Kapitalismus, vorübergehend

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Es scheint inzwischen unbestreitbar, dass die Ereignisse in der Ukraine nach der Verschiebung des EU-Assoziierungsabkommens, die zu den zunächst friedlichen Protesten auf dem Kiewer Maidan geführt hatten, von Seiten EU und USA massiv gefördert und beeinflusst worden sind. Die Motive der USA liegen in einem Bereich zwischen Destabilisierung Russlands im Sinne der amerikanischen Vorherrschaftsstrategie nach Zbigniew Brzezinski, mittelfristigen wirtschaftlichen Interessen amerikanischer Energiemultis, und sogar unmittelbar persönlichen wirtschaftlichen Interessen der politischen US-Spitzenpersonals, wie das unrühmliche Beispiel Hunter Biden gezeigt hat. Wo die EU hier eigentlich reale Interessen verfolgt, bleibt da eher im Ungewissen, denn die EU wäre eigentlich mit einer im Sinne der geostrategischen Blöcke neutralen Ukraine als Mittler zwischen Ost und West, und nach wie vor guten und stabilen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Russland besser gefahren.


Es drängt sich der Eindruck auf, dass die EU-Staaten hier – sofern sie auch Mitglieder der NATO sind – vor einen Karren gespannt werden, der eigentlich nur US-Interessen dienlich ist, in dem auf diese Weise die US-Vorherrschaft neu implementiert wird, und diese dann auch im Sinne der Verfolgung US-amerikanischer Wirtschaftsinteressen instrumentalisiert werden kann, angefangen mit dem aggressiv vorgetragenen Begehren nach Aufrüstung und Erweiterung der Aufrüstungsetats, bis zur Niederschlagung von Einwendungen und Abwehrmaßnahmen gegen die exzessive Bespitzelung von Bürgern, Politik und Wirtschaft durch NSA und CIA.

Dies alles lenkt den Blick auf den Status der Ökonomien des Westens, deren politisch-ökonomische Ordnung, und auf die Art und Weise der Entstehung dieser Reichtümer, um die so verbissen gekämpft wird in der ganzen weiten Welt.
Eine Reihe von Indizien deutet an, dass die „Wachstumskräfte“ der großen westlichen Wirtschaftsblöcke nachhaltig und möglicherweise auch irreversibel erlahmt bzw. erloschen sind. Ein wichtiger Indikator sind nicht nur die realen Wachstumsraten, die seit bereits fünf Jahrzehnten in allen Wirtschaftsblöcken gleichmäßig zurückgehen, sondern die Entwicklung der Zinssätze: nachdem in Japan erstmals in den 1990er Jahren negative Zinssätze auf Bankeinlagen eingeführt worden sind, wird dies nun auch in Deutschland überlegt: „Bundesbank-Chef Jens Weidmann schließt einen Negativzins auf Bankeinlagen nicht aus“ (SPON 22.05.2014) Man erhofft sich davon eine Belebung der Kredit- und direkt oder indirekt der Konsumnachfrage.

Negative Zinssätze deuten nicht nur auf ein stagnierendes Wachstum: gleichzeitig deuten sie auf einen nicht absorbierbaren Kapitalüberschuss. Überschüssiges Kapital findet sich nicht nur auf den Konten von Privatpersonen, sondern auch von Unternehmen und Aktiengesellschaften. Überschüssiges Kapital heißt: das Kapital kann nicht investiert werden, es findet keine Anlagemöglichkeiten, weder in den Unternehmen selber, die nicht wissen in welche Richtung sie sich entwickeln könnten, noch auf dem Kapitalmarkt; es bleiben letzten Endes immer nur wieder spekulative Investitionen, die zu den bekannten Blasenbildungen führen, und deren volkswirtschaftliche Wirkung es ist, Reichtum von einer in die andere Tasche zu verlagern: insgesamt entsteht dadurch in einer Volkswirtschaft kein Zuwachs an Wohlstand, eher im Gegenteil, denn die meist mit spekulativen Investitionen einhergehende Konzentration von Vermögen verstärkt noch diesen Effekt von Nachfrageschwäche, Wachstumsschwäche und relativer Verarmung.

Es bedarf keiner großen Phantasie, um die Vorgänge in der Ukraine auch mit diesem – aus Sicht der Investoren – relativ aussichtslosen, verzweifelten wirtschaftlichen Klima in Zusammenhang zu bringen. Die Ukraine böte nicht nur einen noch weithin unerschlossenen Absatzmarkt für westliche Massengüter, sondern mit den reichen unerschlossenen Energiereserven in Gas und Schieferöl eben auch diese verzweifelt gesuchten Möglichkeiten der Investition von brachliegendem Anlagekapital. Ferner besitzt die Ukraine die immer begehrteren Schwarzerdeböden, und zum Dritten könnte die Ukraine die bisherige Rolle Chinas als billige Hinterhoffabrik übernehmen: die für europäische Verhältnisse extrem niedrigen Lohnkosten würden die Verlagerung arbeitsintensiver Produktionen in die Ukraine ermöglichen, sofern eine wirtschaftsfreundliche Regierung hier insgesamt investitionsfreundliche Bedingungen schafft.

Diese Entwicklungen sprechen dem ursprünglichen Gedanken des „Wealth of Nations“ bei ungehindert und in Freiheit wirkender „invisible hand“ Hohn. Auf diese Weise wird kein Wohlstand und keine blühende Landschaft zu schaffen sein; im Gegenteil versinken die auf diese Weise beglückten Länder in Armut und Schuldknechtschaft, während die Gewinne einigen wenigen westlichen Konzernen und deren Eigentümern und Aktionären sowie deren Spitzenpersonal zukommen.

Es verdichtet sich immer mehr der Eindruck, als sei auf ehrliche und rationale Weise kein Wachstum und keine Kapitalverzinsung mehr zu erwirtschaften, so dass die Bereitschaft, dann eben zu weniger lauteren Mitteln zu greifen, offenbar zunimmt: der „Kapitalismus“, wie das altvertraute System der „sozialen Marktwirtschaft“ nun immer öfter genannt wird, wehrt sich anscheinend gegen sein „Vorübergehen“, mit zunehmender Rücksichtslosigkeit.

Dies alles, sowie auch die sich immer weiter zuspitzende Situation an der Klimafront – die Unwetterwarnungen werden allmählich zu einer wöchentlich verbreiteten Normalität: nach den kaum überstandenen Überschwemmungen in Serbien wird aktuell vor Starkregen in Ostdeutschland gewarnt – sollte endlich eine hinreichende Bereitschaft erzeugen, über alternative und neue Wege der Erzeugung von „blühenden Landschaften“ und Wohlstand nachzudenken, und dies auch mit einem entsprechenden und erfolgversprechenden Aufwand zu betreiben. Privatwirtschaftliche Initiative wird dazu nicht ausreichend sein; es sind hier Fragen zu stellen und zu beantworten, die in erster Linie ein öffentliches Interesse berühren. Ein verantwortungsvolle Politik hat sich dieser Problematik zu stellen und sollte die institutionellen Mittel und Wege schaffen, dass diese Aufgabenstellung erkannt, angenommen und offensiv und erfolgversprechend und vor allem auch erfolgreich bearbeitet wird.

So lange die Zeit noch da ist.

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