BGE die Zweite

Auch die „Philosophie-Zeitschrift“ „Hohe Luft“ befasst sich in ihrer aktuellen Ausgabe mit dem Thema Grundeinkommen, in einem Artikel mit dem imposanten Titel „BEFREIT DIE ARBEIT!“

Was fällt einem dazu ein, als erstes, leider: O si tacuisses, Philosophus mansisses.

Wer weder philosophisch noch wissenschaftssprachlich geschult ist und derart sinnengeschärft und vorbelastet in die Textrezeption geht, der mag diese Unterscheidung für eine lässliche Feinheit halten, sonst aber stellt sich die Fage: was soll das BGE denn befreien, die Arbeit oder den arbeitenden Menschen? Ist das vielleicht egal?
Liebe Philosophie-Zeitschrift, es ist so: Die Arbeit ist ein Begriff, ein Abstraktum, dem diese Qualität einer mentalen Verfasstheit, die mit Freiheit gemeint sein kann, nicht zugesprochen werden kann. Arbeit kann man weder befreien, noch versklaven, und, ganz nebenbei, man kann Arbeit auch nicht grün anstreichen. Aber den Menschen kann man befreien. Oder versklaven. So viel also mal zur Einleitung.


Das BGE soll also nun – offenbar – die Menschen von Arbeit befreien. Ist das gemeint? „Schon die antiken Philosophen hielten die Muße für den Königsweg zum gelingenden Leben“, erläutert der einleitende Text dieses Artikels von Thomas Vasek. Ja, das ist gemeint. Das BGE soll also wohl den Weg zur Muße eröffnen.

Welchen Königsweg nahmen denn die antiken Philosophen zur Muße – sie hielten sich Sklaven, wie man weiß. Der antike Philosoph Aristoteles hielt die Sklaverei für ein Naturgesetz, und einige Menschen, die glücklicherweise nicht allzu weit weg von den mußewilligen Philosophen lebten, erklärte Aristoteles für „Sklaven von Natur aus“. Die musste man dann nur noch einfangen, und in diese Naturgesetze einweisen, nebst einer Reihe von Verhaltensregeln in Ackerbau, Handwerk und Viehzucht. Schon produzierten die Sklaven ein Grundeinkommen, in Naturalien. Die Philosophen hatten die niedere Arbeit vom Hals, und dafür Muße. Ein Königsweg zur Muße also, und zum gelingenden Leben.

Statt der Sklaven soll der BGE-Empfänger sich nun der Arbeitsleistung seiner Zeitgenossen bedienen. Das ist dann auch so eine Art Königsweg zu Muße. Jedenfalls derer, die dann das BGE erhalten, und sich auf dieser Grundlage der Muße widmen. Die anderen, die all diese Einkommen ja erwirtschaften müssen – müssten halt nach einem anderen Königsweg zur Muße Ausschau halten. Ist das so richtig verstanden?

Dies – diese „Idee“ – soll nichts Geringeres sein als: eine neue „Vision“, eine „zukunftsweisende Idee, die den Menschen wieder Hoffnung gibt“. „Eine einfache Idee, die nahe am Menschen ist“. Ja, das ist, sie, nahe am Menschen, und einfach. Sancta Simplicitas.

Diese „Vision“ soll sogar die Antwort sein auf einen „global entfesselten Kapitalismus“. Was denn das Entfesselte ist an dem globalen Kapitalismus – darum muss man sich auf diese Weise nicht im Geringsten den Kopf zerbrechen. Das kann dann auch alles so bleiben wie es ist, oder, ganz im Gegenteil: das muss es sogar. Denn: Umsätze und Gewinne müssen ja gemacht werden, denn einige müssen die Gewinne und Einkommen ja erzielen, um den vielen anderen ihr BGE zu finanzieren. Das ist schon eine grandiose „Vision“.

Wer sich dennoch ein wenig Gedanken gemacht haben sollte um die Entfesselung des globalen Kapitalismus, könnte dahinter gekommen sein, dass sich unter anderem die Entfaltung des technischen Fortschritts dahinter verbirgt, und dass dieser technische Fortschritt einer der verursachenden Faktoren dafür ist, dass für manche Menschen die Jobs wegfallen. Weil „die Digitalisierung“ massenhaft Jobs überflüssig machen werde, gelte „vielen das Grundeinkommen als die einzige adäquate Antwort auf das Roboterzeitalter“, meint auch Vasek. Mit diesem technischen Fortschritt ist es aber so, dass er offenbar auf absehbare Zeit nicht aufzuhalten sein wird; die Anzahl der ihm zum Opfer fallenden Jobs wird also immer weiter ansteigen. Das bedeutet also auch: Immer weniger arbeitende Menschen müssten immer mehr nicht arbeitende Menschen versorgen, und ihnen ihr Grundeinkommen erwirtschaften und auszahlen. Wie weit reicht denn nun das visionäre Vorstellungsvermögen der Verfechter dieser „Zukunftsidee“, bis zu welchem proportionalen Verhältnis von Zahlern zu Empfängern: 100 zu 1? 100 zu 10? 100 zu 50? 50 zu 100? 10 zu 100? Wie weit muss man diese „Idee“ ausmalen, bis offensichtlich wird, wie schwachbrüstig diese „Vision“ ist?

Der Grund, aus dem „die Liste der Unterstützer“ immer weiter reicht, „von Grünen und Neoliberalen bis zu Tech-Visionären des Silikon Valley“ könnte der sein, dass diese Unterstützer es einfach nicht schaffen, so weit zu denken. Das soll es ja geben, dass auch solche erfolgreichen Menschen nicht so kluge Menschen sind. Man könnte ihnen dann also mildernde Umstände zubilligen, sie sind einfach ein bisschen dumm. Der Grund könnte aber auch der sein, dass es ihnen im Grunde lieber ist, dass auf diese Weise über die Prozesse im Kern des kapitalistischen Geschehens, den technischen Fortschritt und die sonstigen Entwicklungsgrenzen des reifen Spätkapitalismus, nicht nachgedacht werden muss, und in diesem Bereich dann alles bleiben kann wie es ist: extreme Ungleichheit der Einkommen und der Vermögen, und immer weiter gehende Konzentration der wertschöpfenden Unternehmen. Dann wären ihnen keine mildernden Umstände zuzubilligen, denn dann handelte es sich hier um recht bewusste Irreführung und Täuschung. Dass die Menschen sich nur zu gerne mit Hilfe einfacher Lösungen täuschen und verführen lassen, ist ja in der Geschichte nicht vollkommen neu. Und die Mittel zur Verführung könnten wirklich kaum wirksamer sein: die Zukunftsvision regelmäßiger Zahlungseingänge auf das eigene Konto vom Staat hat wirklich eine geradezu majestätische Größe.

Die Frage, was Arbeit ist und wie sich die identitäts- und sinnstiftenden Lebensinhalte in Zukunft ändern, wenn zur Herstellung der lebensnotwendigen Güter und Dienstleistungen in Zukunft tatsächlich Heere von maschinellen Helfern zur Verfügung stehen, steht wohl auf einem ganz anderen Blatt. Ebenso die Frage, wie Menschen der Zugriff auf diese lebensnotwendigen Güter und Dienstleistungen in Zukunft ermöglicht werden kann. Umverteilung und Transferleistungen sind aber immer eine eher schlechte Idee, und wenn sie notwendig sind, eine Notlösung, weil bessere nicht zur Verfügung stehen. Ein ökonomisches Modell, in dem Transferleistungen zu einem konstitutiven Bestandteil erhoben werden müssten, ist ein absolut schlechtes ökonomisches Modell.

Was erkannt werden muss, ist dies: es sind nicht die Roboter, die die Zukunft bestimmen, es ist nicht das Roboterzeitalter, das auf uns wartet; Roboter und Computer bilden nicht den signifikanten Unterschied zur Gegenwart bzw. Vergangenheit. Es ist die hochflexible dezentrale on-demand-Produktion der großen Masse der benötigten Konsumgüter, hochrational und automatisiert, die dem Kapitalismus auf der einen Seite gewissermaßen den Rest gibt, und auf der anderen Seite den Schlüssel in die Hand, neue Organisationen der wirtschaftlichen Mittelbeschaffung aufzubauen und zu installieren. Das ist der Schlüssel zu einer nachhaltigen Zukunftsvision, leider etwas anspruchsvoller zu verstehen als die Schönheit regelmäßiger Geldzahlungen von andern auf das eigene Konto.

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