Kleine Ursache, große Wirkung

Das Thema 3D-Druck, vor einigen Jahren hoch gehyped, ist ein wenig in der Versenkung verschwunden. Es gab so viele flammende Artikel, die die kommende 3. Industrielle Revolution ankündigten, die Fabrik für Jedermann und für Alles auf dem Schreibtisch, und das Verschwinden des Großteils der bisherigen Industrien. Davon ist nicht mehr so sehr die Rede, dafür aber umso mehr von der Digitalisierung. Sogar die CDU hat nun das Thema entdeckt, Unionsfraktionschef Kauder hält es für das Megathema der kommenden Jahre.

Warum nun so sehr die Digitalisierung und nicht mehr die „Desktop Factory“? Nun: Die Digitalisierung ist ein Industrie-Thema. Das heiße und von der Bundesregierung erfundene und vorangetriebene Thema Industrie 4.0 gehört zur Digitalisierung. Die Breitbandausbau gehört zur Digitalisierung, und flächendeckendes und schnelles Internet. Warum wünscht man das – das fördert das Wachstum, man erhofft es sich zumindest. Handel und Logistik laufen zunehmend über das Internet; der Kunde ist für den Lieferanten besser erreichbar und erkennbar, wenn er im Netz eingeloggt ist, er kann ihn gezielter mit Werbung erreichen und ihm direktere Angebote machen. Die Unternehmen können mit der gewandelten Organisation und Infrastruktur gemäß dem Konzept I40 schneller und kundenindividueller produzieren, und erhoffen sich dadurch Umsatz- und Gewinnsteigerungen. Und das ist ohne Zweifel wichtig, so wichtig, dass etwa die Klimaziele für 2020 dafür gekippt werden mussten.

Wealth without Money

Und wo ist der der 3D-Druck geblieben? Einer der Protagonisten war z. B. der britische Ingenieur und Mathematiker Adrain Bowyer, der die RepRap-Bewegung gründete. Seine Idee war der „Self-Replicating-Rapid-Prototyper“, eine Maschine, die sich selbst reproduzieren konnte, und damit nichts Geringeres schaffen würde als Wealth without Money. Diese Ideen sind aus den Schlagzeilen verschwunden.

Ein anderer Protagonist war der Amerikaner Hod Lipson, der die Fab@Home-Bewegung geschaffen hat. Auch an so etwas denkt noch kaum jemand, wenn von Digitalisierung die Rede ist.

Was macht Hod Lipson heute? Er ist an die Columbia-Universität gewechselt, und lehrt nun unter anderem das Fach Digital Fabrication. Da sieht man, dass der 3D-Druck nur einen Teil dieses Faches darstellt; insgesamt geht es um digitale Fabrikationsprozesse, also um die digitale Steuerung von digital steuerbaren Maschinen, wie eben dem 3D-Drucker, dem Laser, der CNC-Maschine, dem 2D-Schneiden von Materialien, und der programmierbaren Montage.

Was ist das Aufregende an der Digitalen Fabrikation?


Gut, das mag jedem selber überlassen sein, ob er das aufregend findet, aber was ist anders an der digitalen Fabrikation, als bei der herkömmlichen industriellen Produktion? Es ist die Möglichkeit der On-Demand-Fabrikation, auf Anforderung, und der ganz individuellen Fabrikation, ganz nach Wunsch. Das ging natürlich bisher in vielen Fällen auch, dann aber eben als Maßanfertigung, etwa von Schuhen, von Bekleidung, Hemden und Anzügen und Mänteln, von Möbeln und vielleicht auch vom maßgeschneiderten Automobil oder der Motorjacht. Nur war das dann extrem teuer. Die digitale Fabrikation erlaubt es aber prinzipiell, Dinge vollkommen maschinell herzustellen, und damit werden sie prinzipiell auch so billig, wie sonst in Massen und standardisiert hergestellte Produkte der Grossindustrie.

Aber dann ist immer noch nicht klar, was denn nun das Welt verändernde daran sein kann.

Der 3D-Druck-zuhause macht der Industrie Konkurrenz

Der Materialwissenschaftler Joshua Pierce glaubt seit Jahren an den 3D-Druck und die Open-Source-Entwicklung von „Designs“, den digitalen Modellen der Dinge, die digital hergestellt werden können. Im letzten Jahr hat er untersucht, ob im Haushalt, per 3D-Druck etwa Spielzeuge hergestellt werden können, und ob die Haushalte dabei Geld sparen können. Und tatsächlich: nach seinen Ergebnissen ist das heute schon möglich. Und es ist sogar so, dass diese Heim-Produktion der Spielzeug-Industrie spürbar Konkurrenz machen kann: nach seinen Schätzungen können der Spielzeugindustrie in den USA dadurch rund 60 Millionen Dollar an Umsätzen verloren gehen.

Wie ist das möglich? Der einzelne Haushalt spart Geld, er hat also das gleiche Spielzeug billiger, als wenn er es im Laden fertig kaufen würde. Er hat aber damit nicht etwa die entsprechende Menge an Arbeit zu leisten. Es ist nicht so, als wenn jemand nähen oder schreinern kann, und vor der Wahl steht, etwas selbst anzufertigen mit entsprechend viel fachkundiger Arbeit, oder es einzukaufen, und die Arbeit andere machen zu lassen. Der Haushalt lässt die Arbeit die Maschine machen, die aber nun in seinem Haushalt steht, statt bei einem Spielzeughersteller, oder dass Billigarbeiter in einem Billiglohnland diese Arbeit erledigen.

Wie wirkt sich diese Ersparnis des Haushalts aus? Angenommen, der Haushalt verfügt in einem Monat über ein Budget von 5000 EUR. Wenn er jetzt für 3000 EUR Spielzeug (oder etwas anderes) kauft, bleiben ihm 2000 EUR im Budget. Er kann aber nun einen 3D-Drucker kaufen für 2000 EUR, und wendet 300 EUR für Nebenkosten wie Material und Strom auf, um diese Dinge, die er sonst kaufen würde selbst herzustellen. Was passiert dann?

Dem Haushalt bleiben 2700 EUR im Budget, er hat also 700 EUR mehr als bei einem Kauf, und damit 700 EUR gespart, also bezogen auf seinen 3D-Drucker als „Kapital“ einen Gewinn von 700 EUR erzielt. Diese Zahlen sind natürlich unrealistisch, ein „Return on Investment“ würde sich nicht so schnell erzielen lassen, aber etwa über vier bis fünf Jahre wäre das gut möglich, wie Joshua Pierce in einer früheren Studie einmal nachgewiesen hat.

Aber wichtiger ist Folgendes: diese 700 EUR Gewinn würden im BIP, im Brutto-Inlandsprodukt, und damit in der VGR, der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, nicht auftauchen. Der Haushalt wäre „reicher“ geworden, aber der Reichtum der Gesellschaft als Kapitalmasse wäre es nicht. Die riesige Masse an um die Welt vagabundierendem globalem Kapital würde so also nicht wachsen, sondern relativ schrumpfen. Dem Blackrock-Kapitalismus wäre ein Schnippchen geschlagen, er hätte einen Verlust erlitten. Unterstellt man nun einmal ganz kühn, diese Möglichkeit spricht sich rum, und die Haushalte sind genauso erpicht darauf „Gewinne“ zu machen wie die Kapitalisten, so dass auf einmal 10 Millionen Haushalte so ihr Spielzeug selber drucken, dann sähe das folgendermassen aus:

Dann wären es auf einmal 7 Milliarden Euro, die den Haushalten zur Verfügung stehen, und den Kapitaleignern nicht.

Warum wäre das gut? Diese Produktion in den Haushalten wäre ausschließlich getrieben durch die „Nachfrage“; die Haushalte erzeugen sich dann nur die Dinge (in dem Fall Spielzeuge), die sie benötigen oder wünschen. Das wäre sozusagen ein Vorgang in einer geschlossen Hauswirtschaft, in einer Oiko-Nomia. In einer Industriefabrik ist die Produktion aber getrieben durch das Ziel der Erzeugung einer Kapitalrendite, und dieses Ziel ist niemals erreicht, diese Nachfrage ist unendlich. Das Geld hat keinen abnehmenden Grenznutzen, sagen die Ökonomen dazu. Und dieser die Welt mehr und mehr beherrschende Drang zur unendlichen Geldvermehrung ist es letzten Endes, der die Welt immer näher an den ökonomischen und ökologischen Kollaps, und damit an den tiefsten und gähnendsten Abgrund aller bisherigen Menschheitsgeschichte treibt.

Diese Ursache für diese Wirkung wäre nun noch sehr klein, aber wären die 3D-Drucker komplexere großindustrielle Systeme, die aber ebenfalls „on-Demand“ produzieren können, und sehr individuell, dann wäre es auch vorstellbar, dass statt des 3D-Drucks im Haushalt eine Industriefabrik im Auftrag einer Kommune, als „Stadtwerk“, regional produziert, oder, wenn man es entsprechend organisiert, vielleicht auch in größerem Massstab, überregional; aber jedenfalls nicht als Kapitalunternehmen, sondern direkt im Auftrag der „Gesellschaft“, also der Menschen, die die Kunden, die Interessenten und die Nutzer und Nutznießer sind. Die Wirkung wäre prinzipiell die gleiche.

Nutzniesser wäre auf jeden Fall nicht das globalisierte Finanzkapital, das schaute in die Röhre. Tendenziell würde es schrumpfen, statt zu wachsen. Das wäre die große Wirkung dieser kleinen Ursache.

Und warum müssen es unbedingt solche Digitalfabriken sein, warum geht das nicht mit jeder x-beliebigen Industriefabrik?
Ich empfehle dazu wärmstens meinen Artikel Schafft volkseigene Info-Fakturen, denn da ist diese Frage umfassend beantwortet.

Und übrigens, so ganz ist die Universal Desktop Fabrication doch nicht in der Versenkung verschwunden, sie taucht sogar heute im Spiegel online auf. Da ist sie tatsächlich wieder, die nächste digitale Revolution! Und der Artikel transportiert auch einige sehr wesentliche Wahrheiten, zum Beispiel die, dass es um einen „öffentlich zugänglichen Maschinenpark“ wird gehen müssen. Und auch das ist eine sehr wichtige Wahrheit: „Arbeit, Fabrik, Geldverdienen – dieser ganze lästige Kreislauf gehört (…) der Vergangenheit an“, wenn man die benötigten Güter in einem öffentlich zugänglichen Maschinenpark herstellen kann, für den eigenen Bedarf. Und was bedeutet das für die Ökonomie: nichts anderes als den „Abschied vom Geld“. Richtig, eine unerhört wichtige Wahrheit! Wir bewegen uns zu auf eine große Zeitenwende, denn wir haben, wie die Ölförderung ihren „Peak Oil“, einen wichtigen Wendepunkt für die Ökonomie erreicht: den „Peak Money“. Genau das ist es, worum es geht!

Wenn das nur alles nur nicht noch 30 Jahre dauern würde… So viel Zeit dürfte uns nämlich, im schlechteren Fall, wohl nicht mehr bleiben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert