Das bislang letzte Buch, das ich gekauft habe, war eines aus dem Antiquariat: „Die Moderne, ein unvollendetes Projekt“, von Jürgen Habermas. Erschienen ist es damals im Reclam-Verlag, ein schmales Bändchen mit „philosophisch-politischen Aufsätzen“ aus den Jahren 1977 bis 1990. Ich fühlte mich gedrängt, diesem für meine Begriffe etwas inflationär verwendeten Begriff der „Erzählung“ und deren Entstehungszusammenhang im Denken der „Postmoderne“ etwa um den Philosophie-Lehrer Jean-François Lyotard oder den „Dekonstruktivisten“ Jacques Derrida nachzugehen. Dabei hatte ich aber bald den Eindruck: es lohnt sich garnicht dem zu viel Aufmerksamkeit zu wirdmen, denn gelöst sind die da aufgeworfenen Fragen m. E. ohnehin, und außerdem können wir es uns einfach nicht mehr erlauben, diesen platz- und zeitraubenden intellektuellen Gedankengespinsten nachzugehen; dazu fehlt einfach die Zeit. Wir stecken ja mitten drin in diesem großen, ungeheuer wichtigen, tatsächlich aus vielerlei Hinsichten überlebenswichtigen Projekt der Moderne. Dessen Vollendung ist allerdings womöglich nicht nur nicht abgeschlossen, sondern wird, wie im schlimmsten Fall zu befürchten ist, vielleicht auch nie mehr abgeschlossen werden können – wenn wir nicht sehr wachsam und vorsichtig sind.
Kategorie: Aktuelles
Verstaatlichen?
Viel Phantasie brauchte es nicht, um sich vorzustellen dass in der Not der Ruf nach der helfenden Hand von Vater Staat ertönen werde. Nun will Wirtschaftsminister Altmeier notfalls wichtige Firmen verstaatlichen.
Dass die Tendenz zur Bildung von – möglichst unveräußerlichem – Gemeineigentum im hyperproduktiven finanzialisierten Spätkapitalismus ohnehin vorhanden ist, und wie dies in den Rahmen einer längerfristigen postkapitalistischen Strategie einzuordnen ist, habe ich hier einmal durchdekliniert.
Kreislaufwirtschaft oder Knall
Oder auch bei Fairconomy 1/2020 ab S. 5
Udo und der Rote Stern
Gestern war ich mal wieder in einem Konzert von Udo Lindenberg. Weil ich aus Münster stamme und zu der Zeit mich als Musiker versucht habe, als Udo’s Stern gerade aufging, war ich fast zwangsläufig Fan von Udo, aber nicht nur deshalb. Mit Kennerblick war mir klar, dass das eine richtig gute Band mit richtig guten Musikern war, und vor allem einem Typen am Mikrofon, der versuchte fortzusetzen was in den 60ern erwachte und nach Altamont und der Auflösung der Beatles gestorben war. Udo war eine oder zwei Nummern kleiner als Stones und Beatles, aber die Wurzel war an der richtigen Stelle und brachte etwas zum Leben, das bis heute die Zeiten überstanden hat und nun größer und lebendiger geworden ist als jemals zuvor.
Mein erstes Udo-Konzert erlebte ich in der kleinen Stadthalle von Münster, in der auch Vieh-Auktionen stattfanden. Man sah und roch es, die Halle hieß auch Bullenhalle. Es gab eine einzige kleine Kantine, und als ich mir vor dem Konzert ein Bier besorgte, saß da die ganze Panik-Band, einfach hinten am Tisch in dieser Kantine für alle. Die Band, das war damals: Steffi Stephan am Bass, Karl Allaut an der Gitarre, Gottfried Böttger an den Tasten, Backi Backhausen am Schlagzeug, und natürlich Udo. Das war die Zeit vom Onkel Pö, und der Rentner-Band. Für einen braven münsteraner Studenten sahen die Jungs, die zwar alle aus dem Westfälischen stammten, aber – wie jedenfalls Udo – hauptsächlich in Hamburg lebten, wild und exotisch aus.
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Mehr Licht für die klare lichte Zukunft
Paul Mason hat nun ein Buch geschrieben, das in die Zeit zu passen scheint. Jedenfalls erheblich besser als sein „Postkapitalismus“ (2016 in der deutschen Übersetzung erschienen). Bisher sind seine Kritiken handzahm und eher positiv, und der ganze Zeitgeist scheint im Moment ja nach links zu fliegen. Ein Youtuber, der „die CDU zerstören“ will, erhält Millionen Views in drei Tagen und findet Eingang in die Spalten der etablierten Medienwelt, und nach einer Gallup-Umfrage aus April würden 43 Prozent der Amerikaner „irgendeine Form von Sozialismus“ für eine gute Sache halten.
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Plattform-Sozialismus
Dass die Digitalriesen mit Plattformen eine Menge Geld verdienen, und eine Menge Steuern nicht zahlen, hat sich herumgesprochen. Wenn sie wenigstens ihre Steuern zahlen würden, könnte man sich mit dem Überwachungskapitalismus, den die Digitalriesen ja auch noch auf dem Kerbholz haben, halbwegs arrangieren. Aber das tun sie partout nicht, und bunkern ihr Geld in Steueroasen.
Darum machen sie sich unbeliebt, und das gemeine Volk fängt an nachzudenken über – Plattformsozialismus (den man auch Digitalsozialismus nennen könnte). Denn die Plattformen sind ja an sich eine gute Idee, sogar Amazon und Uber und Ebay, und was es sonst noch so gibt, was die Bequemlichkeit verspricht, alles vom heimischen Laptop aus erledigen zu können. Deshalb taucht hier und da schonmal die Idee auf, diese Services als hoheitliche Aufgabe zu betrachten, und sie konsequent auf das Allgemeinwohl zu verpflichten, statt auf private Gewinne. Das hieße: sie verstaatlichen.
System by Design?
Wir brauchen ein neues Wirtschaftssystem, aber das brütet der sterbende Kapitalismus eigentlich ganz von selber aus. Wir sollten es erkennen, und könnten die Geburtswehen verkürzen und abmildern.
Out now!
Das Buch Marx‘ Reise ins digitale Athen ist nun im Handel erhältlich. In einem heute erschienen Artikel auf TELEPOLIS habe ich die ganze Argumentation zusammenfassend erläutert. Happy End für Karl Marx.