Carneval is over, bald

Ein flammendes Plädoyer für Freiheit und Autonomie in der FAZ, gegen einen „Versuch einer Programmierung des Denkens und der Gesellschaft“ – so etwas hätte jemand aus meiner Generation in langjähriger Kenntnis der traditionell konservativ-wirtschaftsfreundlichen Haltung der FAZ nicht erwartet. Und in diesem Wertekanon standen Freiheit und Autonomie nicht so weit oben – sofern es eben nicht um die Freiheit der Wirtschaft ging, also Freiheit im Sinne der ungehinderten unternehmerischen Entfaltung, vor allem mit Blick auf die ungehinderte Investitionsgeneigtheit. Die kann aber mit der Freiheit im Sinne von Autonomie, Persönlichkeitsrechten und Menschenwürde durchaus in Konflikt geraten.

Anlässlich eines Auftritts einer wichtigen Europa-Politikerin in einem Youtube-Video diagnostiziert Schirrmacher die Degeneration des Politischen zum Verfassen und Vorlesen von Betriebsanleitungen. Das ist wahrlich ein starkes, Wirkung entfaltendes Bild. Politik solle sich nicht „in der Beschreibung und Benutzung eines Steuerungssystems“ erschöpfen, „sondern Fragen nach gesellschaftlichen Folgen stellen und auch beantworten“. Und auch Schirrmacher stellt den Bezug her zum „Digitalen“, zur gestrigen Verweigerungswutrede Enzensbergers, und zur Datensammlungswut der imperialen Digitalmonopole der Geheimdienste und des Silicon Valley. Das „Armband der Nellie Kroes“ sei „der Schlussstein der Quantifizierbarkeit des Einzelnen, der sich nun in nichts mehr vom Modell des „homo oeconomicus“ unterscheidet: eines Wesens, das ausschließlich einer Effizienz- und Kontrollogik gehorcht“. So fragt Schirrmacher, rhetorisch.

Welche Differenz arbeitet sich da heraus, welche Idee des Politischen unterliegt implizit dieser Kritik? Schirrmacher spricht von „Informationsmärkten, die Befehlsketten stabilisieren“. Später spricht er von Habermas‘ Vorahnung, der schon vor einem halben Jahrhundert – in „Technik und Wissenschaft als ‚Ideologie'“ – die Heraufkunft „selbstregulierter Mensch-Maschinen statt Normen“ sich hat ankündigen sehen.

Der Name Habermas steht für Kommunikationstheorie, und für Diskursethik: in der Diskursethik ist der freie, symmetrische, ungehinderte Diskurs die einzig legitime Meta-Institution zur bindenden Normenbegründung. Die Erlanger Variante des Diskursethik setzt dies gleich mit der Essenz des Politischen: das ist sozusagen Politik. Das verbindliche, methodisch geleitete, gutwillige und informierte Beratschlagen über Normen, Werte, Ziele, und dann natürlich auch über materiale Entscheidungen.

Wo entsteht da die Differenz, oder gar der Konflikt zur „Effizienz- und Kontrollogik“, dem „Modell des homo oeconommicus“? Politik solle Fragen nach gesellschaftlichen Folgen stellen und auch beantworten, sagt Schirrmacher. Er unterstellt: sie soll die Fragen stellen und beantworten im Geiste eines bestimmten Wertehorizonts, sie soll sich gebunden fühlen an das Interesse der Allgemeinheit. In der Diskursethik ist diese unhintergehbare Wertbindung an universalisierungsfähige Allgemeininteressen ein zentraler Baustein der Theoriearchitektur. Denn nur die Universalisierbarkeit von Prinzipien macht ihre Bindungskraft aus, und kann ihr Normativität verleihen. Und das Herstellen der Anfangsbedingungen für bindende normenbegründende Diskurse selber ist schon ein politisch geforderter Akt: es müssen zunächst diese Institutionen geschaffen werden, in denen der freie, universalinteressierte Diskurs auch ungehindert und unbeeinflusst durch etwaige Partialinteressen stattfinden kann. Idealerweise wäre dies das Parlament eines modernen, aufgeklärten, demokratischen Rechtsstaats.

Dieser freie und symmetrische politische Diskurs unterliegt natürlich auch der Anforderung, gut informiert zu sein. Insofern könnte man denken, auch er bediene sich mit Vorteil der „Informationsmärkte“. Was ist aber der Unterschied zwischen informiertem Diskurs, und einem „Informationsmarkt“ in dem Sinne, wie Schirrmacher ihn in seinem Artikel zeichnet? Der Unterschied liegt im wohlverstandenen Allgemeininteresse, dessen Verfolgung politischen Diskursen unterstellt werden muss, und dem ökonomischen Partikularinteresse, das der Gestaltung, Initiierung und Auswertung dieser „Informationsmärkte“ unterliegt. „Überwachung des gesamten Lebens und aller Märkte ist – beginnend mit Habermas’ Prognose des Jahres 1968 – normativ für unsere Gesellschaft geworden, ob wir das Smartphone wegwerfen oder nicht“, sagt Schirrmacher.

Vielleicht muss man die Unterscheidung zwischen Zielen und Überwachung durch Geheimdienste und Überwachung aller Märkte sorgfältiger treffen und hinterfragen, aber es gilt unabhängig davon: Überwachung ist kein symmetrischer Diskurs, Überwachung ist eine Maßnahme bestehenden Misstrauens und verlorenen Vertrauens, für die eigentlich immer eine gesonderte Begründung erforderlich ist. Mißtrauen kann nicht apriorisch sein in einem demokratischen Staat. Dies gilt für die Überwachung durch staatliche Organe. Überwachung aller Märkte: das ist wohl Schirrmachers Formel für die Ubiquität des ökonomischen Interesses, für die allgegenwärtige Durchsetzung der zwischenmenschlichen Beziehungen mit ökonomischen Erwerbsinteressen. Das ist, als versende etwa ein Zahnarzt gleichzeitig mit der Weihnachtspost an Freunde einen Werbeprospekt für seine aufgerüstete Zahnarztpraxis. Möglicherweise sind die Geschmacksnerven in dieser Hinsicht inzwischen auch dermassen versandet, dass man so etwas schon gar nicht mehr für allzu geschmacklos halten würde. Verkaufen müssen wir uns ja schliesslich alle.

Enzensberger hat diese allgegenwärtige, allesdurchdringende und beherrschende Kommerzialisierung der Medien jedenfalls mit Verachtung gestraft, und – offenbar ohnmächtig – zu deren Boykott aufgerufen. Schirrmachers Plädoyer lautet: „Künftig werden nur noch solche Systeme das Vertrauen der Bürger und der Konsumenten genießen, an deren entscheidender Stelle ein identifizierbarer und verantwortlicher Mensch sitzt.“ Doch auch seine Skepsis überwiegt: „Doch das wird nicht von allein kommen. Der Trend geht klar in die organisierte und entmündigende Verantwortungslosigkeit, die jeder erfährt, der sich mit einem Anliegen an Amazon oder Facebook wenden möchte.“

Der Beitrag endet mit der FAZ-Ankündigung einer „Serie, in der sich Geisteswissenschaftler mit jener Revolution befassen, in der wir stehen.“

Da ist sie also wieder, die Revolution, in der wir stehn.

Enzensberger hat düster das Erwachen der Vernunft angemahnt, so lange dazu noch die Möglichkeit besteht, bevor wir aufwachen in der Erkenntnis, dass es dazu zu spät ist.

Beide, Enzensberer und Schirrmacher, sind wortreich mit Warnungen und Diagnosen, schweigen sich aber aus hinsichtlich der gangbaren Wege in bessere Bedingungen und Zustände. Das Übergewicht des Ökonomischen zu empfinden, das Unbehagen daran, die Empfindung dass irgend etwas an diesem Ausmass ungesund und aus dem Lot zu geraten scheint – diese Empfindung oder Erkenntnis hat sich ja inzwischen bis in den Vatikan in Rom ausgebreitet, auch wenn man das gerne mit der lateinamerikanisch-antikapitalistischen Herkunft des Pabstes Franziskus erklären möchte. Aber niemand spricht von klaren Alternativen. Schirrmacher spricht von einer „Umformung einer Gesellschaft“, die „man nicht den Ingenieuren überlassen“ könne, und sieht immerhin „jenseits des Opportunismus von Teilen der Politik“ sich einen neuen Diskurs entwickeln, „der von Vorwürfen der Moderne- und Technikfeindlichkeit nicht mehr zu berühren ist.“

Um was muss es gehen in einem solchen Diskurs? Das Ökonomische scheint nach weitgehend übereinstimmender Einschätzung eine zentrale Rolle zu spielen. Um das zu verstehen, etwa die Frage warum sich diese Probleme in den letzten Jahren so dermassen zugespitzt haben, muss man einen genaueren Blick werfen in die Trends und Entwicklungen, denen diese unterliegen.

Wie man ja nicht erst seit Karl Marx weiß, haben Wissenschaft und Technik in der Ökonomie den Zweck, die Arbeit des Menschen zu unterstützen, und sein Leistungsvermögen zu erweitern. Das kann auch so weit gehn, dass bestimmte Teilleistungen oder Qualifikationen ganz von Maschinen oder Arbeitsgeräten übernommen werden: dann ändern sich die Arbeitsabläufe, die Arbeit des Menschen bekommt andere Schwerpunkte und Inhalte, und er arbeitet auf andere und neue Weise mit der Maschinerie zusammen. Insgesamt steigt auf diese Weise die Arbeitsproduktivität. Und wie man in der letzten Zeit immer wieder erfahren musste: die Entwicklung der Maschinerie nimmt einfach kein Ende, es tauchen immer neue „Maschinen auf, die uns ersetzen“. Ein Unternehmen, dass diese neuen Maschinen einsetzt, hat immer zwei Möglichkeiten: entweder es kann die durch Maschinenunterstützung gesteigerte Leistungsfähigkeit auch realisieren und am Markt durch höhere Umsätze absetzen, oder es muss seine Belegschaft abbauen, und insofern tatsächlich einige menschliche Arbeitsplätze durch Maschinen ersetzen. Diese Entwicklung ist seit Jahrzehnten bekannt, und als Reaktion darauf ist in den 1980er Jahren begonnen worden, die allgemeine Arbeitszeit zu verkürzen; bei VW in Wolfsburg wurde ein vorbildliches Modell der reduzierten Schichtarbeit eingeführt, das es seinerzeit möglich machte, die gesamte Belegschaft zu halten, obwohl die Umsätze nicht dem Produktivitätsfortschritt entsprechend ausgeweitet werden konnten.

Aber inzwischen hat man sich von diesem Gedanken wieder verabschiedet, und einer der Gründe (zumindest) ist paradoxerweise gerade die schwindende Aussicht auf Beschäftigung: wer eine Arbeit hat, will sie so lange wie möglich nutzen und viel Geld verdienen, denn man weiss ja nie, wie es in der Zukunft einmal aussehen wird. Außerdem kamen die Globalisierungeffekte dazu: wenn die Unternehmen lieber eine voll beschäftigte Mannschaft wünschen, gehen sie eben in das Land, das ihnen diese Bedingungen erfüllt. Die Gewerkschaften haben ihre Ohnmacht lange erkannt und diese Forderung weitgehend aufgegeben.

Was kann also helfen? Vielleicht ein noch intensiverer Blick auf die Entwicklung der Maschinerie: möglicherweise ist es doch nicht nur diese eine Richtung, in der die Maschinerie sich entwickelt. In den letzten Jahren hat man gesehen, dass die IT, die Digitaltechnik, es ermöglicht, den Kunden eines Unternehmens einen Wunsch zu erfüllen, den sich früher nur Kunden eines teuer bezahlten Handwerkers erfüllem konnten: nämlich ganz individuelle Kundenwünsche zu realisieren. Dies führte so einer Gestaltung der Produktionsanlagen, die dem Kunden immer mehr Möglichkeiten der Mitwirkung und Mitgestaltung eröffnete. Er konnte (im Konzept „Mass-Customization“) nicht nur das für ihn selber angefertigte Produkt mitgestalten (zum Beispiel Möbel nach seinen Wünschen, natürlich Maßkleidung oder Schuhe, Brillen, die Innenausstattung von Autos und vieles mehr), sondern er konnte in einigen Fällem auch an Design und Produktentwicklung mitwirken.

Es ist inzwischen eben auch eine Produktionstechnik entstanden, die in ganz besonderer Weise diese schnelle und individuell anpassbare Produktionsweise unterstützt, nämlich die sog. additive Fertigung, und als eine Unterart davon der 3D-Druck, von dem ja in letzter Zeit sehr viel die Rede ist (und wie ich auf diesem Blog ja hier und da bereits erwähnt habe). In ganz abstrakter, und von ihrem Anspruch her sehr weitgehender Gestalt ist dieses Fabrikationsprinzip als „Digitale Fabrikation“ in jüngerer Zeit bekannt geworden.

Was ist aber – im Zusammenhang mit den oben geschilderten, wirklich beunruhigenden Entwicklungen – das wirklich Wichtige, Bemerkenswerte und Beachtenswerte in diesem Zusammenhang? Es wird oft die Frage gestellt, ob diese Digitale Fabrikation denn wirkich einmal die ganze Industriegesellschaft ersetzen könne, ob den wirklich alles auf diese Weise hergestellt werden kann. Natürlich ist das nicht so, es wird jedenfalls nach allem was man heute wissen kann, auf absehbare Zeit nicht so sein. Das Wichtige ist folgendes: der „Zukunftsforscher“ Alvin Toffler hat vor Jahrzehnten einmal den Begriff „Prosument“ geprägt. Er meinte damit, dass in Zukunft – in der „Dritten Welle“ der Entwicklung der Industriegesellschaften – die Funktionen von Konsum und Produktion auf einander zu gehen, und teilweis ineinander verschmelzen. Allerdings dachte eher dabei eher an nebensächliche Funktionen wie das Selberdrucken von Visitenkarten auf dem heimischen PC-Drucker – wie weit die Technik sich einmal entwickeln würde, konnte er nicht voraussehen. Wenn nun mit Hilfe von Digitaler Fabrikation und 3D-Druck diese Idee des „Prosumenten“ wirklich wirksam unterstützt werden kann – was ist das Wichtige?

Wie Enzensberger und Schirrmacher beschreiben, ist das Ökonomische allgegenwärtig und dominant. Die übermäßig gesteigerte Produktivkraft, die ständig neue Absatzmärkte erkämpfen und ständig um Umsatzeinbußen fürchten muss, macht das Leben hektisch und die wirtschaftlichen Entwicklungen sprunghaft und volatil. Ein Prosument aber – ist kein Marktteilnehmer. Er ist Konsument und Produzent in einem. Er weiß was er produzieren will und für wen, und muss sein Produkt niemandem aufquatschen. Sicherlich kann die Digitale Fabrikation noch nicht viel an der industriellen Produktionsweise ändern: aber sie kann ein Prinzip aufzeigen, und einen Weg. Je mehr aus der hektischen Industrieproduktion abwandert in die Produktion zu Hause, um so mehr wird die hektische Ökonomie beruhigt, um so mehr wird ihr Energie entzogen, um so mehr kommt das Produzieren wieder zu Ruhe, und zu Sinn und Verstand.

Manche scheinen heute gar nicht mehr zu wissen, was Werte sind: etwa wenn man glaubt, Daten seien „das neue Erdöl“. Aber nicht alles, was sich zu Geld machen lässt, hat im wohlverstandenen ökonomischen Sinn Wert. Die Dinge, die zum Leben wichtig sind, die das Leben nachhaltig unterstützen, die es möglich machen, es angenehm machen und auf eine kulturell gehobene Stufe erheben, haben eine Wert; und alles, was dazu hilft, diese Dinge in die Welt zu setzen und nutzbar zu machen, und einem Nutzer bekannt und ihm verfügbar zu machen. Insofern haben Logistiksysteme, und kann natürlich auch das Schaffen von Informationen über Angebote in Gestalt von Werbung und Marketing einen Wert haben. Im Kern sind es aber die Dinge, die den Wert haben, und das Herstellen und Entwerfen dieser Dinge ist es, was daher einen Wert schöpfen kann.

Wie ist es mit „Kreativität“? da kommt es darauf an was damit gemeint ist: das freie schöpferische, spielerische „Kreieren“ hat in dem Sinne keinen Wert – es ist dann nicht Wertschöpfung, sondern Wertverzehr. Das freie, schöpferische, zweckfreie Spielen ist eine wunderbare Sache – es ist eben erst dann möglich, wenn die wichtigen Dinge und Leistungen geschaffen sind und zur Verfügung stehn. Wer seine Zeit, seine Kraft, seine Schaffenskraft dem freien Spiel der Kräfte – Kreativität in diesem Sinne – widmet, verzehrt insoweit Werte, die schon bestehen, und vorher geschaffen worden sind. Sonst hätte er keine Ruhe zum Kreieren.

Ein wenig anders ist es vielleicht mit der Kreativität im Sinne der Kunst: hier geht es zwar auch um das zweckfreie Schaffen und Spielen mit Möglichkeiten, Formen und Materialien, aber mit einem „gemütsbildenden“ Ansinnen und Bestreben: es geht darum, diese künstlerische Freiheit als „Vorschein“ (wie Bloch sagen würde) sichtbar zu machen, oder auch, um im oben angedeuteten Sinne der moralischen Besinnung und Kommunikation Sinngehalte sichtbar und fühlbar zu machen. Insofern ist es etwa anderes, als das ganz freie, selbstbezogene und sich selbst genügende Spiel, als Kreativität.

Zurück zum Prosumenten: der Prosument erschafft nützliche Dinge zu seinem eigenen direkten Nutzen. Die einzige Form von Volatilität, die in diesem Wirkungsumfeld eine Rolle spielen könnte, wäre: technisches Versagen, technische Funktionsmängel. Aber die Hektik des Marktes, Wettbewerb, Konkurrenz und Überproduktion, kommen in seinem ökonomischen Universum nicht. Alle bisherige ökonomische Theorie geht zwar davon aus, dass Konkurrenz das Geschäft belebt und Wettbewerb eine vitale, die Gesundheit erhaltende Wirkung hat, aber im Übermaß wird der Wettbewerb absurd. Auf der Genfer Automobilmesse verkündigte Chef Martin Winterkorn heute, daß VW in Zukunft seine Produktentwicklungszeiten verkürzen wolle, um in noch kürzerer Zeit noch mehr neue Produkte auf den Markt zu bringen: als hätte die Welt nach den winterlichen Überschwemmungen in England und all den sonstigen Wetteranomalien der jüngeren Vergangenheit keine anderen Sorgen, als möglicherweise zu langsam mit neuen Automodellen versorgt zu werden. Hier führt der Marktwettbewerb und das Selektionsprinzip der freien Marktwirtschaft eindeutig zu ungesunden, nicht wünschbaren Ergebnissen: richtig ist zwar, dass der Automarkt eine solche Reaktion erzwingt, um einem Automobilanbieter das Überleben zu ermöglichen, doch dieses Verhalten führt die Welt insgesamt in eine Katastrophe.

Prosument: die direkte Bindung, die direkte Versorgung und Beziehung zwischen Konsument und Produzent nimmt sozusagen Dampf aus dem Kessel der überhitzten Ökonomie, sie ist ein Lösungsmittel für die altbekannten Antagonismen: Konsument und Produzent, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Kapitalist und mittelloser Lohnabhängiger.

Natürlich ist dies keine Lösung, die man nur sozusagen an den Strom anschliessen muss, und auf den Startknopf drücken. Diese Entwicklung ist erst ganz vorne und ganz klein in den Startlöchern. Sie wächst, teilweise vollkommen unbemerkt, wie kleine Mosspflänzchen im Gras, die man erst kaum wahrnimmt, und die plötzlich einen ganzen weichen grünen Teppich gebildet haben. Heute gibt es die FabLabs, die kaum ein Mensch kennt, der am Samstag Vormittag seine Shopping-Tour hinter sich gebracht hat. Die 3D-Drucker sind entweder extrem teuer und stehen in Fabrikhallen der Industrie, oder es sind die „Pioniere“, Enthusiasten und Tüftler, die sich so etwas leisten. Sparsame Rechner sind es jedenfalls heute noch nicht. Aber, ganz entgegen der Einschätzung von Neil Gershenfeld, dass diese Technologie künftig genutzt werde um Dinge herzustellen, die man eben nicht bei Wal Mart kaufen kann, wird sich der homo öconomicus vermutlich auch über diese Fabrikationstechnologie hermachen: Ihn wird vor allem interessieren, wie er seine Bedürfnisse auf die ökonomischste Weise decken kann – wie kommt er am billigsten an die Dinge, die er will, die seinen Nutzenpräferenzen entsprechen. Wenn der 3D-Drucker oder der digitale Assembler eines Tages so weit sind, wie Gershenfeld das immer versprucht, dass sie „alles überall sofort“ herstellen können: dann wird er ihn eben nutzen, um diese Dinge herzustellen, anstatt sie zu bestellen bei Amazon. Wenn es billiger ist, und genau so gut, und genau so einfach.

Dass das noch ein bisschen dauern wird, ist in diesem Zusammenhang nicht wirklich das starke Argument.

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