Eine neue regulative Idee für die Ökonomie

Was ist eine regulative Idee? Eingeführt hat den Begriff Immanuel Kant, und gemeint ist damit eine Idee, eine Vorstellung, die gewissermassen Richtung weisend ist, aber ein im geschichtlichen Raum nicht vollständig erreichbares oder realisierbares Ziel darstellt; man kann auch sagen sie ist ein Ideal, so wie die geometrischen Figuren (Kreis, ausdehnungsloser Punkt, unendliche Gerade) nicht vollkommen realisierbar sind; im Bereich des Gesellschaftlichen wäre das der “ewige Friede” Kants, oder später die Vorstellung der “idealen Kommunikationsgemeinschaft” der Diskursethik.

In der Ökonomie wäre dies die Vorstellung der Pareto-Optimalität. Pareto-Optimalität ist also die Beschreibung eines “idealen” Zustandes einer Volkswirtschaft. Dieser Zustand ist so definiert: die Produktionsfaktoren sind einer optimalen Verwendung zugeführt, und das ist dann der  Fall, wenn 1) ein Individuum genau die Güter konsumiert, durch die sein Nutzen maximal wird (Tauschoptimum), und 2) die Grenzproduktivitäten der eingesetzten Faktoren gleich sind (optimaler Faktoreinsatz), wodurch sichergestellt ist, dass die größte mögliche Gütermenge erzeugt wird.

„Eine neue regulative Idee für die Ökonomie“ weiterlesen

Common Stadtwerke für (fast) alles

Im April-Heft der Technology Review (2012) gab es einen Schwerpunkt zum Thema Rapid Manufacturing oder Additive Manufacturing, wie man nun wohl häufiger sagt. Sehr schöner Überblick über das, was inzwischen schon so alles geht – Lichtgedichte vom Laser z. B. gefällt mir so gut! – und was grad in der Pipeline ist, und auf die Perspektiven dieser Technik, also: wo sind die Nadelöhre, wo sind die Herausforderungen. Als wichtige Herausforderung wird unter anderem wohl die Schnittstelle zwischen Mensch – als Konsument in der Rolle des Produzenten, des Produkt-Entwicklers – und Maschine gesehen. Es ist ja so bei der Additiven Fertigung, dass zunächst dieses STL-File erstellt werden muss, also der maschinenlesbare Entwurf dessen, was man herstellen will. Und das ist ja ein enorm anspruchsvoller Vorgang, man muss über all das genauestens Bescheid wissen, die konstruktiven Eigenheiten und Anforderungen, die Beschaffenheit des Materials, erforderliche Festigkeit, Biegsamkeit, Belastbarkeit… lauter Dinge von denen man keine Ahnung hat und haben muss, wenn man in ein Geschäft geht und sich etwas kauft, beispielsweise einen Laufschuh, zum Rennen. Nun können natürlich solche Entwürfe gewissermassen vorgefertigt werden und irgendwo abgelegt, wo man sie sich dann herunterlädt und dann ein wenig – oder ein wenig mehr – “editieren” kann, also an die eigenen Wünsche, Vorstellungen und Bedürfnisse – etwa die Form der Füsse, wenn es sich um Schuhe handelt – anpassen.

Frank T. Piller, Professor an der RWTH Aachen und einer der weltweiten Vordenker der “Mass Customization”, sieht in der “Gestaltung des Lösungsraumes” eine der zentralen Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, um diese Technik wirklich in der Breite nutzbar und erfolgversprechend werden zu lassen. Man muss Möglichkeiten finden, dem Nutzer einerseits dieses Meer der Möglichkeiten vor Augen zu führen, das ihm mit dieser Technik zur Verfügung steht, andererseits darf er darin aber auch nicht ertrinken! Er muss auch erkennen können, wo die Grenzen der Möglichkeiten sind; die physischen oder physikalischen Anforderungen des Entwurfs oder seines Wunsch-Designs muss so eine interaktive Lösung also einerseits “kennen”, das Wissen muss also darin implementiert sein, andererseits muss sie es dem Nutzer anschaulich darstellen und erkennbar machen können. Wahrhaftig eine Herausforderung an das Software-Engineering! Beispielsweise müsste er seinen Entwurf in der geplanten Funktion simulieren können, es muss ihn also nicht nur vor sich sehen, sondern ihn auch in “Action” erleben können, und mögliche Schwächen im Entwurf entdecken und behebn können… gewaltig.

Ein weiteres ganz wichtiges Element des Additive Manufacturung sind natürlich die Materialien, die Baustoffe… Hier wird gegenwärtig offenbar ebenso intensiv geforscht wie an den Verfahren selber; zum Teil ist es ja auch so dass die Materialien bestimmte Verfahren auch erzwingen, das muss also aufeinander abgestimmt sein. In dem Heft wird zum Beispiel beschrieben, wie ein bestimmtes Stahlpulver auf eine ganz bestimmte Weise beim Laser-Sintern behandelt werden muss, nämlich so dass der Laser in einem 67°-Winkel auf das Pulver auftrifft – weil dadurch bestimmte Eigenschaften erzielt werden können, wie zum Beispiel die erwünschte Härte und Festigkeit, aber ohne Verlust der Elastizität.

Aber doch, trotz aller speziellen Schwierigkeiten und der großen Varianz der gegenwärtig verfügbaren Maschinen, Materialien und Verfahren: wie das auch in diesem Heft vorhandene Interwiew mit Neil Gershenfeld, dem “Vater” der FabLabs in der ganzen Welt und einem der Pioniere der “Personal Fabrication”, handelt es sich im Prinzip um Variationen der “digitalen Fabrikation”, um “Universal Desktop Fabrication”, wie ein wissenschaftlicher Artikel zu dem Forschungsgebiet überschrieben ist. Und das bedeutet nichts anderes als: prinzipielle Universalisierung, und damit prinzipielle Homogenisierung der Verfahren, der Maschinen, und der Materialien, und – nahezu grenzenlose – Individualisierung erst im Produkt: werkzeuglose, vollmaschinelle Fertigung in der Losgrösse 1.

Während nun viele Autoren hier bei der theoretischen Basisforschung zur Additiven Fertigung davon ausgehen, dass es sich bei diesem Prozess tatsächlich um “Addition” von kleinsten und allerkleinsten Bauteilen handelt, die “selber” dazu keinen aktiven Beitrag leisten, forscht Gershenfeld an Materialien, die “intelligent” sind, die also Logik und maschinelle Intelligenz beherbergen, mit dem Ziel, eines Tages sich selbst zu einem grösseren Ganzen formende Materialien zu besitzen, die – analog der biologischen organischen Zelle – wachsen und auf diese Weise Dinge “fabrizieren” können. Gershenfeld rechnet innerhalb der nächsten 20 Jahre damit, in diesem Sinne digitale Materialien verfügbar zu haben.

So oder so: es handelt sich in beiden Fällen um “digitale Fabrikation”, was eben auch bedeutet, mit diskreten und universalen Einheiten oder Grundbausteinen zu operieren, und hier sieht Gershenfeld “so eine Art Mikro-Lego” am Horizont seiner Forscher-Träume, also Bausteine, die universal verwendbar sind und sich zu beliebigen Dingen – “almost anything” – zusammensetzen lassen. Und nicht nur das – ebenso auch wieder auseinandernehmen lassen, das Material bleibt als solches also – wie das Vorbild Lego-Stein – für weitere Verwendungen verfügbar, was ja mit Blick auf ökologische Erfordernisse ja mit einem Schlag all diese Probleme mit der Umweltmüll, genauso wie Ressourcenknappheit erledigen würde…man mag ja kaum so recht gleich dran glauben, zu schön um wahr zu sein, sagt hier die skeptische innere Stimme der Vernunft. Man wird sehen.

Festhalten können wir allerdings: die zentralen Prinzipien sind 1) Universalität, und 2) Homogenität. An was erinnert uns das denn nun?

In diesem gleichen Heft der Technolgy Review gibt es ein “historisches Gespräch”, ein fiktives Interview mit Oskar von Miller, einem Ingenieur, der zwischen 1855 und 1934 in München gelebt hat und dessen bleibender Verdienst darin besteht, die Elektrifizierung in Deutschland vorangetrieben zu haben. Es ist wahrhaftig interessant sich das noch einmal vor Augen zu führen, dass die Menschen ja damals von den Vorteilen der Elektrizität überzeugt werden mussten; dass man damals bei Elektrizität nur an das Licht dachte, und Oskar von Miller Überzeugungsarbeit leisten musste, um klar zu machen, dass sich ja auch Elektromotoren so betreiben lassen… und dass die Elektrizität damals in Hinterhöfen von kleinen Generatoren, angetrieben von Dampfmaschinen, erzeugt wurde. Oskar von Schwemmer hat die Grundlagen dafür gelegt, dass die Elektrizität zentral in Kraftwerken erzeugt und von da über Leitungen in die Haushalte verteilt worden ist. Erst so war es möglich, die Elektrizität und ihre Nutzung zu einem festen Kulturbestandteil werden zu lassen, zu einer festen und kalkulierbaren Größe, auf die sich all die zahllosen Erfindungen und Innovationen stützen konnten, die als Energiequelle die jederzeitige Verfügbarkeit elektrischer Energie voraussetzen.

Wegen der enormen Wichtigkeit dieser Energiequelle und der Wichtigkeit der Tatsache, dass sie auch zuverlässig und jederzeit in der erforderlichen Menge verfügbar ist, für private Haushalte ebenso wie für die Industrie, hat man die Erzeugung der elektrischen Energie lange Zeit nicht dem Spiel der Marktkräfte überlassen. Kraftwerke zur Energieerzeugung waren lange in öffentlichem Besitz, sie waren eine wichtige Aufgabe der kommunalen Stadtwerke, bis der Privatisierungswahn die politischen Gestalter in die ideologische Verblendung trieb, und sie die Energieerzeugung privater Gewinnsucht in die Hände gaben. Möglich und sinnvoll, die Energieerzeugung in öffentlicher Regie zu betreiben war es deshalb, weil es sich bei der Elektrizität um ein vollkommen homogenes Gut handelt, und eben um ein sehr wichtiges und basales. Elektrizität kommt für jeden Verbraucher vollkommen gleichartig aus der Steckdose, vollkommen ununterscheidbar, und einen “Yellow Strom” hat erst die Gewinnsucht privater Energieerzeuger erfunden, die sich von so einer Phantasie-Benamung erhofften, die Verbraucher zu blenden und ihnen vorzumachen es handle sich um einen irgendwie anderen oder besseren Strom, der darum auch ein bischen teurer sein darf.

Digitale Fertigung macht Konsumgüter ebenfalls zu einem homogenen Gut. Ob in der digital gesteuerten Industriefabrik, der Industrie 4.0, oder im privaten Haushalt der ferneren Zukunft: Bezogen wird gewissermaßen abstrakte Fertigungsleistung, die Beschreibung von Produkten aus Daten: zu welchem Konsumgut die sich in der Digitalfabrik oder sogar beim Konsumenten in dessen Haushalt formen, ist vollkommen in dessen Ermessen gestellt. Der Besitzer einen digitalen Fabrik, der dann auch der Konsument sein kann, bekommt nur die “Bits und Bytes”, und ein universaler “Additiver Fabricator” oder eine komplexe Digialfabrik baut aus diesen Bits und Bytes das Konsumgut zusammen.

So wäre das im Prinzip. Da aber ersichtlich – das sagt auch schon der Blick auf den gegenwärtig erreichten State of the Art in dieser Branche – die Entwicklung noch sehr lange dauern wird, bis es wirklich universale und kleine und selbstreplizierende und allgemein verfügbare Fabrikatoren für “allmost anything” geben wird, wird es zunächst verschiedene Spezial-Fabrikatoren geben, Spezialisten für unterschiedliche Größen der Bauteile, unterschiedliche Materialien, unterschiedliche Baugeschwindigkeiten, Komplexitäten etc etc, so wie es im Laufe der Geschichte der Computer auch sehr unterscheidliche Rechnermodelle mit verschiedenen Anwendungsschwerpunkten gab, obwohl der Computer an sich die universalste Maschine ist, die man sich überhaupt denken kann.

Und diese unterschiedlichen Maschinen, all das was dazu gehört sie zu betreiben, fachkundige Menschen sicher auch, die Software, die Kapazitätsplanung, also sozusagen eine Fabrikatoren-Fabrik, eine geballte Ansammlung von universaler Fabrikations-Kapazität: all das sollte sich eines schönen Tages in öffentlichem Besitz befinden, vielleicht – wie die Stadtwerke – auf kommunaler Ebene, und ermöglichen, dass die Menschen ebenso wie früher auf die Stromerzeugung auf diese Produktionskapazität zugreifen können und sich darauf verlassen, dass sie verfügbar ist, und das alles dann zu einer angemessen Kostenbeteiligung, von der man annehmen kann, dass sie so sein wird, dass sich die Versorgung mit Konsumgütern auf diese Weise insgesamt drastisch verbilligen wird.

Die durch das Internet gegebenen Möglichkeiten, aktiv an der Entwicklung von Produkten und Verfahren, von Materialien und Entwürfen mitzuwirken, ist ja dadurch nicht behindert, im Gegenteil lassen sich diese Möglichkeiten so erst umfassend ausarbeiten und institutionalisieren.

Jedenfalls kommt es darauf an, die Produktion von Konsumgütern in öffentlichen Besitz zu verlagern und zu übertragen, denn das Spiel der Marktkräfte ist zu unberechenbar und zu unzuverlässig geworden, als dass dies zu einer sicheren und planbaren Lebensgestaltung auf lange Sicht noch die Basis sein könnte. Wir müssen uns verlässlichere Grundlagen der Existenzsicherung schaffen. Die Märkte werden in Zeiten hoher Marktsättigung zu volatil, die Bedarfe sind zu grossem Teil Luxuskonsum geworden, der ohne weiteres aufschiebbar ist, wenn sich am Konjunkturhimmel Wolken zeigen, so wie in der Gegenwart schon wieder einmal. Und dann kontrahiert die Wirtschaftstätigkeit, die Umsätze gehen zurück, und all die vielen gering beschäftigten und schlecht bezahlten Menschen, deren Konsum keineswegs aufschiebbar und Luxuskonsum geworden ist, müssen darunter leiden.

Commons und Open Source sind in der Gegenwart gewissermassen die Spielwiese, auf der diese Prinzipien erprobt werden können, nach denen später einmal Wirtschaftsprozesse gestaltet sein werden. Aber wir werden diese Prinzipien institutionalisieren müssen und in die politischen Verfassungen und die öffentlichen Grundgerüste der Existenzsicherung einkonstruieren und einbauen.

Dann können wir unter Umständen besseren Zeiten entgegensehen.

Freiheit statt Kapitalismus – ein Kommentar zu Sarah Wagenknecht

Sarah Wagenknechts im Mai 2012 erschienenes Buch ist brilliant. Das lange Lebensbuch des Kapitalismus, seine Eigenheiten und Unarten, seine Stärken und Gefahren hat sie wunderbar beschrieben. Der Kapitalismus war ganz ohne Zweifel erfolgreich: es sind weltweit immense Reichtümer geschaffen worden, darunter wirkliche Werte, die zahllosen Menschen auf der Welt das Leben erleichtern und bereichern und es ungleich lebenswerter gestalten. Ein immenser Reichtum ist nun da. Aber – das zeigt Sarah Wagenknecht wunderbar klar auf – dieser Reichtum erreicht ein solches Gewicht, eine solche Masse, dass er anfangt sich wie ein schwarzes Loch in den Tiefen des Alls zu verhalten: die Zentren des Reichtums fangen an, Werte die in ihre Nähe geraten, aufzusaugen, aufzutürmen und zu komprimieren; je mehr Reichtum an einer Stelle konzentriert ist, um so größer wird die Gier und Saugkraft und der Hunger nach mehr. Der Kapitalismus hat aufgehört, Werte zu schaffen und zu schöpfen: er kann nur noch Werte abschöpfen. Das Wachstum des Reichtums da wo er einmal entstanden ist, gelingt nur noch durch Verarmung an den Rändern der Gesellschaft, in immer grösseren Bereichen.

Was wird geschehen in den USA mit der Verschuldungsrenze? wird es noch einmal einen Aufschub geben, oder geraten wir nun alle in den amerikanischen  Schuldenschlamassel? 

Sarah Wagenknecht zeigt sehr schön auf, wie der gigantische Reichtum in den Händen der einen die Verschuldung auf den Schultern der anderen bedingt. Nur so ist die angestrebte horrende Kapitalrendite der Kapitalbesitzer erzielbar. Und sie zeigt ebenso schön auf, dass sich die realen Reichtümer und realen Werte, die einst von Schumpeterschen risikofreudigen, kreativen und vorausschauenden Unternehmern geschaffen worden sind (in Kooperation natürlich mit zahllosen ebenso kreativen und einsatzfreudigen arbeitenden Menschen), sich allmählich unter diesen gigantischen Massen von um die Welt vagabundierenden Geldströmen in heiße Luft verwandeln, die sich eines schönen Tages wie ein geplatzer heisser Luftballon in ein vollkommen wesen- und wertloses Nichts verwandeln können. Niemand weiss, wie nah dieser Tag uns bevorsteht.

Wenn nun eine nahende Katastrophe, oder – wenn man die nun gerade noch nicht so nahe bevorstehen sehen will – so doch erhebliche ökonomische und soziale Missstände so schön klar und hellsichtig beschrieben werden, so erwächst doch mit dieser gelingenden Einsicht ganz dringlich der Wunsch nach Eröffnung von Mitteln und Wegen, wie all dem denn nun alsbald Einhalt geboten werden könnte. Wie kommen wir denn nun raus aus dem Schlammassel, oder möglichst in diesen ganz großen uns unter ungünstigen Umständen bevorstehenden erst gar nicht hinein.

Sarah Wagenknechts Vorschlägen hierzu ist vor allem dies gemein: sie sind politische. Sie sind sämtlich mit politischer Gestaltungsmacht zu erreichen, umzusetzen und zu realisieren. Es bedarf dazu also politischer Gestaltungsmacht, und zwar ein ganze Menge. Sie möchte Unternehmen wieder angemessen besteuern, überhaupt die Besteuerung wieder mehr der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit anpassen (also höhere Steuern für Spitzenverdiener), ferner möchte sie Erbschaften ganz kräftig besteuern, und eine Reihe von Schlüsselindustrien verstaatlichen. Dass all dies – es kommt dann auf die genaue Ausgestaltung an – ökonomisch vollkommen angemessen und zweckdienlich und dem Dafürhalten der größten Pioniere der Marktwirtschaft sicher weitestgehend entsprechend ist (sie nennt ihr Programm ja “Erhardt Reloaded”) – daran kann gar kein Zweifel bestehen. Wenn diese notwendige politische Gestaltungsmacht einer aktiven Politikerin Sarah Wagenknecht oder jemand anderem der ihr Buch gelesen hat, eines Tages auf legale Weise verliehen sein möchte – es wäre nur zu schön. Vielleicht auch ein bischen zu schön um wahr zu sein. Es wäre jedenfalls nichts dagegen einzuwenden, ganz im Gegenteil. Es wäre unbedingt zu unterstützen.

Aber. Um etwas zu gestalten, dass als ALTERNATIVE zum Kapitalismus zu verstehen ist, also Freiheit  statt  Kapitalismus, und nicht Freiheit  im  Kapitalismus, da werden lediglich politische Gestaltungsmittel nicht hinreichen.

Wenn man sich besinnt, wie der Kapitalismus entstanden ist, wird man unschwer erkennen können, dass die wesentlichen Entstehungsgründe nicht politischer Wille oder Einfluss waren, sondern: technische Möglichkeiten. Die Dampfmaschine, das mit mechanischer Energie angetriebene Fließband, vielerlei in den Produktionsprozess eingeflossene Errungenschaften der Ingenieurwissenschaften. All dies machte es möglich, den Kern der Wertschöpfung nunmehr aus der Landwirtschaft, der Bewirtschaftung des Bodens zur Nahrungsmittelproduktion, in die Erzeugung von Konsumgütern zu verlagern. Damit wurden die Fabrikanten die neuen Herren, und lösten in dieser Funktion die Land- und Gutsbesitzer ab.

Der Kapitalismus hat nicht nur diesen gigantischen und sich allmählich selbst erstickenden Reichtum geschaffen, sondern auch: ganz neue, revolutionäre, nie da gewesene Produktionsmittel. Da, wo noch tatsächlich wertschöpfend und real von der Industrie investiert worden ist, sind zunehmend Produktionsverfahren und Systeme entstanden, die eine immer intensivere Kooperation von Konsument und Produzent ermöglichen; die Produktionsmittel wurden immer kleiner, und universaler einsetzbar (sehr schön hier beschrieben, besonders der Abschnitt  “Die Verbreitung von Open Manufacturing”: )

Das “Ideal”, das theoretische (und zunehmend praktisch werdende) Maximum oder Optimum einer solchen Entwicklung ist der kleine Personal Fabricator, eine kleine universale Fabrik für “allmost anything”, mit einer theoretischen produktiven Universalität, die sich allerdings von der gegenwärtig noch gegebenen Beschränkung auf kleine Spielfigürchen aus Plastik durch eine vermutlich lange Reihe von Generationen bis zur volkswirtschaftlich relevanten tatsächlichen Universalität und Einsatzfähigkeit wird hinaufentwickeln müssen.

Aber – das ist der Keim. Der Keim ist in der Gegenwart winzig und bleich und blass, wie die Farben der Plastikfäden, die er gegenwärtig verarbeiten kann. Die Kraft, die Welt zu verändern, sieht man diesem Keim, diesen kleinen gegenwärtig in den FabLabs der Welt fabbernden Maschinchen nicht an. Aber aus diesem Keim – sicherlich zusammen mit erforderlichen unterstützenden und ergänzenden politischen Gestaltungsmaßnahmen – wird die geschichtliche Möglichkeit erwachsen, den Kapitalismus als dominierendes System abzulösen.

Erst dann kann gelten: Freiheit statt Kapitalismus.

Praxis

(Hiroshi Hara: Mid-Air-City)

Was wäre die Theorie ohne die Tat,   Pragma   , die   Praxis   , das verständige, weil theoriegeleitete Handeln.

Auf dieser Seite soll es um die Diskussion von konkreteren Gestaltungszielen gehen, um Entwürfe von vielleicht sozialen Konstrukten, oder technischen Artefakten, und wie das eine möglicherweise durch das andere bedingt ist. In diesem Zusammenhang möchte ich mich gerne inspirieren lassen von der   Commons-Debatte: vielleicht gibt es ein ganz spezielles Artefakt, das sich sinnvoll nur als ein Common Good verstehen lässt, als in Gemeineigentum befindlich, in öffentlichem oder allenfalls halb-privatem Eigentum…

Der japanische Architekt   Hiroshi Hara hat einige sehr kühne Entwürfe sehr hoch verdichteten Bauens geschaffen, darunter den gigantischen   500x500x500mCube   . Er hat sich vorgestellt, dass dieser Cube – eigentlich eine ganze Stadt, für 100.000 Bewohner – die Infrastruktur und Technik zur möglichst vollständigen Selbstversorgung seiner Bewohner beinhalten sollte. Eine Infrastruktur, die heutige Rapid-Produktionstechnologien sowie Open-Source Design Prozesse, das Management der erforderlichen Stoff- und Maintenance- sowie Distributionslogistik umfasst, liesse eine solche Vision möglicherweise näher an der beherrschbaren konstruktiven Realität erscheinen als Hiroshi Hara sich das in den 1990er Jahren hat träumen lassen…

Inzwischen sind einige weitere sehr kühne und beeindruckende Projekte standen, wie etwa die des französisch-belgischen Architekten   Vincent Callebaut: die Lilypad, eine schwimmende Ecopolis für Klimaflüchtlinge:  



… oder der Dragonfly, eine metabolische Farm für urbane Landwirtschaft:  


… und noch, als weiteres Beispiel eines “green building”, der Bionic Arch, ein nachhaltiger Turm:  



Der Sinn so eines in sich geschlossenen Gross-Projektes läge darin – abgesehen von den erzielbaren Vorteilen hochverdichteten Bauens an sich, und den hier noch angestrebten Effekten ökologischer Art sowie der ja sonst noch nie erreichten Integration auch von Nahrungsmittelerzeugung in den Wohnbereich, unter maximaler Raumnutzung – , dass sich ein homogener Planungs- und Gestaltungsraum ergibt, der – relativ zu einer ganzen Volkswirtschaft – klein und möglicherweise von der entstehenden Planungskomplexität eher überschaubar und beherrschbar ist. Das Ziel müsste eben darin bestehen, so eine Selbstversorgung tatsächlich über alle Bereiche dessen was Menschen heute als zu einem guten Lebensstandard zugehörig empfinden, zu ermöglichen. Wenn man auf der Grundlage dieser neuen Produktionstechnologien davon ausgeht, dass die sehr mächtig geworden sind und den allergrössten Teil dieser materiellen Güterbedarfe abdecken können, wäre hier nur noch der Rohstoff- und Energiebedarf zu “erledigen”, stünde also auf dem Katalog der von so einer Selbstversorgergemeinschaft zu erledigenden Leistungen. Und dann gibt es noch alle diese vielen Leistungen und Bedarfe, die eben nicht von Maschinen erledigt werden können. Die Frage wäre, ob die erforderliche Koordination, also die Güter- und Faktorallokation, wie die Ökonomen sagen, hier einem freien Spiel der Marktkräfte überlassen werden könnte. Möglicherweise wäre es auch notwendig oder hilfreich, hier ein – wenigstens minimales – Angebot auf einer übergeordneten Basis, also durch eine Art von Organisation geplant, zu schaffen. Möglicherweise entstünde so etwas aber auch ganz von selber, durch Selbstorganisation… Jedenfalls wäre so eine Organisation immerhin gross genug, um mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf ein grosses Reservoir an Professionen und Leistungsfähigkeit zugreifen zu können, um diese Aufgabe der Selbstversorgung auf der Höhe der Zeit zu lösen, und zwar so, dass die entstehenden Spielräume der Lebensgestaltung sich gegenüber dem gegenwärtigen oftmals doch sehr unsicheren und gehetzten, vielfach sogar geradezu menschenunwürdigen Lebensumständen ganz entscheidend erweitern.

Aber sicherlich ist das nicht der einzige Weg und die einzige Weise, ein solches Ziel, derartige Lebensbedingungen zu erreichen und denen näher zu kommen. Es gibt ein breites Bündel von Faktoren, die hierzu beitragen können und die uns allen offen stehen, und viele von diesen Faktoren liegen in der menschlichen Natur, sie sind uns Menschen mitgegeben, und diese Faktoren waren schon immer ausschlaggebend, wenn neue Ufer erreicht, und neue Höhen erklommen worden sind. Zu diesen Kräften und Möglichkeiten kommen nun diese neuen technischen Möglichkeiten dazu: die sind in der Geschichte der Menschheit neu, so etwas hat es noch nicht gegeben in dieser Welt. Es kommt also darauf, diesen neuen Raum der Möglichkeiten zu entdecken, der mit diesen neuen Künsten und Techniken erschliessbar geworden ist.

Sehr spannend finde ich auch die Idee der Digitalen Fabrikation in der Architektur, wie sie zum Beispiel hier ausgearbeitet wird:   Digitale Fabrikation. Wenn dann eben noch die Digitale Fabrikation von Dingen dazu käme, dann ergäbe sich so eine Art von Wohnraum, von Stadt, von Lebensraum, der viel mehr sein könnte als nur ein Dach über dem Kopf, oder die Behausung, sondern eine wirkliche Lebenswelt, eine Wohnmaschine, eine Heimat! eine – kleine – perfekte heile Welt. Und ganz ganz neu!

Aber es muss natürlich auch nicht unbedingt gleich so eine gigantisches Riesenprojekt sein! Ein   FabLab und noch ein FabLab ist natürlich ebenfalls schon ein sehr realisierungswürdiges pragmatisches Gestaltungsziel.

Auf jeden   Fall !