Unternehmerstaat

Der Staat muss zum Unternehmer werden.

Und das Wirtschaftsministerium zum Automationsministerium.

Der Gewinn des Unternehmerstaats wird nicht in Euro messbar sein. Der Staat muss einen Gewinn produzieren, den die privatwirtschaftlichen Unternehmen nicht mehr produzieren können.

Über lange Zeit war es so, dass der Staat nur den richtigen regulatorischen Rahmen setzen musste, die Rahmenbedingungen; durchaus auch umverteilen und hier Anreize setzen und da gegensteuern und vielleicht auch verbieten. Aber den Gewinn, den Wohlstand sollten die Unternehmen und die in ihnen beschäftigten Menschen alleine schaffen, und der sollte bitte bei beiden in Mark und Pfennig – in den schönen Ludwig-Erhard-Zeiten – bzw. in Euro und Cent auf dem Habenkonto zu finden sein.


Die Euros finden sich nun zwar in nie gekannten Mengen auf den Konten – aber nur der Konzerne, die übrig geblieben sind, und in noch größeren Mengen auf den Konten derer, denen die Konzerne oder Anteile an ihnen gehören. Und während es in den besseren Zeiten des Kapitalismus so war, dass die Gewinne der einen – der Unternehmen bzw. Unternehmer – auch die Konten der anderen, der in den Unternehmen Beschäftigten, füllten, so sieht es heute so aus, als fließe das Geld nur noch in eine Richtung, nämlich in Richtung der schon am besten gefüllten Taschen. Die immensen angehäuften Vermögen in der Welt scheinen eine Wirkung zu entfalten wie die Masseanziehungskraft von Schwarzen Löchern: was in ihre Nähe kommt, saugen sie in einen taumelnden Strudel, es dreht sich immer schneller, und dann verschwindet es haltlos in diesem schwarzen Zentrum, wo es keine andere Spur mehr hinterlässt, als die Anziehungskraft des Masseriesen noch weiter zu vergrößern.

Keine Rückkehr in Erhards Wirtschaftswunderjahre

Nach der Finanzkrise wurde in unzähligen Artikeln der Verfall des Kapitalismus zum gierigen Ungeheuer beschrieben, die Zügellosigkeit des Neoliberalismus, und die Rückkehr zur verlorenen sozialdemokratischen Balance beschworen, oder noch weiter in die Vergangenheit, zu Erhards Wirtschaftswunderjahren, mit ihren tatendurstigen investitionsfreudigen Schumpeterschen Unternehmern, und fleißigen gewerkschaftlich aktiven Arbeitnehmern.

Aber der Funke scheint so recht nicht zu zünden. Warum sollte das jetzt wieder funktionieren, auf einmal, als hätte man (wer denn?) diese Tugenden bloß einfach vergessen. Es wird nicht funktionieren. Dazu hat sich da oben einfach schon viel zu viel Masse angesammelt, bei denen, die nach den Gründergenerationen zu den Herrschern aufgestiegen sind, als Erben und angestellte Konzernlenker, und denen nichts mehr wichtiger ist als das viele Geld zu vermehren, das ihnen – in vielen Fällen jedenfalls – leistungsfrei zugeflossen ist.

Aber die Beschwörung von Gerechtigkeit und echtem Unternehmertum ist hier ein ebenso hoffnungsloses Unterfangen, als würde man in ausreichender Entfernung zu schwarzen Löchern Stoppschilder aufstellen: Halt! Vorsicht schwarzes Loch! Weitergehn verboten!

Besser der Staat investiert, als Blackrock

Aber was kann man tun?

Eben dies – der Staat muss selbst zum Unternehmer werden. Aber eben nicht, wie gesagt, um selber das Geld auf Staatskonten aufzuhäufen, und selbst dann nicht, wenn er die Absicht hätte, das Geld hin und wieder auch zu verteilen an seine Bürger. Zwar könnte – und sollte – der Staat sich auch als Aktionär betätigen. Es ist tausendmal besser der Staat tut das, als Blackrock. Das sollte er sogar dringend tun – aber vor allen Dingen deswegen, um den Einfluss von Blackrock und Konsorten zu verhindern. Er könnte auch etwa in die Landwirtschaft investieren, und landwirtschaftliche Flächen aufkaufen, bevor „Capital Investors“ das tun. Es könnte auch staatliche oder kommunale landwirtschaftliche Betriebe geben, wenn diese schon so gut wie komplett automatisch betrieben werden können. Warum denn nicht? Private Investoren sehen darin nur eine Gelegenheit, leistungsfreie Renditen einzustreichen. Und wenn man ihnen das zum Vorwurf macht, können sie sagen: warum machst Du das denn nicht selber? Also bitte: das kann der Staat auch. Der Bürger hat davon: 1. Anteil an möglichen Gewinnen, 2. Anteil an billigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen, 3. Spekulanten vom Hals, die versuchen werden landwirtschaftliche Erzeugnisse künstlich zu verteuern, sobald der Markt das hergibt. Und so sollte der Staat überall da zugreifen, wo Leistungen und Produkte inzwischen annähernd voll automatisiert ins Angebot gebracht werden können. Nur der Staat hätte die Möglichkeit und die Stabilität und den Atem, auf das Kassieren leistungsfreier Renditen zu verzichten.

Smarte Produktionsmittel für den gewählten Souverän

Aber das wäre immer noch nicht der Grund, warum der Staat zum Unternehmer werden sollte. Der Staat muss in Produktionsmittel investieren, er muss Fabrikant werden. Aber er muss nicht sich neue innovative Produkte ausdenken, und damit der Wirtschaft Konkurrenz machen. Er muss nur die Produktion übernehmen, die Produktionsmittel, um Dinge herzustellen, die andere sich ausgedacht haben, vielleicht auch die Konsumenten selber.

Die Werte, die sich in diesen ungeheuren Mengen auf den Konten der Top-10-Prozent angesammelt haben, stammen ursprünglich aus der Produktion, von Dingen, von Gütern und Leistungen, von Waren. An dieser Wertschöpfung muss der Staat, muss sich die Öffentlichkeit beteiligen, sie muss an der Quelle der Wertschöpfung dabei sein, sonst nimmt dieser Zustrom der Werte ins Schwarze Loch niemals ein Ende. Wenn die Öffentlichkeit, der Staat, mit hocheffizienten Produktionsmitteln an der Wertschöpfung beteiligt ist, verringert sich die Masse des Wertes der Dinge, und damit die Anziehungskraft des schwarzen Lochs. Das heißt: sie werden billiger. Wenn sie billiger werden, hat nur der Kunde, der Konsument was davon. Und nicht der Produzent. Wenn das der Staat ist, will – und muss – er das auch nicht, jedenfalls dann, wenn alles mit rechten Dingen zugeht. Ein privater Produzent MUSS aber immer versuchen, seinen Gewinn zu maximieren, und ein Produkt mit Gewinn zu verkaufen, auch wenn ihn die Produktion nichts mehr kostet.

Der Staat kann Produktionssysteme aufbauen und entwickeln, die private Produzenten benutzen, um ihre Produkte herstellen zu lassen. Die müssen dann selber nicht mehr die Fertigungsanlagen vorhalten, haben entsprechend geringere Fixkosten, und geringeres Risiko. Der Renditedruck nimmt ab, und sie müssen nur noch die Entwicklungskosten für ihr Produkt erwirtschaften. Sie brauchen statt großer Fabriken mit teuren Anlagen und einer ausgebildeten Mannschaft nur noch das Designbüro. Und wenn alles gut funktioniert und sie am Ende gar einen Markt monopolisiert haben, wie Apple mit seinen IPhones, lassen sich immer noch horrende Gewinne erzielen.

Das Beispiel Apple zeigt auch, dass die Herstellung heute zum Erfolg eines Produktes gar nicht mehr Entscheidendes beiträgt. Es ist das Produkt selber, der getriebene Forschungsaufwand, wie auch das Beispiel Nike zeigt. Aber das sind Beispiele von absoluten Spitzenreitern an Markt, von Produkten, deren Attraktivität von ihrem eigentlichen Nutzwert weit überstiegen wird, den man sich fast nur noch durch eine Art von Süchtigkeit erklären kann, die man durch Marketing und Produktgestaltung bei den Konsumenten hat hervorrufen können.

Mit gewöhnlichen Allerweltsprodukten sollte das anders sein, und der Preis für die Attraktivität von größerer Bedeutung. Den Preis kann man durch die Herstellungskosten erheblich beeinflussen.

Entkopplung von Produkt und Produktionsmittel

Heute ist es mit den Herstellungskosten und –bedingungen nun anders, als vielleicht vor 50 Jahren. Damals waren Produkt und Produktionsmittel unlösbar verbunden, ein Produkt wurde von einer Firma und einer Markeninhaberin vertrieben, und auf deren Produktionsanlagen ließ sich nichts anderes herstellen als eben dieses Produkt. War dieses Produkt ein Flop und ließ es sich am Markt nicht losschlagen, waren alle Investitionen und Produktentwicklung und Produktionsanlagen verloren. Heute entstehen aber universale, sehr vielseitig verwendbare Produktionssysteme, die möglichst in der Losgröße 1 produzieren können, und die man schnell auf andere Fertigungsreihen umstellen kann, wenn sich etwas Attraktiveres bietet, oder ein Produkt ausgelaufen ist oder floppt. Es gibt heute Anlagen nach dem Prinzip Plug-and-Produce, Smart Factories, die hochflexibel und dennoch hocheffizient arbeiten, und die miteinander vernetzt werden können. Und genau das ist es, was staatliche oder kommunale, jedenfalls überprivate Investitionen sinnvoll und möglich macht. Sind diese einmal vorhanden, kann der Staat als „Generalunternehmer“ seine je lokalen Kapazitäten untereinander anpassen und austauschen, er kann Erfahrungen und Systeme austauschen und vernetzen, und ein perfektes hochleistungsfähiges Produktionssystem aufbauen. Es kann den direkten unmittelbaren Wissenstransfer mit Universitäten und Forschungseinrichtungen herstellen und davon profitieren. Er muss nicht zwangsweise wachsen, sondern nur seine bestehenden Kapazitäten optimal auslasten, um Verschwendung zu vermeiden. Er könnte eine hinreichend ungefährdete Position am Markt aufbauen, so dass er sich Verzicht auf mögliche Gewinne durch Weitergabe von Produktivitätsgewinnen an den „Kunden“ souverän leisten kann, und könnte so ganz peu à peu das (fast) kostenlose Produkt Wirklichkeit werden lassen – was privatwirtschaftlich operierenden Unternehmen niemals möglich sein würde, jedenfalls nicht dauerhaft.

Dem Schwarzen Loch den Appetit verderben

Es wäre keine von heute auf morgen zu lösende Aufgabe. Es müssten die geeigneten Produkte gefunden werden, mit denen man einen Einstieg starten könnte, die geeigneten Produktionsanlagen und –verfahren, die geeigneten rechtlichen Rahmenbedingungen; ferner etwa weitere produktionstechnische Bedingungen und Lösungen, wie etwa Metadesigns für Produkte, die auf bestimmte Produktionsverfahren zugeschnitten sind. Vielleicht wäre mit Möbeln so etwas schon möglich, ein „Post-Ikea-Design“ in diesem Sinne ist ja bereits entwickelt worden. Autos: die Firma Local Motors will ja demnächst in Berlin eine „Mini-Fabrik“ für ihre 3D-gedruckten Autos einrichten, vielleicht ist so etwas eine Gelegenheit für den Unternehmerstaat, da mitzumischen. Für den Anfang. Bis vielleicht einmal der ganze VW-Konzern seine Autos (wieder) von staatlichen Fabriken bauen lässt, die aber nun als lokale Mini-Fabriken über das ganze Land verteilt sind. Und Bekleidung: muss Bekleidung denn unbedingt von minderjährigen Näherinnen in runtergekommenen baufälligen Fabriken in Bangladesch oder Äthiopien hergestellt werden? zum Hungerlohn? Können das die Länder, in denen die TrägerInnen dieser Kleidung leben, nicht selber? gäbe es für Textilien nicht auch die geeigneten Smart Factories? So dass die Menschen in Bangladesch und Äthiopien sich darum kümmern können, endlich ihre eigene Wirtschaft mit ihren eigenen Mitteln aufzubauen?

Man muss dabei bedenken: es geht weder um das coole Auto, das coole Produkt, den coolen Job oder Kreativität und Spaß und Selbstverwirklichung. Ganz tolle Sache wenn man das haben und erleben kann. Aber es geht um mehr, um Größeres, um größere Zusammenhänge. Es geht um den Einstieg in den Ausstieg aus dem Kapitalismus, darum, dem Schwarzen Loch den Hahn abzudrehen. Das wird uns nämlich sonst alle als dritte Vorspeise wegschlürfen, wie die lukullischen Banausen eine Auster.

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