NSA, Edward Snowden und Digitale Fabrikation

Was haben Snowden, Prism, Tempora und NSA mit Digitaler Fabrikation zu tun?

Edward Snowden ist gegenwärtig sicherlich einer der meist zitierten Namen der Welt. Snowden hat bekannt gemacht, dass die USA und die Briten die Welt ausspionieren, mehr oder weniger jeder Mensch, jede Bewegung oder Äußerung im Netz oder auch per Telefon kann beobachtet, mitgehört oder –gelesen und irgendwo aufgezeichnet und gespeichert werden. Heimlich, ohne dass es einer Begründung bedürfte, ohne dass jemand Auskunft darüber verlangen könnte was über ihn gespeichert worden ist.

Warum wird das gemacht, warum werden Unsummen ausgegeben, um diese Art von Informationen über das Privatleben oder über interne Kommunikationen politischer Institutionen verfügbar zu machen? Der erklärte Grund ist immer die Terrorabwehr oder –bekämpfung. Aber glaubt das noch ein Mensch? Warum werden dann Büros der Europäischen Gemeinschaft bespitzelt, in Brüssel oder am Sitz der UN? Warum dieses gigantische Ausmaß an Bespitzelung, warum diese vollkommene Rechtlosigkeit der Bespitzelten, die vollkommen uneingeschränkte Willkür und rechtstaatliche Isolation dieser Maßnahmen?


Es ist bereits häufiger inzwischen der Verdacht geäußert worden, dass es in Wirklichkeit doch eher um andere Interessen geht: es geht um Informationen, die letzten Endes auch wirtschaftlichen Interessen dienen können oder sollen, sei es direkt durch Industriespionage, sei es durch das Ausspionieren von Konsumgewohnheiten und Vorlieben der Menschen, um das Einfangen von Stimmungen und Meinungen, oder auch um das Sammeln von belastendem Material gegen mögliche wirtschaftliche oder politische Gegner oder Konkurrenten.

Jedenfalls scheint sich dieser gigantische Schwindel und Rechtsbruch unter „Freunden“, unter vermeintlichen Angehörigen einer globalen Wertegemeinschaft, als Teil eines größeren, allgemeineren Verfalls von Moral und Gesinnung der politischen und wirtschaftlichen Eliten darzustellen. Als greller Farbtupfer in diesem Bild erscheint da die Episode um die irischen Banker, die sich lustig machen über die Dummheit derer, deren Hilfe sie erschleichen werden, und die sich gegenseitig auf die Schulter klopfen für die Gerissenheit und Abgefeimtheit, mit der sie ihre Helfer an der Nase herumgeführt und betrogen haben. Die ganze, inzwischen einige Jahre alte Geschichte der „Finanzkrise“ oder Immobilienkrise, die damals schon aufgetauchte Skrupellosigkeit und Rücksichtslosigkeit der Banker, die ja schließlich über Jahre hinweg im Vorfeld alle rechtlichen und politischen Vorbereitungen getroffen haben, um ohne eigenes Risiko Kredite an kreditunwürdige Kunden vergeben können, diese ganze Geschichte nährt diesen Eindruck einer dramatischen Degeneration und Verkommenheit in den Haltungen und kaufmännischen und auch staatsbürgerlichen Gesinnungen, in den Charakteren des leitenden Personals in den Chefetagen.

Wie kommt es, dass inzwischen jeder Computer oder jedes Laptop nach einiger Aktivität im Netz verseucht ist mit Wanzen und Trojanern, die nichts anderes bezwecken, als den Besitzer möglicherweise irgendwann und irgendwo doch noch zu einem Konsumakt zu bewegen? Entweder direkt etwas im Netz zu ordern, oder auf eines der überall aufblitzenden Werbefilmchen oder –Figürchen hereinzufallen? Warum wird es immer schwieriger und teurer, Dinge an den Mann oder die Frau zu bringen, so dass die Werbeaufwendungen allmählich anfangen, die eigentlichen Herstellungskosten zu übersteigen? Oder doch von den Herstellungskosten einen immer größeren Anteil einzunehmen?

Wir, die westlichen Industriegesellschaften jedenfalls, sind nach über 250 Jahren Industrialisierung sehr reich geworden. Die Welt starrt von industriell erzeugten Dingen, und leider natürlich auch von Abfällen, Giften und dem Müll, den diese Industrialisierung mit sich gebracht hat. Wir sind so reich, dass es eben immer schwerer wird, neue Nachfrage zu wecken, und die Menschen bei Konsumlaune zu halten. Immer größere Teile der Bevölkerung haben so hohe Einkommen, dass nur noch ein Teil direkt zum Konsum verwendet werden muss, um das Wohnen, das Essen, die Gesundheit, die Ausbildung der Kinder oder kulturelle Genüsse zu bezahlen. Es bleibt immer mehr übrig, um zu „investieren“, um nach Anlagemöglichkeiten zu suchen, um zu spekulieren, und das zu diesem Zweck zur Verfügung stehende Geld zu vermehren. Die Geschichte des Sportvereinspräsidenten Uli Hoeness ist in den Dimensionen möglicherweise nicht ganz alltäglich, aber in dieser Art, in dieser Denk- und Handlungsweise bewegen sich sehr viele Menschen in unserer in diesem Sinne sehr reichen Gegenwart. Genauso wie es das Prestige hebt und fördert, Statussymbole zu besitzen und zu inszenieren, gehört es dazu, Geschichten von der Entwicklung des Aktion Portfolios zu Besten zu geben.

Und das ist gewissermaßen typisch und symptomatisch für den Verlauf der Industrialisierung. Die Geschichte der Industrialisierung ist eine Erfolgsgeschichte! Der Reichtum der Industriegesellschaften stammt aus den Industriefabriken, die Dinge hergestellt haben, die Menschen gerne besitzen und konsumieren wollten, und all diese Dinge in Summe – sind die Substanz dieses Reichtums, diese „ungeheure Warenansammlung“, von der schon Karl Marx sprach, lange bevor diese Warenansammlung die heutigen Dimensionen erreicht hatte.

Welche Zukunft soll diese Industriegesellschaft haben? Was soll die Menschen anspornen, beflügeln, sie stolz und zufrieden machen, die täglich mit der Vermehrung dieses Reichtums, mit der Vergrößerung dieser ungeheuren Warenansammlung beschäftigt sind?
Es sieht so aus, als verderbe die erreichte Höhe des Wohlstandes und des Reichtums den Menschen die Motivation auf der einen Seite, und auch den Charakter, auf der anderen Seite. Einerseits werden die Bemühungen, eine erfolgreiche Position am Markt zu erreichen, immer verzweifelter und aussichtsloser. Typisch sind die Strategien oder Konzeptionen der Wirtschaftspolitik von Industrienationen, „Exportweltmeister“ zu werden. Wer seine Sicht beschränkt und lediglich kaufmännisch rechnet, wird sich über eine satte positive Außenhandelsbilanz freuen. Aber wer volkswirtschaftlich denkt wird schnell erkennen, dass die Überschüsse des einen die Defizite des anderen sind. Wer Defizit macht, kann nur auf Pump konsumieren – aber wie lange? Irgendwann sind die Volkswirtschaften, die die Überschüsse der einen eingekauft haben, pleite. Welche Partitur dann gespielt wird, wissen wir inzwischen, in Europa.

Welche Zukunft hat ein so erfolgreiches, reich gewordenes industrielles Wirtschaftssystem?

Es hat ja nun nicht wenige Stimmen gegeben, deren Ratschläge im Grunde darauf hinausliefen, einfach mal – aufzuhören, zu bremsen, weniger ist mehr, Verzicht, Maß halten, Bescheidenheit. Aber was soll ein Konzernlenker tun, der 340.000 Arbeitsplätze zu verantworten hat? Der weiß: jedes Prozent Umsatzeinbruch zieht eine große Zahl an Entlassungen und „Freisetzungen“ nach sich? Sicher gab es einst das Modell VW, als sich Konzernleitung und Belegschaft auf eine deutliche Reduktion der Arbeitszeit geeinigt haben. Aber so etwas ist nur möglich in einem Klima das so etwas begünstigt, sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene. Wenn aber die Arbeitsplätze so knapp werden wie sie inzwischen geworden sind, dann wird die Angst und Sorge um den Arbeitsplatz so groß, dass – paradoxerweise – man lieber wieder zur vollen Arbeitszeit zurückkehrt, wenn die Arbeitgeber in den Konzernetagen das so wollen – und denen ist das allemal lieber, weil sich die Lohnkosten so direkt und indirekt senken lassen, denn es steigt insgesamt der Druck auf die Löhne.

Also – was ist die Zukunft der Industriegesellschaft, von erfolgreichen, satten, reichen Industriegesellschaften?

Die Technik wird weiter versuchen, Kosten zu senken, also: Produktionsprozesse zu „verschlanken“, schneller und effizienter zu machen, und das bedeutet immer wieder auch: überflüssige Beschäftigte. Auf der anderen Seite hat man erkannt, dass die Kunden immer anspruchsvoller geworden sind, sie haben immer individuellere Wünsche, und wer auch den ausgefallensten und individuellsten Wunsch erfüllen kann als Anbieter, der kann Kunden halten, oder neue gewinnen. Also gehört auch das zur Entwicklung der Produktionstechnologien dazu: dass sie immer flexibler und wandlungsfähiger werden.
Und flexibler und wandlungsfähiger als ein digitales Fabrikationssystem kann kein Produktionssystem auf dieser Welt sein.
Halten wir einmal fest: die Industrienationen stoßen auf wachsende Schwierigkeiten, ihren Wohlstand zu mehren – und das müssen sie, sie können ja nicht einfach aufhören ihn zu mehren, denn sie stehen im Wettbewerb zu einander, so wie die einzelnen Unternehmen zu einander im Wettbewerb stehen, und – wer nicht wächst, muss weichen. Und weil dieser Wettbewerb immer aussichtsloser, härter und erbarmungsloser wird, gerät die Moral in Mitleidenschaft, man beginnt eben auch zunehmend mit unlauteren Mitteln sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Und was könnte sich daran ändern – Unternehmen müssen produzieren, Umsätze erzielen, ihre Erzeugnisse am Markt absetzen, Geld verdienen.

All das würde sich im innersten Kern des wirtschaftlichen Verkehrs verändern, wenn die Produktionstechnik der Digitalen Fabrikation in einer hinreichenden Alltagstauglichkeit und Ausgereiftheit zur Verfügung stünde. Man muss sich ja vorstellen: ein Konsument, dem etwas fehlt, der einen Bedarf erkannt hat, ein Bedürfnis befriedigen möchte, der begibt sich mit diesem Wunsch dann ja nicht mehr auf den Markt, um einen Anbieter zu finden, der sein Bedürfnis optimal befriedigen kann. Es lässt sich diesen Konsumgegenstand herstellen, digital fabrizieren.

An der Stelle ist also irgendwo in der alten Welt der Industriegesellschaften einer Fabrik ein wenig der Druck aus dem Kamin genommen.

Wir werden uns beim nächsten Mal ein wenig genauer anschauen, was Digitale Fabrikation bedeutet, warum Digitale Fabrikation prinzipiell auch immer Universale Fabrikation bedeutet, und warum Edward Snowden eine Digitale Fabrikationsgesellschaft weniger Skrupel, Sorgen und Kopfschmerzen bereiten müsste.

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