Wumms mit Chuzpe

Was ist Chuzpe?

Es gibt eine Stiftung, die – unter anderem – auch erklären kann, was Chuzpe ist.

Diese Stiftung sitzt in der Schweiz und heißt GRA. Sie ist eine „Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und setzt sich für die Menschenrechte und die Erhaltung der Demokratie schweizerischer Prägung ein. Die GRA steht für Toleranz und gegen jegliche Art der rassistisch motivierten Diskriminierung.“ (GRA – über uns)

Es gibt da eine ganze Reihe von Artikeln über das Wort Chuzpe und seine Bedeutung, und auch diesen. Es heißt da:

Chuzpe (auch: Chutzpe) ist ein unübersetzbares jiddisches Wort, das in den allgemeinen (deutschen und englischen) Sprachgebrauch übergegangen ist. Es bedeutet „Unverschämtheit, Dreistigkeit, Unverfrorenheit, Impertinenz“ und wird in der Regel salopp abwertend verwendet, kann aber auch, je nach Kontext, einen anerkennenden Beiklang haben.

Weiter heißt es zur Erläuterung:

Das jiddische Wort Chuzpe (und das dazugehörige Adjektiv chuzpedik) stammt aus dem Hebräischen Chuzpah und ist eigentlich unübersetzbar. Seine Bedeutung erschliesst sich vor allem im Kontext der Verwendung. Je nach Gebrauch kann es eine stark negative oder aber auch eine anerkennende Konnotation haben. Es heisst soviel wie „Frechheit, Dreistigkeit, Unverfrorenheit“, beinhaltet aber auch einen Aspekt sozialer Unerschrockenheit und Respektlosigkeit gegen die Obrigkeit.

Es gibt dann noch einen Text, der auf eine Weise die Bedeutung von Chuzpe erklären soll, die fast schon selber Chuzpe ist, also – eine bestimmte, eigentümliche, vielleicht auch humorvolle, vielleicht auch hintergründig abwertende Art der Erklärung:

Ein Jude wird wegen Ehrenbeleidigung verklagt. Er habe jemandem „Chuzpe“ vorgeworfen. Der Richter jedoch kennt das Wort gar nicht und bittet den Juden, es zu erläutern. Der Jude bezeichnet den Begriff zunächst als unübersetzbar. Endlich erklärt er sich bereit, Chuzpe mit „Frechheit“ zu übersetzen. „Allerdings“ fügt er hinzu, „ist es keine gewöhnliche Frechheit, sondern Frechheit mit Gewure.“ Der Richter: „Was ist Gewure?“ „Gewure – das ist Kraft.“ „Chuzpe ist also eine kräftige Frechheit?“ „Ja und nein. Gewure ist nicht einfach Kraft, sondern Kraft mit Ssechel.“ „Und was ist Ssechel?“ „Ssechel – das ist Verstand.“ „Also ist Chuzpe eine kräftige, verstandesvolle Frechheit.“ „Ja und nein. Ssechel ist nicht einfach Verstand, sondern Verstand mit Taam.“ „Schön – und was ist Taam?“ „Herr Richter, wenn Sie gar kein Deutsch können, kann ich Ihnen nicht erklären, was Chuzpe ist.“

Also: so ist erklärt, was Chuzpe ist, aber auf eine Art, die demjenigen, der nicht weiß was Chuzpe ist – und der vermutlich dann auch ein „Goj“, also ein Nicht-Jude, ist -, schon gleich klar macht, dass er ein ziemlicher Idiot ist, ohne das ausdrücklich zu sagen und sich damit vielleicht unbeliebt zu machen. Was insgesamt dann hoffenlich nicht abwertend gemeint ist.

Schon ergibt sich die nächste Frage: Was ist ein Goj?

Das Wort Goj (plural: Gojim) stammt aus dem Hebräischen und bedeutet «Nation, Volk». Es wurde ins Jiddische übernommen und seither in der jüdischen Diaspora meist abwertend als Bezeichnung für Nichtjud:innen verwendet. Das Adjektiv zu Goj heisst gojisch, die weibliche Form von Goj ist Gojete oder Goje.

Auch da gibt es eine weitergehende Erklärung:

In der hebräischen Bibel werden Völker und Nationen als Gojim bezeichnet – auch die Israelit:innen, wenn sie als ein Volk unter vielen genannt werden [z.B. Gen. 12:2, 18:18; 35:11]. Der Begriff Goj wird – im Gegensatz zum hebräischen Synonym «Am» (= Volk) – immer dort verwendet, wo wir heute von einer «Nation» sprechen würden: verbunden mit einem Territorium und in einer spezifischen politischen Einheit. In seiner Eigenschaft als heiliges und «auserwähltes» Volk wird Israel in der hebräischen Bibel «Am Jisrael» (und nicht: Goj Jisrael) genannt – mit einer einzigen Ausnahme [Exodus 19:6: «Ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk (= Goj kadosch) sein»], in der die politische Verfasstheit des heiligen Volkes (Königreich) bezeichnet wird.

Also: Goj oder (Plural) Gojim sind die Menschen eines oder vieler (Staats-)Völker, wobei das „Goj Israel“ das „auserwählte Volk“ ist, mit der Ausnahme des „Goj Kadosch“, womit alle Völker gemeint sind, die zu dem „Königreich von Priestern und seinem heiligen Volk“ gehören. So steht es also mal in der hebräischen Bibel.

Im weiteren Text geht es auch um Differenzen und unterschiedlich wertende Haltungen zu Juden und anderen, denen diese Differenz selbst vielleicht völlig und bekannt oder unbewusst ist, Juden aber schon:

Es gibt aber zahlreiche Verwendungen des Wortes Goj, die eine wertende Abgrenzung zwischen «Jüdischem» und «Nichtjüdischem» vornehmen: Unterhaltungen und Vergnügungen (Sport, weltliche Kultur), die vom Thorastudium ablenken, werden mit deutlich negativem Unterton «gojische Naches» genannt, der Ausdruck «gojischer Kopp» bezeichnet Unwissenheit und Dummheit (im Gegensatz zum «jiddischen Kopp»).

Was sagt man dazu? Nach der Zweiten Aufklärung von Kant und Hegel hätte man gedacht, Religion und religiös abgeleitete Wertungen und Haltungen sind Privatsache, und Moral und Ethik stammen aus der „eigenen“ (menschlichen) Vernunft, aus dem aufgeklärten, rationalen Denk-, Urteils- und Wertungsvermögen. All das, was in einem „jiddischen Kopp“ oder einem „goljischen Kopp“ vor sich gehen mag und wovon andere Menschen wohl gar nicht wissen – das stammt jedenfalls wohl nicht nur aus einer anderen Zeit (vermutlich, oder sie dauert noch an), sondern auch aus einem ganz anderen Denk- und Rationalitätsuniversum, aus einem anderen Universum der Welterschließung, mit anderen Worten: aus der Moderne, und die ist – wie die Sprache selber – universal, und in keiner Weise als Medium der Verständigung regional eingeschränkt. Was also sonst auch immer in einem „Kopp“ vor sich gehen mag, ist dessen reines privates Vergnügen (oder Unvergnügen).

Aber, natürlich, und überhaupt: Goj und Chuzpe gibt es.

Was ist aber nun mit den gesprengten Pipelines?

Chuzpe, Antony Blinken und die Pipelines

Wer die Pipelines gesprengt hat weiß man nicht, aber dass Antony Blinken Jude ist weiß man. Hoffentlich steht man nicht schon gleich dadurch unter Antisemitismus-Verdacht dass man sagt dass Antony Blinken Jude ist.

Was war jetzt mit den Pipelines – die sind jedenfalls weg und gesprengt, und irgendjemand hat dafür gesorgt, dass sie weg sind.

Was ist nun die Folge davon, dass die – in Russland für sehr viel Geld – auch deutschem, holländischem, britischem – gebauten Pipelines weg und unbrauchbar geworden sind?

Ein gewisser Antony Blinken hatte dazu folgende Deutung der Ereignisse:

US-Aussenminister Antony Blinken feiert Nord-Stream-Lecks als «enorme Chance»: Amerika sei dadurch führender Gas-Lieferant für Europa geworden  (Weltwoche)

„Der US-Aussenminister sieht die Nord-Stream-Lecks als «enorme Chance» – für die USA“, sagt die Schweizer Weltwoche dazu. Wörtlich sagte er:

«Dies ist eine grossartige Gelegenheit, die Abhängigkeit von russischer Energie ein für alle Mal zu beenden und damit [dem russischen Präsidenten] Wladimir Putin die Möglichkeit zu nehmen, Energie als Mittel zur Durchsetzung seiner imperialen Pläne einzusetzen.»

Wer es im Bild sehen möchte, hier der Link auf Twitter, und hier kann im Bild man sehen, wie Blinken seine Erklärungen zu den Pipelines weiter erläuterte (die jemand auf Youtube „fishy“ fand):

Wer hat diese Pipelines nun gesprengt – es sollen die Russen gewesen sein, die ihre eigenen Pipelines gesprengt haben, und Blinken, Joe Biden und inzwischen ja der gesamte Westen, inklusive altes und neues Europa, machen Russland dafür verantwortlich.

Wenn also jemand einem anderen ins Bein schießt, und der hat alle höchst unangenehmen Folgen zu tragen, aber es gelingt ihm, dem anderen dafür die Schuld zuzuschieben, und hat nun selbst alle Vorteile daraus, und stellt sich dann auch noch in aller – gespielten – Unschuld vor die Öffentlichkeit, vielleicht Presse, Politik oder Gerichte, und bejubelt dann noch diesen Schuss ins fremde Bein – ist das Chuzpe?

Könnte Antony Blinken also vielleicht erklären was Chuzpe ist? Und auch einem Goj? Ist Chuzpe darum also wohl ein viel treffenderes Wort als „fishy“, also „verdächtig, schräg, faul, oberfaul, stinkend, unsauber, ungeheuer“, wie es jemand in diesem Youtube-Kommentar beschrieben hat, und wie es in einem deutschen Dictionary zu finden ist?

Man sieht: das Wort Chuzpe ist praktisch unübersetzbar, aber diejenigen die das Wort kennen, wissen genau was damit gemeint ist.

Achtung Achtung: auch hier gilt die Unschuldsvermutung

Natürlich muss auch hier die Unschuldsvermutung gelten, und erst recht wenn es um einen dermaßen schwerwiegenden Verdacht und eine so heikle Angelegenheit geht, und dann besonders auch mit diesen Sinnbezügen. Zur Unschuldsvermutung: die muss natürlich auch für die Russen oder jeden Tatverdächtigen gelten, und bevor Untersuchungen eingeleitet sind, darf man nicht schon zu Urteilen, zu Konsequenzen und zu Taten schreiten. Das ist aber leider gerade im Fall von Russland bzw. einer Fülle von gegen Russland erhobenen Vorwürfen immer wieder geschehen, und immer wieder wurden Konsequenzen gezogen, bevor Taten, Schuld und Sachverhalte geklärt sind. Wie auch bis heute in diesem schweren Fall.

Das hat in diesem Fall natürlich nichts mit Chuzpe, nichts mit Blinkens Familien- oder Religionszugehörigkeit und schon gar nicht mit Semitismus oder Anti-Semitismus zu tun. Wer aber nun diese Äußerungen von Blinken „fishy“ findet, und dann weiter findet, das sei eher mit „Chuzpe“ zu erklären als mit „fishy“, der landet natürlich sofort bei dem Vorworf des Antisemitismus. Es ist keine Schwierigkeit, etwaige Vorwürfe gegen Blinken damit abzuwehren, dass man behauptet das sei antisemitisch.

Natürlich muss man es darum besser dabei belassen, nach Maßstäben von Recht und Billigkeit zu urteilen, was nach dem inzwischen fast weltweit anerkannten und übereinstimmenden Rechtsempfinden ja auch prinzipiell möglich ist und geschieht.

Wenn man aber nun nach einem Wort für „fishy“ sucht und findet das Wort Chuzpe und findet es treffend, obwohl es fast unübersetzbar ist – der kann ja jemanden anders fragen, der das Wort nicht übersetzen kann.

 

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