EINLEITUNG
Wie sieht die nächste Gesellschaft aus? Was erwartet uns nach dem Kapitalismus?
In aller Kürze wird in diesem Buch die folgende Antwort auf diese – nicht unerhebliche – Fragestellung versucht:
Man kann den Einstieg wählen über die Frage nach dem Ort der wirtschaftlichen Belange in einer Gesellschaft. Seit den Anfängen der klassischen Wirtschaftswissenschaften, durch alle Schulen und Lager hinweg, war die ordnungs-politische Frage nach der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Privatwirtschaft eine entscheidende und richtungweisende, von der die Mehrzahl der weiteren abhängt. Gehören die wirtschaftlichen Belange der Gesellschaft ganz oder überwiegend in die öffentliche, oder in die private Sphäre? Welche Sphäre ist die dominierende? Etwa nach Joseph Schumpeters heute rund 70 Jahre alter Definition war eine sozialistische Gesellschaft ein „institutionelles System, in dem die Kontrolle über die Produktionsmittel und über die Produktion selbst einer Zentralbehörde zusteht“, mit anderen Worten, in dem die wirtschaftlichen Belange der Gesellschaft in die öffentliche Sphäre gehören. In einem nichtsozialistischen System gehören sie in die private Sphäre.
Schumpeter unterscheidet hier nun zwischen Kontrolle über die Produktionsmittel und Kontrolle über die Produktion selbst. Unabhängig davon wo Schumpeter den Unterschied sah, kann man danach unterscheiden, ob sich die Kontrolle auf die Abläufe in der Produktion selber richtet, also deren Verfahrensrationalität und die ressourceneffiziente Verwendung der Produktionsfaktoren, oder auf die Kontrolle über die Produktentwicklung und die Produktionsentscheidungen, also was produziert wird, in welchen Mengen, und zu welchem Preis es verkauft wird. Nach welchen Kriterien werden diese letzteren Entscheidungen getroffen? In privatwirtschaftlich verfassten Ökonomien wird hier nach erwerbswirtschaftlichen Prinzipien entschieden, also nach der Marktrationalität. Liegt die Kontrolle darüber in der öffentlichen Sphäre, kann nach Prinzipien einer politischen Vernunft entschieden werden, die Produktionsentscheidungen können also nach öffentlichen, allgemeinen, überprivaten Interessen ausgerichtet werden.
Die vergangenen Jahre seit der Finanzkrise ab 2008 haben nun Zweifel an der Steuerungskapazität der Marktkräfte nach marktrationalen Prinzipien geweckt. In zunehmend reifen, wohlhabenden und konsolidierten Ökonomien mit gesättigten Märkten führt die Suche nach renditetragenden Verwendungen des nicht in den Produktionsmitteln gebundenen Kapitals zu immer weniger wohlfahrtsichernden oder -erweiternden Investitionen; das Geld wird aufgesogen von der Finanzindustrie, und wandert in unproduktive, spekulative Verwendungen. Auf der anderen Seite hat sich im Laufe des realsozialistischen Experiments gezeigt, dass die Steuerungsfunktion frei gebildeter Marktpreise kaum effizient zu ersetzen ist; die politische Vernunft ist bei der Planung und Festlegung solcher mikroökonomischer Produktions- und Preisentscheidungen offenbar überfordert. Dieses Dilemma hat seither immer wieder die Suche nach „dritten Wegen“ motiviert, nach neuen Modalitäten der wirtschaftlichen Kooperation und Ordnungsbildung zwischen oder jenseits von Markt und Staat – gefunden wurden sie bisher nicht.