mord an dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy in Dallas 1963 dichterisch und musikalisch beschrieben hat. Dylan lässt in diesem großartigen Werk keinen Zweifel daran, in welchen Täterkreisen nach seiner Überzeugung die Verantwortlichen zu suchen sind, und Lyndon B. Johnson, der nach Kennedys Tod diesem gesetzlich nachfolgende Präsident, gehörte selbst zu denen, die in Dylans Poem zu Kennedy sprechen, und die nun beabsichtigen, seinen Nachfolger ins Amt zu hieven:
We’re gonna kill you with hatred, without any respect
We’ll mock you and shock you and we’ll put it in your face
We’ve already got someone here to take your place
Dylan sah in poetischer Überhöhung bzw. erzählerischer Komprimierung der Ereignisse mit dem Tod des katholischen Christen Kennedy ein neues, dunkles, antihumanes, „antichristliches“ Zeitalter anbrechen, in dem man sich um Werte, Wahrhaftigkeit und die Geltung des Rechts nicht mehr scheren muss:
They killed him once and they killed him twice
Killed him like a human sacrifice
The day that they killed him, someone said to me, „Son
The age of the Antichrist has just only begun“
Nur – was hat Kennedy nun mit Revolution zu tun? Sofern man dieser – von den Gerichten bestrittenen – Geschichtsversion folgt, und tatsächlich eine Art von Verschwörung aus Geheimdienstkreisen, kriminellen Milieus und mit diesen unter einer Decke steckenden staatlichen Stellen für möglich hält, so wäre eine Verbindung Kennedys zu einer in einem weiteren Sinne politisch motivierten „revolutionären“ Verschwörung auf den ersten Blick überhaupt nicht herzustellen. Kennedy stand der in diesem klassischen Sinne „revolutionären“ Sowjet-Union ja keineswegs mit Sympathie gegenüber, und hoffte auf eine produktive, wohlfahrtsstaatlich wohlgestaltete prosperierende kapitalistische Entwicklung, wie sie der Ökonom Joseph Schumpeter sicherlich noch mit Wohlgefallen gesehen hätte. Und, was wohl der wichtigste Aspekt in diesen von den Nachwehen des Zweiten Weltkriegs noch beherrschten Zeiten gewesen ist: Kennedy war ein Mann des Friedens, dem die Schaffung und Erhaltung eines dauerhaften, möglichst weltumspannenden Friedens – statt einer lediglich auf amerikanischer Dominanz beruhenden Pax Americana – das absolut wichtigste Anliegen seiner geplanten zweiten Amtszeit war.
Aber eben das gehörte wohl zu den Plänen, mit denen Kennedy bei den „Verschwörern“ Mißfallen erregt hatte. Dominanzstreben, Kriegsgelüste und eine vom Krieg abhängige Rüstungsindustrie wollte Kennedy eindämmen und überwinden, und die Gestaltung einer auf friedlicher Kooperation beruhenden Wirtschaftsentwicklung der westlichen Welt insgesamt suchten diese eben zu verhindern. Kennedy sah auch die Entwicklung einer atomaren Aufrüstung in Israel kritisch, und suchte im Nahen Osten eher den Ausgleich als Dominanz und imperiale Expansion. Und schließlich, ein sicher nicht unwesentliches Detail: die Executive Order 11110, mit der Kennedy die US-Notenbank, die seit Gründung der FED von einem Konsortium privater Banken beherrscht und geleitet war, wieder unter die Kontrolle des Staates bringen wollte.
Wenn es eine gedankliche Verbindung von Kennedy zu einer Revolution gibt, dann die, dass Kennedy eine (geheime) Revolution des Unrechts verhindern wollte. Er wollte die CIA und ihre dunklen Machenschaften „in 1000 Stücke schlagen“, und das Recht sichern und wiederherstellen. Aber stattdessen wurde Kennedy erschossen – like a human sacrifice.
Wohl nicht nur Bob Dylan fürchtete, dass mit der Ermordung Kennedys das Rechtssystem der Vereinigten Staaten eine nachhaltige Beschädigung, eine irreparable Schwächung und Unterminierung erlitten hat. Schon damals zeigte sich, dass nicht nur die Justiz sich als unfähig erwies, den Mord an Kennedy aufzuklären und die Schuldigen vor Gericht zu stellen. Auch etwa die „Vierte Gewalt“, die freie Presse, die sich bis dahin gerne des Kampfes gegen die Unfreiheit totalitärer Systeme rühmte, blieb untätig und erfolglos, und schien statt an Aufklärung eher an dem genauen Gegenteil interessiert. Und bis heute wird die Masse der Dokumente und Gerichtsakten, die zu einer Aufklärung und einer Überführung wirklich beitragen könnten, unter Verschluss gehalten. In diesen Sinne ist es sicherlich nicht übertriebene poetische Überhöhung, wenn Dylan das Zeitalter des „Anti-Christen“ anbrechen sah, das Zeitalter der Lüge, der Verschwörung, des Verbrechens und der Korruption. Dazu gehört eben auch, wie schon genannt, die immer vollständigere und undurchdringlichere Beherrschung der freien Presse durch die Medien, die wie auf Kommando und in wohlkoordinierter Abstimmung nur die Meinungen in der Öffentlichkeit durchdringen lassen, die ihrer Agenda genehm sind.
Und es folgten nach Kennedys Ermordung ja weitere Morde: an seinem Bruder Robert F. Kennedy, an dem Bürgerrechtler Martin Luther King, sowie auch an vielen namenlosen Opfern, die als unaufgeklärte „Unfälle“, Selbstmorde oder mysteriöse Todesfälle im Zuge der versuchten Aufklärung dieser politischen Morde zu Tode gekommen sind. Tatsächlich, das Zeitalter des „Anti-Christen“ hatte begonnen.
Schlechte Gründe (2)
Ein anderes kollossales Verbrechen, das mit langem Vorlauf seit dem Frühjahr 1997 geplant und dann – so weit man weiß – am 11. September 2001 ausgeführt worden ist, besteht in all dem, was unter diesem Datum an Einzelereignissen zusammenzufassen ist: a) dem Flug zweier Verkehrsflugzeuge, die in die Zwillingstürme des World Trade Centers gesteuert wurden und diese dann auf diese Weise – angeblich – zum Einsturz brachten; b) dem dann später erfolgten Einsturz des Gebäudes World Trade Center Nr. 7; c) dem- angeblichen – Anschlag auf das Pentagon mittels einer weiteren Verkehrsmaschine, die in dieses gesteuert wurde, um es ebenfalls, jedenfalls in Teilen, zum Einsturz zu bringen. Und dann gab es noch d) die Verkehrsmaschine in Shanksville, die nach dieser Version Kurs auf das Weiße Haus in Washington genommen hatte, um dieses ebenfalls zum Einsturz zu bringen, die aber dann von Passagieren zum Absturz auf freiem Feld gebracht worden sein soll, um eben diese geplante Zerstörung des Weißen Hauses in Washington zu verhindern. Behauptete Täter in allen Fällen: 19 islamische Attentäter.
Eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Thema ist an dieser Stelle verzichtbar, denn die ist hinreichend geleistet. Anstelle der Vielzahl von nach dem 11. September entstandenen Büchern, Filmen, Interviews, Artikeln und sonstigen Bild- und Tondokumenten sei hier der 2013 entstandene 5-stündige Dokumentarfilm des italienischen Filmemachers Massimo Mazzucco genannt, der nach dem Urteil vieler Fachleute und Rezensenten eine enorme Fülle an Daten und dokumentierendem Filmmaterial zusammenträgt, um hier eine zusammenfassende erklärende Darstellung der Ereignisse sowie die sich daraus ergebenden noch offenen Fragen vorzulegen.
Unabhängig davon nun, ob diese offizielle Schilderung und Erklärung der Ereignisse des 11. Septembers der Wahrheit entspricht, steht doch außer Frage, dass in die Geschicke der von diesen Ereignissen betroffenen Länder tief eingegriffen worden ist. Das Land Afghanistan wurde als Erstes überfallen und seiner Souveränität beraubt, um dann über 20 lange Jahre nach Willkür und Belieben der USA hauptsächlich mit ferngesteuerten Drohnen aus der Luft beschossen zu werden, angeblich, um Terroristen zu bekämpfen. Die Zahl der getöteten und verletzten zivilen Opfer alleine in Afghanistan hat in dieser Zeit die 100.000 überschritten.
Es folgte 2003 der Zweite Irakkrieg, angeblich, weil Saddam Hussein über Massenvernichtungswaffen verfügte, was mittels einer massiven Invasion schleunigst verhindert werden müsse. Dieser Vorwand war komplett erlogen, wie sich dann herausstellte, denn gefunden wurden diese Massenvernichtungswaffen nie. Gestört hat dies die Weltöffentlichkeit aber nicht: nachdem das Land in Schutt und Asche gelegt worden war und Millionen Menschen dabei umkamen, hat man mit den Achseln gezuckt und gefunden, man könne sich ja mal irren. Die USA haben sich bis heute nicht entschuldigt, geschweige denn den Opfern in irgendeiner Weise Entschädigungen zukommen lassen.
Man muss sich die Kaltschnäuzigkeit klarmachen, mit der hier vorgegangen worden ist. Man hat hier mit kühler Kalkulation und voller Absicht dieses ungeheure Verbrechen, diesen Völkermord inszeniert in dem Bewusstsein, dass es erfolgversprechender sein würde, auf die aufwändige Vortäuschung eines „Findens“ von Massenvernichtungswaffen zu verzichten, als dies einfach lapidar zuzugeben. Die Öffentlichkeit würde überrumpelt und zu träge sein, um sich über den grauenhaften massiven Völkermord zu empören. Diese Geschichte alleine, die unglaubliche Verruchtheit, Gewissenlosigkeit und kriminelle Energie dieses Handelns müssten die Welt eigentlich schon dermaßen in Wut und Empörung versetzen, dass ein Sturm auf die Barrikaden losbricht, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Aber diese Revolution blieb aus. Mord, Zerstörung und Verwüstung nahmen ungehindert weiter ihren Lauf und waren mit den Kriegen gegen Libyen, Somalia, Syrien und den Libanon noch lange nicht beendet.
Wer hat nun profitiert von den Ereignissen des 11. September? Natürlich zuerst einmal die Rüstungsindustrie (vor allem der USA) selbst und die „Big-Oil“-Konzerne, aber dann in ziemlich direkter Verbindung auch der Staat Israel, dessen Konkurrenten um Macht, Ressourcen und Einfluss in seiner Nachbarschaft nun nachhaltig zerstört und in ihrer Handlungsfähigkeit so weit geschwächt worden sind, dass von ihnen keine Gefahr mehr ausgeht.
Schlägt man nun den Bogen wieder zurück zu einer (möglicherweise) fälligen Revolution, dann ergibt sich daraus – also aus diesen beiden genannten, kollossalen, bedrückenden, den Lauf der Geschichte verdunkelnden Verbrechen – wie gesagt, eben noch keine Revolution. Die Rolle dieser Verbrechen besteht darin, dass sie den an sich möglichen, folgerichtigen, bis zur Reife gelangenden Verlauf stoppen oder verhindern. Natürlich könnte eine Revolution auch sozusagen vorher entstehen, dann aber eben, um geschehene Verbrechen aufzuklären und die Verbrecher vor Gericht zu stellen. Sie würde dann geschehen aus moralischer Empörung, aus Wut. In Anbetracht solcher massiven, ungeheuerlichen Rechtsbrüche wie die beiden genannten (sofern denn bewiesen werden könnte, das sie geschehen sind) würde man sich auch nichts mehr wünschen als die Wiederherstellung des Rechts, und die Bestrafung der Schuldigen. Und in diesem Sinne und unter dieses Bedingungen wäre tatsächlich schon die bloße Wiederherstellung des Rechts in den USA und allen von den USA zerstörten Ländern ein derartig massiver internationaler politischer Eingriff, dass man dies ob der schieren Ausmaße mit Recht auch eine Revolution nennen dürfte. Wenn – tja, wenn sie denn realisierbar wäre.
Was ist aber nun mit den wirklich genuin politischen bzw. politökonomischen Revolutionen, die von inneren Kräften angetrieben mit innerer Notwendigkeit auf eine Revolution hinsteuern? Früher oder später? Weil sie auf sie hinsteuern müssen?
Gute Gründe (3)
Bevor die Rede aber nun darauf kommt, muss man natürlich von den ökologischen Veränderungen bzw. Gefahren sprechen, die aus ganz andern Gründen und dann auch mit ganz anderen Zielen zu einer Revolution werden bzw. auf eine Revolution hinsteuern könnten. Sie könnten eine Revolution notwendig werden lassen, um eine „harte Reaktion“ hervorzurufen, wie Marina Weisband schreibt: „Für die notwendig harte Reaktion bräuchte es eine emotionale Aufwühlung, die dem Ausmaß der Vernichtung gerecht wird.“ Da gäbe es eine Parallele: Ausmaß der Vernichtung und emotionale Aufwühlung hier, und moralische Empörung und gesellschaftliche Degeneration und Korruption da. Und die Revolution müsste kraftvoll, impulsiv und plötzlich sein. Leider aber ist es so, dass die verbotene Revolution ganz anders aussieht, wie Marina Weisband findet: „Aber weil die so langsam passiert, ist es wie bei einem Frosch, der langsam gekocht wird.“ Und dann einfach stirbt, statt die Dinge mit einem Sprung in Bewegung zu versetzen.
Ergo: wenn es vielleicht etwas zügiger vor sich geht mit der verbotenen Revolution, und alles nicht so langsam passiert wie bei einem langsam gekochten Frosch, der anschließend ja noch gut schmecken soll, und dann auch alles drei zusammenkommt, emotionale Aufwühlung und richtig harte Reaktion – vielleicht taugt das dann zusammen auch zu einer „richtigen“ Revolution, trotz Verbot. Aber andererseits wiederum – auch das wird nicht klappen, wenn nicht hinreichend klar ist, was darunter, unter „Revolution“, zu verstehen ist. Ohne zu wissen, wie eine sich aus inneren Gründen und Notwendigkeiten entwickelnde Revolution entstehen könnte, hat es noch keinen Sinn, weiter auf die nächste schwere Klimakatastrophe zu warten, damit die dann das Signal zum Starten gibt, denn man würde noch zu wenig darüber wissen, was nun genau vor sich gehen soll, damit alles in vernünftigen Bahnen verläuft.
Ziele
Um auf Kennedy zurückzukommen: Kennedy hatte, wie gesagt, überhaupt keine Einwände gegen den Kapitalismus, sondern er sah noch große Potentiale für die wirtschaftliche Entwicklung unter kapitalistischen Vorzeichen. Der Wohlstand der Menschen, das wirtschaftliche Wachstum solle sich ungestört entfalten und an Schwung zunehmen, und die Menschen sollten ungehindert nach Glück, Erfolg und vernünftigem Reichtum streben. Zins und Zinszins sollten dabei ihren Dienst tun, und den Reichtum der Gesellschaften beharrlich und beständig wachsen lassen.
Aber die großen Ökonomen waren sich eben auch darüber einig, dass das wirtschaftliche Wachstum einmal an innere Grenzen stoßen werde. Das Wachstum werde an Grenzen der Sättigung stoßen, sodass das Motiv der Konsumnachfrage immer mehr von dem Motiv der Generierung von Zinsgewinnen abgelöst wird. Und tatsächlich ist das Generieren von Zinsgewinnen längst zu einem (unendlichen) Selbstzweck geworden, statt zum Zweck der (endlichen) Deckung von Konsumbedürfnissen, wie es sonst über die Jahrhunderte der erfolgreichen, gesunden, und – wie später wichtig wurde – nachhaltigen und die Ressourcen nicht überfordernden Wirtschaftsentwicklung der Fall gewesen ist.
In dieser Sackgasse steckt die kapitalistische Entwicklung nun schon seit Jahrzehnten. Die Zinsen sind über die Jahre – tätsächlich schon seit Jahrhunderten – immer weiter gefallen, und nun bis zur absoluten Grenze von Null, oder auch schon darunter, in den negativen Bereich. Ebenso ist es mit den Gewinnen. Genauer: so wäre es, wenn da nicht ganz besondere, außergewöhnliche und unter gewöhnlichen Bedingungen nicht zu erwartende, oftmals in der Tat mysteriös zu nennende Umstände nun nachhelfen würden. Und genau da sind wir dann wieder bei den schlechten Gründen, aber nun bei ganz anderen, neuen, von den Ökonomen (bis auf Marx!) nie erwarteten mysteriösen Umständen, die aber nun wieder den – heimlichen – Zweck verfolgen, eine Revolution, die nun eigentlich aus guten, vernünftigen Gründen tatsächlich fällig wäre, zu verhindern und hinauszuschieben.
Vor Jahren schrieb in diesem Sinne der Soziologe Wolfgang Streeck von der „gekauften Zeit“, die es ermöglicht, dass reife Ökonomien die eigentlich fällige Revolution immer ein wenig weiter hinausschieben. So kann man erreichen, dass das alte „business as usual“ immer noch wieder weiterläuft, die Spekulationsblasen immer noch weiter aufgeblasen werden und die Schulden immer noch weiter zunehmen, bis die Sache dann endlich crasht.
Was bei diesem Kaufen von Zeit nun neuerdings sehr gute Dienste leistet, sind aktuell zu vermeldende gigantische Gewinne für eine Reihe von US-Firmen bzw. deren Eigentümer und Dividenden-Bezieher. Insbesondere die Covid-Pandemie („Plan-Demie“) und jetzt der Ausbruch des Ukraine-Krieges haben der Rüstungs- und der Pharmaindustrie vorher nie gekannte, märchenhafte „Superprofite“ beschert, die nun zu Billionen vom Himmel herabregnen wie „Sterntaler“, wie der Journalist Gabor Steingart kürzlich schrieb: „In dieser märchenhaften Welt regnet es Billionen vom Himmel…“ Steingart behauptet, es seien pure Zufälle oder Launen der Natur im (Glücks-)Spiel: „Eine Verrücktheit der Politik – Krieg zum Beispiel – oder eine Laune der Natur – Unwetterkatastrophen etwa – spülen der Q-Firma bei annähernd gleichen Kosten einen Gewinn in die Kasse, wie sie ihn nie zuvor gesehen hat.“ Ach was – eine Laune der Natur, wie ein Krieg zum Beispiel? In jahrelanger Vorarbeit eingefädelt? Wie können diese märchenhaften Superprofite wohl anders zustande kommen als durch sehr kunstvoll eingefädelten Betrug? Mal ehrlich, unter uns?
Wenn aber eben nun alles mit ökonomisch und rechtlich rechten Dingen zugegangen wäre, dann wäre die Wirtschaftentwicklung längst an dem Punkt angekommen, an dem es mit „business as usual“ nicht mehr weitergeht. Die Revolution wäre nun wirklich fällig. Die kunstvoll und trickreich „gekaufte Zeit“ Wolfgang Streecks wäre aufgebraucht, das Problem gibt mit den Super-Negativ-Zinsen würde die Blase zum Platzen bringen, weil die zu schwache Nachfrage und die fehlenden Investitionen und Kapitalerträge sich nicht länger vertuschen ließen.
Aber – was denn nun? Gut, für die gekaufte Zeit hat sich mit Krieg und Plandemie wieder eine – vorübergende – Lösung gefunden. Aber was soll denn nun geschehen, wenn es dennoch eines Tages kommt, wie es kommen muss, wenn es tatsächlich endgültig und final nicht mehr weitergeht, wenn entweder ein Weltkrieg ausbricht, unbeherrschbare Naturkatastrophen die Welt heimsuchen, oder die Ökonomie kollabiert, oder auch all das zusammen und gleichzeitig?
Dazu gibt es nun Vorschläge – tatsächlich aber auch ganz ohne Revolution. So glauben einige, man könne eine Art Neustart, einen großen Reset starten, also etwa die Schulden in großem Stil erlassen, Vermögen enteignen und umverteilen, und dann mit frischem Mut, schuldenfreien Unternehmen und freiem Kapital ganz neu wieder anfangen, so wie damals beim New Deal unter Franklin Roosevelt. Eine Art Mini-Revolution wäre das dann ja schon, mit massivem Schuldenerlass und Umverteilung von oben nach unten.
Das Problem damit ist aber: der Kapitalismus hat nun rund 300 Jahre damit zugebracht, die Reichtümer der Gesellschaften, diese Marxsche „ungeheure Warensammlung“ zusammenzutragen und zu schaffen. Diese Reichtümer sind nun da, sie liegen bereit, sie sind Vermögen, produzierte Produktionsmittel und angehäufte langlebige Konsumgüter; sie sind nun da, allenfalls etwas unvollkommen verteilt. Aber nun, mit all diesen hochintelligenten leistungsfähigen produzierten Produktionsmitteln einfach von Neuem mit neuem wettbewerbsgetriebenem Hochdruck in eine neue Epoche von Produktion und Konsumtion einzusteigen, machte einfach keinen Sinn, denn man wüsste nach 14 Tagen schon nicht mehr, wo man all diese Güter lassen soll. Das wäre wie Löcher graben und wieder zuschütten, um wenigstens die Illusion von Konsum und Produktion vorzutäuschen. (Wobei, bei Licht besehen: Kriege provozieren, um im Kriegspiel die vielen geschaffenen Güter dann effizient zu vernichten und erzeugte Gewinne dann wenigstens dem Steuerzahler (als Verlust) und den Rüstungskonzernen (als Gewinn) zuschreiben zu können, ist ja eine Art der (per saldo sinnlosen) Wirtschaftstätigkeit, die man aber dann wenigstens wie Wirtschaft und Wachstum aussehen lassen kann.)
Die geschaffenen riesigen Kapitalien, die da irgendwo liegen und nach Verzinsung gieren, können aber dauerhaft nicht mehr gewinnbringend investiert werden, eben weil die – echte, produktive, realwirtschaftliche – Nachfrage ja schon lange gedeckt ist.
Lösung: (teil-)öffentliche Vermögen
Das Problem, in das die kapitalistische Entwicklung am Ende geraten ist, ist die Verwandlung einer ehemals produktiven Ökonomie in reine Rentenextraktion, in den inszenierten Raub öffentlicher Vermögen, und nun, nach Ausbruch des Ukraine-Krieges, in die Inszenierung und Provokation von lang andauernden militärischen Materialvernichtungsschlachten, um einerseits den Zufluss öffentlicher Gelder zu privaten Gewinnempfängern zu sichern, und andererseits die Aufmerksamkeit abzulenken von dem eben schon seit so langer Zeit, seit dem Kennedy-Mord immer weiter fortschreitenden Verfall der öffentlichen politischen Moral, der öffentlichen Institutionen und vor allem der öffentlichen Meinung in den völlig dem Diktat der US-Hegemonie untergeordneten meinungsbildenden Medien. Tatsächlich: der Westen, mehr oder weniger in seiner Gesamtheit – und das sind nun, seit dem Ukraine-Krieg, all die Staaten, die Russland feindlich gegenüber stehen, und die sich an Sanktionen gegen Russland nicht beteiligen, also tatsächlich die halbe Welt – ist in die Schwerkriminalität abgesunken, und um hier eine Art von Notbremse zu ziehen, die in der Lage wäre, mit einer völkerverbindenden Kraft wie der der Himmlischen Herrscharen das Signal zum Stop, zum Ausbruch und Aufbruch zu geben – das könnte der Beginn einer Revolution sein, die nun wirklich fällig ist.
Die Lösung, die die akademische Vernunft dazu nun anzubieten hat, klingt vergleichweise undramatisch. Sie besteht in der Tat – „einfach“ in der Bildung öffentlichen Vermögens. Prinzipiell ist dies auch tatsächlich möglich durch einen ganz unspektakulären demokratisch legitimierten Verwaltungsakt, wie Joseph Schumpeter sich ihn vorgestellt hatte. Dennoch liegen hier einige gewichtige Probleme vergraben. Die Unterschiede zwischen Keynes und Schumpeter liegen in unterschiedlichen Auffassungen über die Bedeutung des Kapitals, und des Zinses.
John Maynard Keynes sprach in seinem berühmten Vortrag über die „wirtschaftlichen Möglichkeiten für unsere Enkelkinder“ aus dem Jahre 1930 über die erstaunliche Kraft des Zinseszinses. Der wirtschaftliche Aufschwung habe erst mit dem Raub der Gold- und Silberschätze Spaniens aus der damals „Neuen Welt“ Mittelamerikas begonnen, als genügend Kapital vorhanden war, um Kapital mit der Absicht der Erzeugung von Zinsgewinnen zu investieren und zu akkumulieren: „Von dieser Zeit an bis heute wurde die Kraft der Akkumulation, die über viele Generationen hinweg geschlafen zu haben scheint, mittels Zinseszins wiedergeboren und in ihrer Stärke erneuert. Und die Macht des Zinseszinsüber zweihundert Jahre hinweg ist etwas, was die Vorstellungskraft ins Wanken bringt.“
In diesem Text sah Keynes auch schon die Möglichkeit technologischer Arbeitslosigkeit voraus: „Hiermit ist die Arbeitslosigkeit gemeint, die entsteht, weil unsere Entdeckung von Mitteln zur Einsparung von Arbeit schneller voranschreitet als unsere Fähigkeit, neue Verwendungen für Arbeit zu finden. (…)“. Aber auf lange Sicht würde das eben kein Problem darstellen, sondern genau umgekehrt, die Lösung: „Auf lange Sicht bedeutet all dieses, dass die Menschheit dabei ist, ihr wirtschaftliches Problem zu lösen.“
Lösung des wirtschaftlichen Problems – das bedeutete für Keynes, es könne bald ein „.. Punkt erreicht sein, vielleicht viel eher, als wir uns alle bewusst sind, an dem diese Bedürfnisse in dem Sinne befriedigt sind, dass wir es vorziehen, unsere weiteren Kräfte nicht-wirtschaftlichen Zwecken zu widmen.“
Nun – da muss man nicht lange suchen, und findet die Kerngedanken von Karl Marx („… heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, (…) wie ich gerade Lust habe …“), Joseph Schumpeter („… wollen uns vielmehr dessen eingedenk bleiben, dass der Sozialismus nach höheren Zielen als vollen Bäuchen strebt (…) in allererster Linie bedeutet der Sozialismus eine neue kulturelle Welt..“) oder auch von Keynes mit Zitaten aus der Bergpredit: „… jene herrlichen Menschen, die fähig sind, sich unmittelbar an den Dingen zu erfreuen, die Lilien auf dem Feld, die sich nicht mühen und die nicht spinnen …“ Sie könnte also ganz erfreulich aussehen und sich anfühlen, die Revolution, und vielleicht klingen wie die Neunte Symphonie von Beethoven …
Aber es gibt ein Problem mit dem Zins. Keynes glaubte, ein jeder, der entweder mit einem sicheren 15-Stunden-Job gesegnet ist, oder aber das Glück eines größeren oder kleineren schuldenfreien Kapitals besitzt, kann sich dann eines genügsamen, kulturell wertvollen genußreichen Lebens erfreuen, und von seinen Zinserträgen seinen Lebensunterhalt bestreiten. Der Haken an der Sache ist nur, dass dann, wenn die glückliche Zeit der „Lösung des wirtschaftlichen Problems“ endlich gekommen ist, Zins und Zinseszins aus Wissenschaft und Kapitalgewinnen auf Null geschrumpft sein werden. Und nur mit spekulativen Gewinnen, die immer wieder in einer ewigen Jagd nach dem riskanten schnellen Börsenprofit errungen werden müssen, solange die Negativzinsen der Zentralbanken sie ermöglichen, kann man auf die Dauer nicht „weise, angenehm und gut leben“, wie es Keynes‘ Idee war. Die dauerhafte „Lösung des wirtschaftlichen Problems“ müsste also irgendwie anders aussehen.
Schumpeter hatte da andere Ideen. Die Teile des Wirtschaft, die noch zu echter Wertschöpfung fähig sind, wollte er weiter ihren privatwirtschaftlich organisierten Job machen lassen. Die Teile, Bereiche oder Branchen der Wirtschaft aber, die sich schon in unproduktive Apparate zur Rentenextraktion verwandelt haben, wollte Schumpeter verstaatlichen. Und als Erstes hat er da die Banken genannt, die „zweifellos völlig reif seien für die Sozialisierung.“ Weiter nennt er das Versicherungswesen, Eisenbahnen und Transportwesen, die Energieerzeugung und noch einige andere Schlüsselindustrien wie die Rüstungsindustrie, auch Filmtheater oder den Lebenmittelhandel, oder den Schiffbau. Unbedingt dazu zu zählen wären auch öffentliche Immobilien und Wohnungsunternehmen, denn die sind am einfachsten in öffentlicher Trägerschaft zu betreiben, weil diese am wenigsten den sonst schnell wechselnden Einflüssen der Marktnachfrage nach Konsumgütern unterliegen. An was Schumpeter damals noch nicht dachte, aber sicher mit dem heutigen Wissen gedacht hätte, das ist die Pharmaindustrie: offensichtlich wäre die ein sehr heißer Kandidat für eine Verstaatlichung.
Was nun alle diese zur Verstaatlichung vorzusehenden Wirtschaftsorgane gemein hätten wäre dies: sie wären nicht vor allem von dem Zweck und dem Ziel getrieben, Gewinne zu generieren. Sie würden zwar Verluste vermeiden wollen, aber sie wären gewissermaßen umlagefinanziert und würden nur kostendeckend arbeiten wollen. Der erzielte Nutzen für die öffentlichen Träger dieser Unternehmen, also etwa die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel oder der in private Haushalte fließenden Energie, würde den Kosten entsprechen, die getragen werden müssen, um auf die Dauer lebensfähig zu sein und kostendeckend arbeiten zu können. Gewinne im Sinne von Kapitalerträgen würden so aber nicht entstehen, also auch keine Zinserträge.
So etwas ist aber nur möglich mit genau solchen Unternehmen, wie sie Schumpeter hier genannt hat. Wo dies aber eben genau nicht oder nur wesentlich schwerer möglich ist, das ist eben der Bereich, in dem in den langen Jahren der kapitalistischen Wirtschaftstätigkeit die größten Gewinne gemacht worden sind: im privaten Konsum, also da, wo die Innovationsfähigkeit, der scharfe Wettbewerb und die produktive unternehmerische Entfaltung am wirksamsten und erfolgreichsten war.
Nun kommt auch noch die Technik, genauer die Hochtechnologie ins Spiel. Die „wirtschaftlichen Möglichkeiten unserer Enkelkinder“ sind heute, hundert Jahre nach Keynes, erst realisierbar durch Hochtechnologie. Und wie und wo es nun wirklich kompliziert und auch spannend wird mit der „Lösung des wirtschaftlichen Problems“, das zeigt der Blick auf all das, was mit der „großen Industrie“ passiert, wenn die Technologie sich der industriellen Produktion bemächtigt; wenn Automation, Robotik und Digitalisierung immer weiter fortschreiten und immer klüger, leistungsfähiger, und lernfähiger werden. Und eben dann, wenn diese Technologien in dieser Richtung, also in Richtung smarter Robotik und Künstlicher Intelligenz große Fortschritte gemacht haben, kann etwas geschehen wovon Keynes und Schumpeter geträumt haben: nämlich eine Übernahme von Produktionstechnologien und -Unternehmen in öffentliche Regie, also die Bildung von öffentlichen Unternehmen statt der rein privaten und gewinnwirtschaftlich organisierten Produktion.
Warum ist das erst dann möglich? Man muss zur Erläuterung eines Schritt zurückgehen. Grundsätzlich geht es in der kapitalistischen Wirtschaft ja um die rentable Produktion handelbarer Waren. Durch Produktion und Handel mit diesen Waren sollen die produzierenden und Handel treibenden Unternehmen Gewinne erzielen, wobei diese Unternehmen sich in privatem Eigentum befinden. Grundsätzlich tragen diese Unternehmen im laufenden Geschäft auch immer das Risiko des Verlusts, weil das Produzieren im Wettbewerb mit vielerlei Unwägbarkeiten behaftet ist; mit der Schnelllebigkeit der Geschäftes durch schnell wechselnde Konsumvorlieben steigen auch die Risiken für die Investoren, weil die für die Länge eines Produktionszyklus dann unter Umständen keine die Kosten tragenden Gewinne erzielen können. Je mehr ein Produkt oder eine Produktreihe schnelllebig oder auch sehr faktorspezifisch ist, also nur auf eine sehr spezielle und kurzlebige Produktnachfrage zugeschnitten, um so größer das Risiko für das Unternehmen, bei einbrechender Nachfrage vom Markt verdrängt zu werden.
Ist die Produktion aber nun in der Lage, auch sehr schnell neu entstehende oder sich verändernde Podukte zu fertigen, also sehr flexibel an wechselnde Nachfrage anpassbare Güter zu produzieren, kann dieses Risiko vermindert werden. Und je höher die „Intelligenz“ und die maschinelle Anpassbarkeit der Produktion an die Nachfrage, um so effizienter und schneller kann dieses Problem gelöst werden.
Der Politikwissenschaftler Burak Ünveren, Professor an der Technischen Universität Yildiz in Istanbul, sieht einen generellen Trend zur Entstehung öffentlicher Produktionsmittel durch die „Künstliche Intelligenz“. Künstliche Intelligenz ist im Bereich der materiellen Produktion tatsächlich nur ein anderes Wort für hohe und hochflexible, intelligente, an eine Nachfrage fast unmittelbar „ad hoc“ bzw. „on demand“ anpassbare Produktion. Und je höher eben der erreichbare Grad an Flexibilität der Produktion, um so höher die Fähigkeit eines Anbieters, schnellstmöglich, am besten innerhalb von Tagen oder Stunden auf eine Nachfrage kostengünstig und passgenau reagieren zu können. Ist diese Fähigkeit nun groß genug, kann eben auch ein öffentlicher Anbieter diese Aufgabe bewältigen und volkswirtschaftlich nutz- und gewinnbringend übernehmen.
Hier ist nun der springende Punkt: es geht dann nicht mehr um den privaten Unternehmensgewinn, sondern um den volkswirtschaftlichen Nutzgewinn, der sich aber dann eben nicht in Gewinnwachstum auswirkt. So ein in diesem Sinne intelligentes Produktionssystem wäre öffentliches Vermögen, weil es in der Lage ist, dauerhaften, wettbewerbsunabhängigen, risikolosen Gemeinnutzen zu stiften. Um das zu erreichen, muss dieses Produktionsunternehmen so hoch „intelligent“ sein, dass es eine sehr breite, flexible, individuelle Nachfrage kosteneffizient bedienen kann, und zwar ohne dabei Gefahr zu laufen, seinen Besitzern – also der Öffentlichkeit – womöglich auf der Tasche zu liegen oder gar pleite zu gehen, weil ihm die Nachfrage plötzlich ausgeht, es nun Verluste produziert und es dann u. U. von der Allgemeinheit gerettet werden müsste. Eine durch hohe, höchste und intelligenteste, flexibelste Produktion dauerhafte und risikolose Ökonomie wird erst als gemeinwirtschaftlich betriebene Ökonomie sinnvoll und möglich.
Russland, China und der Westen
Nach diesem weiten Bogen ist es gar nicht leicht, die Zusammenhänge im Blick zu behalten. Die Wirtschaftsentwicklung an sich wäre nun auf dem Weg, in bestimmten Bereichen – und zwar in denen, auf die es ankommt, um das kapitalistische Treiben gemeinwirtschaftlich zu zähmen, zu kultivieren und vor allem auch um es auf ökologische Prioritäten auszurichten – so eine Art von Sozialismus Wirklichkeit werden zu lassen, wie Schumpeter ihn beschrieben hatte (wobei der Name an sich nicht das Entscheidende ist).
In Russland hatte man sich nach der Oktoberrevolution sozusagen auf einen falschen Weg gemacht, für den die Welt lange nicht reif war. Nach fast 70 Jahren vergeblichen Bemühens hat man diesen Weg aufgegeben, hat sich dann viel zu spät auf den Weg in eine nachgeholte frühkapitalistische Wildwest-Wirtschaft gemacht, und hat dann noch schnell seine riesigen Bodenschätze, die für dieses Land seinen größten Reichtum ausmachen, vor der Gier der alten kapitalitischen westlichen Welt gerettet. Weiterentwickeln konnte sich Russland so nicht, sondern es hat sich darauf beschränkt, seine Bodenschätze zu verkaufen, seine Reichtümer und sein Land im Übrigen zu erhalten, und alles was es zum guten Leben sonst benötigte, aus dem Westen einzukaufen. Weil Russland sonst wegen seiner Naturreichtümer ja unabhängig war, hat es sich erlaubt, dem kapitalistischen Westen hin und wieder auf die Finger zu klopfen, wenn der allzusehr auf seine „full spectrum dominance“ bedacht war. Sonst hätte es gut noch eine Weile so weitergehen können, und die ganze übrige Welt, auch die westliche, wäre damit gut gefahren. Das passte der domierenden westlichen Welt aber nicht mehr. Darum gibt es da jetzt Krieg.
In China ist man ebenfalls einen Weg gegangen, der eigentlich ein Irrweg war. Nachdem die kommunistische Partei da aber gesiegt hatte, wollte man den Sieg nicht aufgeben. Zuerst war man auch im Fahrwasser der Sowjet-Union, und geriet dann einige Jahre in fürchterliche Verwirrungen, während der Jahre der „Kulturrevolution“. Dann hat man aber weitergesucht nach dem rechten Weg, hat allerlei Experimente gemacht mit viel Trial and Error, und ist dann doch auf einem Weg angekommen, der dem, was die großen Ökonomen so haben am Horizont sich ankündigen sehen, schon recht ähnlich sieht. Es gibt eine sehr erfolgreiche, reich gewordene Volkswirtschaft, es gibt viele sehr erfolgreiche und sehr reiche private Unternehmen, und es gibt einen Staat China, der die Zügel tatsächlich in der Hand hält, und nicht die bzw. dieser eine Staat des Westens, in dem die privaten hoch konzentrierten Vermögen in Wirklichkeit die Zügel in der Hand haben, und die hochgelobte Demokratie längst zu einer hohlen Fassade verkommen ist.
Dieser Westen ist tatsächlich böse, gefährlich und skrupellos, er ist eine raffinierte tückische Machtmaschine, in deren Inneren macchiavellisch-diabolisch-skrupellose Kräfte am Werk sind. Die Autoren des PNAC haben sich damals den emigrierten deutschen Philosophen Leo Strauß zum Vorbild auserkoren, der vom Denken des eiskalten Machttheoretikers Niccolo Machiavelli tief durchdrungen war.
Der Westen ist an sich erfolgreicher, cleverer, mächtiger, stärker als die gesamte übrige Welt. Aber der Westen hat seine Zukunft hinter sich, er hat seine gutes Gewissen und seine Werte verloren und kann nur noch siegen, indem er zerstört. Der Westen kann sich nur retten, wenn er sich selbst besiegt. Genau darum – ist eine Revolution fällig.