Alternative nur im Nirgendwo?

Heiner Flassbeck wirft der Linken (der Partei) und den Linken (als Strömung) vor, sie wisse nicht, wo sie hin will: will sie das System (den Kapitalismus) verändern, oder will sie ihn überwinden? Und das, diese Unentschlossenheit und Unklarheit habe äusserst fatale Konsequenzen: „Es gelingt dem gesamten konservativen Block einschließlich der AfD, den Eindruck zu erwecken, dass die einzig linke Partei von „linken Spinnern“ durchdrungen ist, die nichts Besseres im Sinn haben, als das „System“ zu überwinden und durch ein Nirwana zu ersetzen, das ungefähr so erfolgreich ist wie die ehemalige DDR.“ Und darum werden nicht sie gewählt, sondern etwa auch, neuerdings, die Afd. „Mit dieser Strategie wird man die Linke noch hundert Jahre bei zehn Prozent halten können. Wenn die Partei nicht begreift, dass die Träume von einem anderen System, das niemand kennt und niemand der großen Mehrheit der Bürger erklären kann, in der Politik nur Schaden anrichten. Denn die große Mehrheit will kein anderes System. Und sie hat damit vollkommen Recht.“

Ist das so? richtig ist, das ein „anderes“ System niemand kennt – wie alles, das eines Tages ganz frisch und neugeboren die Bühne betritt. Aber heisst das, das neue System liegt im Nirwana? und ist so erfolgreich wie die ehemalige DDR?

Was ist denn falsch am Kapitalismus, warum könnte man sich seine Überwindung wünschen? Wünschbar wäre eine Alternative aus vielerlei Gründen, die man durchaus klar benennen kann, und die z. B. Jürgen Habermas vor vielen Jahren als den Konflikt zwischen System und Lebenswelt bezeichnet hat. Der Kapitalismus steuert sich im wesentlichen durch das Medium Geld, nicht durch demokratische, vernunftgeleitete Diskurse. Das ist ein Mangel – allerdings keiner von dem man sagen könnte wie er denn nachhaltig zu beheben sei. Also führt diese Argumentation nur zur Möglichkeit der Zähmung, Kultivierung und politischen Kontrolle – so weit wie möglich.

Aber heisst das, der Kapitalismus lebt ewig? Einer der großen Verteidiger und Bewunderer des Kapitalismus, Joseph Schumpeter, hat bekanntlich die Frage, ob der Kapitalismus weiterleben kann, eindeutig beantwortet: „Nein, meines Erachtens nicht“.

Aber die Gründe, die Schumpeter genannt hat, waren im wesentlichen nicht die, die heute genannt werden, um eine „Überwindung“ des Kapitalismus zu begründen. Schumpeter glaubte, der Kapitalismus habe eines Tages seine geschichtliche Aufgabenstellung erfüllt. Die Aufgabenstellung bestand darin, die Bedürfnisse der Massen zu befriedigen, eines nach dem anderen. Die Menschen sollten nicht mehr unter Not und Mangel leiden wie noch im Feudalismus, wo über 70 Prozent der Bevölkerung auf den Feldern arbeiten mussten, nur um das tägliche Brot zu erwirtschaften, wo ein Buch ein Luxusgegenstand war, und die Kleider, die jemand im Schrank hatte, zu seinem Vermögen gezählt wurden.

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Einleitung (lang)

Die Grosse Digitalmaschinerie

 

Joseph A. Schumpeters Klassiker „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ erschien 1942 in englischer Sprache, und 1947 auch in Deutsch, bevor er dann im Laufe der Jahre in mindestens 20 weitere Sprachen übersetzt worden ist. Schumpeter war ein konservativer Ökonom, dessen Begriff von Innovation und wirtschaftlichem Fortschritt als „schöpferische Zerstörung“ und seine emphatische Verehrung der Unternehmerpersönlichkeit als „Führer“ mit „Siegerwillen“ ihm in wirtschaftsfreundlichen Kreisen wesentlich größere Sympathien und höhere Akzeptanz verschafft haben dürften als etwa in linken sozialrevolutionären Milieus. Dennoch stammt von ihm dieser Satz, den Menschen mit postkapitalistischen Hoffnungen und Denkweisen mit ganz anderen Augen und Empfindungen zur Kenntnis genommen haben dürften als „Konservative“: „Kann der Kapitalismus weiterleben? Nein, meines Erachtens nicht.“

Schumpeter hat in diesem Werk seine Auffassung entwickelt und vorgetragen, dass der Kapitalismus sich auf eine ganz natürliche und zwanglose Weise in einen staatlich und zentral gelenkten Sozialismus verwandeln werde. Diese Entwicklung betrachte er aber nicht mit Sympathie oder Antipathie, sondern als unparteiischer Beobachter; er stelle eine Prognose auf der Basis der ihm zur Ver­­fügung stehenden Daten, so wie ein Arzt eine positive oder negative Prognose auf der Grundlage seiner Befunde stelle, ohne sich hierbei durch Sympathie für den einen oder anderen zu erwartenden Ausgang beeinflussen zu lassen.

Bisher hat nun diese Entwicklung – die Transformation des privatwirtschaftlich dominierten Kapitalismus in einen staatlich-öffentlich dominierten Sozialismus – ganz offensichtlich nicht stattgefunden. Allerdings hat die Frage, ob der Kapitalismus weiterleben kann, spätestens mit Hereinbrechen der bislang letzten großen Krise, der sog. Finanz- oder Hypothekenkrise zwischen den Jahren 2007 und 2010 eine ganz neue und wohl nie erlebte Aktualität erhalten. Die Stimmen, die dem Kapitalismus eher geringere Überlebensaussichten bescheinigten, dürften dabei in Anzahl und der Eindeutigkeit und Differenziertheit ihres Urteils diejenigen optimistischen Stimmen überwogen haben, die unverdrossen von einer unerschöpften Regenerationsfähigkeit des Kapitalismus ausgehen, und für die Welt der Börsen, der Konzerne, der Produktivitätssteigerungen, des Wachstums und der Vollbeschäftigung am Horizont kein Ende aufziehen sehen, und die dabei möglicherweise noch nicht einmal die ökologisch verursachten Wolken am Himmel des ewigen Wachstums ihre Stimmung trüben lassen.

Wer allerdings eher geneigt ist, eine Endlichkeit der kapitalistisch geprägten Entwicklung für wahrscheinlich zu halten, ist damit noch nicht unbedingt und in jedem Fall in der Lage oder auch willens[1], einen Nachfolger zu benennen, also die wirtschaftlichen und politischen Umstände anzugeben oder zu umreißen, unter denen jenseits kapitalistischer ökonomischer Prinzipien und Regularien würde gelebt und gearbeitet werden. Dass es allerdings nicht ein Sozialismus – so wie wir ihn kannten – sein wird, in den sich die sozioökonomische Wirklichkeit verwandelt, bezweifelt nach den gemachten Erfahrungen in den realsozialistischen Ökonomien des ehemaligen Ostblocks kaum jemand.

Insofern würde man zu Schumpeters Erwartung nun aus der heutigen Sicht einfach konstatieren müssen, dass er sich in dem Punkt offenbar geirrt hat. Schumpeters Werk hat im Laufe der Jahre wellenförmig an- und wieder absteigende Aufmerksamkeit erfahren, und seine Erwartung eines Abschwächens oder eben sogar Verebbens und Versiegens der kapitalistischen Dynamik und wohlfahrtsteigernden Kraft wurde durchaus geteilt, kaum aber jemals seine Prognose eines Übergleitens in einen staatlich gelenkten Sozialismus.

Inwieweit kann denn nun ein erneuter Blick in Schumpeters Werk und Gedan­ken aus dem ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts dazu beitragen, mög­­li­cherweise Antworten zu finden auf die heute ja noch immer nicht obsoleten und umgekehrt immer mehr drängenden Fragen nach der Zukunft des Kapitalismus, und, wenn diesem tatsächlich über kurz oder lang keine Zukunft beschie­den sein sollte, nach der dann entstehenden oder zu erwartenden Ordnung des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lebens?

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Aus der Einleitung (kurz)

EINLEITUNG

Wie sieht die nächste Gesellschaft aus? Was erwartet uns nach dem Kapitalismus?

In aller Kürze wird in diesem Buch die folgende Antwort auf diese – nicht unerhebliche – Fragestellung versucht:
Man kann den Einstieg wählen über die Frage nach dem Ort der wirtschaftlichen Belange in einer Gesellschaft. Seit den Anfängen der klassischen Wirtschaftswissenschaften, durch alle Schulen und Lager hinweg, war die ordnungs-politische Frage nach der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Privatwirtschaft eine entscheidende und richtungweisende, von der die Mehrzahl der weiteren abhängt. Gehören die wirtschaftlichen Belange der Gesellschaft ganz oder überwiegend in die öffentliche, oder in die private Sphäre? Welche Sphäre ist die dominierende? Etwa nach Joseph Schumpeters heute rund 70 Jahre alter Definition war eine sozialistische Gesellschaft ein „institutionelles System, in dem die Kontrolle über die Produktionsmittel und über die Produktion selbst einer Zentralbehörde zusteht“, mit anderen Worten, in dem die wirtschaftlichen Belange der Gesellschaft in die öffentliche Sphäre gehören. In einem nichtsozialistischen System gehören sie in die private Sphäre.

Schumpeter unterscheidet hier nun zwischen Kontrolle über die Produktionsmittel und Kontrolle über die Produktion selbst. Unabhängig davon wo Schumpeter den Unterschied sah, kann man danach unterscheiden, ob sich die Kontrolle auf die Abläufe in der Produktion selber richtet, also deren Verfahrensrationalität und die ressourceneffiziente Verwendung der Produktionsfaktoren, oder auf die Kontrolle über die Produktentwicklung und die Produktionsentscheidungen, also was produziert wird, in welchen Mengen, und zu welchem Preis es verkauft wird. Nach welchen Kriterien werden diese letzteren Entscheidungen getroffen? In privatwirtschaftlich verfassten Ökonomien wird hier nach erwerbswirtschaftlichen Prinzipien entschieden, also nach der Marktrationalität. Liegt die Kontrolle darüber in der öffentlichen Sphäre, kann nach Prinzipien einer politischen Vernunft entschieden werden, die Produktionsentscheidungen können also nach öffentlichen, allgemeinen, überprivaten Interessen ausgerichtet werden.

Die vergangenen Jahre seit der Finanzkrise ab 2008 haben nun Zweifel an der Steuerungskapazität der Marktkräfte nach marktrationalen Prinzipien geweckt. In zunehmend reifen, wohlhabenden und konsolidierten Ökonomien mit gesättigten Märkten führt die Suche nach renditetragenden Verwendungen des nicht in den Produktionsmitteln gebundenen Kapitals zu immer weniger wohlfahrtsichernden oder -erweiternden Investitionen; das Geld wird aufgesogen von der Finanzindustrie, und wandert in unproduktive, spekulative Verwendungen. Auf der anderen Seite hat sich im Laufe des realsozialistischen Experiments gezeigt, dass die Steuerungsfunktion frei gebildeter Marktpreise kaum effizient zu ersetzen ist; die politische Vernunft ist bei der Planung und Festlegung solcher mikroökonomischer Produktions- und Preisentscheidungen offenbar überfordert. Dieses Dilemma hat seither immer wieder die Suche nach „dritten Wegen“ motiviert, nach neuen Modalitäten der wirtschaftlichen Kooperation und Ordnungsbildung zwischen oder jenseits von Markt und Staat – gefunden wurden sie bisher nicht.

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Die Bankenkrise

Die Grosse Digitalmaschinerie

Die Bankenkrise (Auszug aus „Die Grosse Digitalmaschinerie“ S. 102 – 113)

Um einen Eindruck von der zerstörerischen Gewalt und dem Ausmaß der Bankenkrise zu bekommen, schaut man sich am besten die Entwicklung der Geldmengen M0, M1, M2 und M3 an, beispielsweise in dem Zeitraum seit Aufkündigung der Goldbindung des Dollar nach der Vereinbarung von Bretton Woods durch R. Nixon im Jahre 1971, so wie etwa Paul Mason sie darstellt (S. 141).

Zu Erläuterung: M0 nennt man die Menge des im Umlauf befindlichen Bargelds, also Münzen und Banknoten; M1 ist die Menge des Bargeldumlaufs plus Sichteinlagen (Guthaben) bei Banken; M2 ist Menge M1 plus kurz- und mittelfristig (zwei Jahre) festgelegtes Geld; und Menge M3 ist M2 plus alle erdenklichen Formen von „virtuellem“ Geld in Gestalt von Anteilen an Geldmarktfonds, Geldmarktpapieren und Bankschuldverschreibungen.

Grundsätz­lich muss man sich klarmachen: Geld ist erbrachte wirtschaftliche Leistung, die vom Erbringer dieser Leistung nicht direkt konsumiert wird. In einer florierenden Wirtschaft steht dieses ersparte Geld für Investitionen zur Verfügung, abgesehen von Beträgen, die vielleicht von Privatpersonen für die Altersversorgung vorgesehen sind, und die erst später konsumiert werden sollen. Aber auch diese können in Form von Krediten ja dem wirtschaftlichen Kreislauf zur Verfügung gestellt werden. Genaugenommen müssen sie das sogar, bzw. eine stabile wirtschaftliche Lage mit positiven Zinssätzen ist darauf angewiesen, dass das gesparte Geld auch auf der anderen Seite an Kreditnehmer verliehen wird – wer sollte sonst die Zinsen bezahlen. Wenn die Summe der Geldvermögen die Summe der Kredite übersteigt, kommt es also zu einem Liquiditätsüberhang, und dadurch mehr oder weniger zwangsläufig zu niedrigen Zinsen, möglicherweise sogar, wenn durchsetzbar, bis in den negativen Bereich hinein. Das ist die heutige Situation an den Finanzmärkten. Aber wie kommt es zu diesem Liquiditätsüberhang?

Saisonbereinigte Geldmenge M3

Unbestrittenerweise wird die Größe der Geldmenge von der Zentralbank bestimmt. Das von privaten Banken geschaffene Giralgeld macht aber einen viel höheren Anteil der Geldmenge aus als das von der Zentralbank im Umlauf gebrachte Bargeld, weshalb deren steuernder Einfluss sich auf die Festsetzung der Zinsen für Kredite an die Privatwirtschaft beschränkt, bzw. auf die Guthabenzinsen für Bargeldeinlagen. Das Steuerungsziel der Zentralbank besteht in einer solchen gesamtwirtschaftlichen Situation darin, die Banken zur Ausgabe von Krediten zu motivieren, bzw. umgekehrt in inflationären Situationen durch Erhöhung der Zinsen eine zu starke Kreditnachfrage zu dämpfen. Die Banken sollen in der heutigen Lage also mit Krediten freigebig sein – die Kreditnachfrage bleibt aber dennoch zu schwach, trotz der extremen Niedrigzinsen, und bereits negativer Einlagezinsen für Einlagen von Banken bei der Zentralbank.

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Rentenextraktion, BGE und das Perpetuum Mobile

Der schon in Vergessenheit geratene Gründer des Privatsenders SAT 1, Leo Kirch, soll einmal gesagt haben: „Mein Traum wäre ein Monopol.“ Vielleicht unterscheidet er sich nur dadurch von vielen seiner Unternehmerkollegen, dass er dies ausgesprochen hat (wenn es denn so war). Aber schaut man sich um in der Welt der Top-Konzerne auf der Welt, dann hat es schon den Anschein, als hätten sie vor allem dies im Sinn gehabt: eines Tages als Monopolist ihre Märkte zu beherrschen, und keine Konkurrenten mehr befürchten zu müssen. Und wenn es auf vielen Märkten auch nicht  die Monopolisten sind, die sich endgültig durchgesetzt haben, so sind es doch oft nur einige wenige, die dann ein Oligopol beherrschen, und ansonsten bemüht sind, sich gegenseitig nicht allzusehr weh zu tun. Etwa die Absprachen der verbliebenen drei deutschen Automobilhersteller zur Umgehung der Abgasgrenzwerte, die im Abgasskandal aufgeflogen sind, zeigten dies nur zu deutlich.

Kapitalbesitzer, die ihr Vermögen einem der großen Vermögensverwalter wie Blackrock, der Vanguard Group oder der Allianz anvertrauen, hoffen darauf, dass dieser ihrem Vermögen Zuwächse beschere; wie, ist ihnen gewöhnlich gleichgültig – vielleicht dadurch, dass der Vermögensverwalter ihr Vermögen bei diesen Automobilherstellern investiert, und irgendwie dafür sorgt, dass sie hohe Gewinne ausschütten. Wenn die Automärkte von wenigen Oligopolisten beherrscht sind, die sich im Übrigen das Leben durch Wettbewerb und echte transparente Marktwirtschaft nicht allzu schwer machen, werden diese Renditen in der Regel und in der Summe höher ausfallen. Für die Volkswirtschaft ist dies eher schädlich. Den Vermögensverwaltern und -besitzern ist dies aber egal: sie erwarten, dass ihr Vermögen auf diese Weise „arbeitet“, ohne dass sie selbst arbeiten müssten. Sie schauen lieber einfach zu, bzw. schauen nach einem Jahr auf ihre Depositenmitteilungen und ihre Kontoauszüge und erwarten, dass sich ihr Vermögen vergrößert hat.

Kapital ist kein Perpetuum Mobile

Ist dies bei Kapitalbesitzern nicht immer so? Nein, das ist nicht immer so. Schaut man auf die Geschichten der großen Gründerpersönlichkeiten, die oft Generationen umfassten, in denen Unternehmen langsam wuchsen und in der Familie von einer Generation zur nächsten gewandert sind, so sieht man: es hat keineswegs nur das Kapital gearbeitet. Krupp, Thyssen, Bosch, Siemens, Daimler, Benz, Opel, Grundig und Rathenau haben mit eigenen Händen gearbeitet, und den Grundstein gelegt für die späteren Grossunternehmen, die wesentlich an der Schaffung des Wohlstands beteiligt waren, der der ganzen Gesellschaft dann zugute gekommen ist.

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Staat? Plan? Markt? Kapital?

Ich lese gerade zwei wichtige Bücher, das neue Buch von Fabian Scheidler über das kommende Zeitalter der Revolutionen, und das Buch der Journalistin und Schriftstellerin Daniela Dahn „Wir sind der Staat„. Ich finde Dahns Buch wichtig, weil sie plausibel macht, dass wir in einer – hoffentlich – besseren Zukunft und Welt, auf die wir uns ja schließlich hinbewegen wollen (und müssen, weil wir es zumindest unseren Kindern schuldig sind), nicht ohne einen modernen aufgeklärten Staat auskommen werden.

Scheidler beschreibt in klaren Worten das Chaos, in dem wir uns schon befinden, und das sich womöglich noch intensivieren wird, bevor das beginnende Gramscische „Interregnum“ dann eines fernen Tages überwunden sein wird. Er beschreibt das „Chaos in den Köpfen“, das zu einem nicht geringen Teil wohl ein planvoll angerichtetes „Chaos“ ist, im Sinne der auf Zbigniew Brzinski zurückgehenden Strategie des „Tittietainment“: die Menschen mit Brot und Spielen, mit Krimis und Quiz-Shows und versexten Nachrichtenformaten planvoll zu sedieren und zu verblöden, auf dass sie die ihnen zugedachten Gemeinheiten des „neoliberalen Roll-Back“ widerstandslos über sich ergehen lassen. Jedenfalls kann es ja wohl kein Zufall sein, dass inhaltsvolle Sendungen zu aktuellen brisanten Themen mit schöner Regelmäßigkeit in den tiefsten Nachtstunden landen, wenn sie denn überhaupt gesendet werden.  Scheidler nennt das (und anderes) „kollektive Realitätsverweigerung“: „… selbst die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die ja eigentlich einen Bildungsauftrag haben, beteiligen sich an diesem »Brot-und-Spiele«-Programm, indem sie ihre besten Sendezeiten mit endlosen Sportevents, Unterhaltungsshows und Krimis füllen. Fragen, die unsere Zukunft und das Überleben der Menschheit betreffen, gibt es dagegen bestenfalls nach Mitternacht, wenn die arbeitende Bevölkerung längst im Bett liegt, oder auf Nischensendern wie Arte.“

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Braucht die SPD eine neue Utopie?

Die SPD mit Martin Schulz war angetreten, eines der größten Probleme unserer Zeit zu lösen, nämlich die Frage: wie managen wir die Digitalisierung? Und damit steht sie, wie ich meine, vor der Frage: wie bekommen wir die Maschinen in die Gesellschaft? Direkt, ohne Umweg über Kapital, Markt und Steuern?

Wenn die Maschinen Kapital sind, werden sie genutzt von Kapitaleignern zur Erzielung von Kapitalrendite. So war das seit Beginn der vergangenen 300 Jahre Kapitalismus. Die Marktmechanismen sorgen dafür, dass über sinkende Preise und bessere Produkte alle einen Vorteil daraus haben. Die Arbeitsstunde des Arbeiters gewinnt an Kaufkraft, und der Arbeiter und alle sonstigen abhängig Beschäftigten können sich mehr leisten. Der Kapitalist streicht seine Kapitalrendite ein, und reinvestiert sie, und die Wirtschaft wächst. Sagen wir mal, zu 90% hat das tatsächlich funktioniert.

Aber das funktioniert ganz offensichtlich so nicht mehr. Die Wirtschaft wächst nicht mehr, allenfalls minimal, oder nur in einzelnen „erfolgreichen“ Ländern („Exportweltmeister“). Die Gewinne landen nur noch bei denen, die ohnehin schon alles haben.

Die SPD mit Martin Schulz war nun angetreten, diese Entwicklung zu bremsen oder gar zurückzudrehen. Ein „gerechtere“ Gesellschaft hatte Schulz sich auf die Fahnen geschrieben, mit besserer Bezahlung und sicheren Arbeitsplätzen für die Beschäftigten, und ein Ausbügeln der Fehler seines Vorgängers Gerhard Schröder, der die neoliberalen Auswüchse seiner Ära widerstandslos mitgemacht hatte.

Aber Schulz ist krachend gescheitert. Lag es daran, dass die Menschen die „Klassenkampfkram“ einfach nicht mehr wollen, wie Hans-Werner Sinn scharfblickend analysiert hat? Oder lag es daran, dass die Menschen das Zutrauen verloren haben, dass Schulz willens und in der Lage sein werde, seine Versprechungen zu halten, nachdem sie ihn eine Weile beobachten konnten?

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BGE und digitale Revolution

Noch einer, zum sog. Grund-„Einkommen“, und zur „Digitalen Revolution“.

Das eine hat ja mit dem anderen zu tun. Die „digitale Revolution“ frisst die Jobs, in einem solchen Tempo, dass selbst die Exporte zu Dumpingpreisen nicht mehr dagegen schützen können, außerdem kommt Gegenwind, nicht nur von der Vernunft, sondern auch sogar vom IWF, ganz zu schweigen von Trump.

Was ist denn die digitale Revolution? Vor drei Jahren schrieb Neil Gershenfeld flammende Artikel über die nächste kommende digitale Revolution, „this time in fabrication“. Er meinte damit Fabrikationsmaschinen in jedem Haushalt, und alle waren aufgeregt über die kommende „Demokratisierung der Produktion“, von Rifkin bis Paul Mason. Dann war aber bald wieder Ruhe an der Front, die Digitalisierung – in Gestalt der Industrie 4.0 – nahm aber weiter ihren Lauf, und keiner sollte sie verpassen, nach der Parole der Hannover Messe Industrie.

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BGE die Zweite

Auch die „Philosophie-Zeitschrift“ „Hohe Luft“ befasst sich in ihrer aktuellen Ausgabe mit dem Thema Grundeinkommen, in einem Artikel mit dem imposanten Titel „BEFREIT DIE ARBEIT!“

Was fällt einem dazu ein, als erstes, leider: O si tacuisses, Philosophus mansisses.

Wer weder philosophisch noch wissenschaftssprachlich geschult ist und derart sinnengeschärft und vorbelastet in die Textrezeption geht, der mag diese Unterscheidung für eine lässliche Feinheit halten, sonst aber stellt sich die Fage: was soll das BGE denn befreien, die Arbeit oder den arbeitenden Menschen? Ist das vielleicht egal?
Liebe Philosophie-Zeitschrift, es ist so: Die Arbeit ist ein Begriff, ein Abstraktum, dem diese Qualität einer mentalen Verfasstheit, die mit Freiheit gemeint sein kann, nicht zugesprochen werden kann. Arbeit kann man weder befreien, noch versklaven, und, ganz nebenbei, man kann Arbeit auch nicht grün anstreichen. Aber den Menschen kann man befreien. Oder versklaven. So viel also mal zur Einleitung.

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Warum das BGE kein Einkommen ist, und außerdem eine schlechte Idee

Das BGE wird vorgestellt und diskutiert als Komponente eines Modells von Ökonomie, das in der Lage ist, den Herausforderungen der Gegenwart (produktivitätssteigernde Technologien, zu schwache Produktnachfrage und resultierend zu schwache Beschäftigungsnachfrage) begegnen zu können.

Welche Anforderungen sind nun an Modelle von Ökonomien zu stellen? Eine Ökonomie soll festlegen, was in welchen Mengen hergestellt wird, sagt z. B. Paul Samuelson. Dabei sollen keine Ressourcen verschwendet werden, weder bei der Güterherstellung, noch bei der Güterverteilung. Das ist das Wichtigste, was zu leisten ist. Ein Mensch, der arbeiten kann und arbeiten will, ist aus der Sicht zunächst einmal eine verschwendete Ressource, und eine Ökonomie, in der es nicht allen arbeitswilligen Menschen möglich ist zu arbeiten, funktioniert nicht gut.

Jetzt kann man sagen: die technologischen Produktionsmöglichkeiten sind so groß und effektiv geworden, dass auch bei einer bestmöglich organisierten Ökonomie nicht alle arbeitswilligen Menschen voll beschäftigt werden können, also in dem Umfang, in dem sie bereit sind, Arbeit anzubieten. Die Nachfrage bleibt einfach hinter dem Angebot zurück, die Ökonomie funktioniert gewissermaßen zu gut, sie produziert zu viel. Was dann?
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