Regimechange in Russland?

Der bekannte russische Unternehmer und Milliardär Oleg Deripaska hat sich kürzlich recht kritisch über das russische Vorgehen seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine geäußert. Anlass war ein Vortrag Deripaskas an einer Moskauer Universität.

Im Folgenden soll es um die Frage gehen, ob a) ein Regimechange in Russland möglich, wahrscheinlich oder sinnvoll wäre, und b) welche Art von Regimechange denn in der „westlichen“ Welt möglich, wahrscheinlich und sinnvoll wäre  (wie bereits im vorletzten Beitrag erörtert).

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Die Revolution ist fällig

Albrecht Müller, prominentes SPD-Urgestein seit über 50 Jahren, ehemals Planungschef im Bundeskanzleramt und Wahlkampfmanager Willy Brandts, nannte sein 2020 erschienenes Buch „Die Revolution ist fällig“. Untertitel: „Aber sie ist verboten“.

Ach wie dumm. Das ist natürlich ein misslicher Umstand für eine Revolution. Dass Revolutionen verboten sind, liegt eigentlich in der Natur dieser Sache, und wenn eine fällig ist, geschieht sie trotzdem. Dann fragt auch niemand nach Gesetzen oder einer Behörde, die eine Revolution zu genehmigen oder zu verbieten hätte. Wenn eine Revolution wirklich fällig ist, dann nimmt sie sich gewissermaßen ihr Recht.

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Gut und Böse

Wie der Spiegel berichtet, hat der britische Premierminister Boris Johnson den russischen Präsidenten Wladimir Putin mal wieder scharf kritisiert, und der Ukraine mal wieder die nachhaltige Unterstützung seines Landes zugesichert. Denn es geht, so Johnson, um Großes, ja das Größte überhaupt, ja eigentlich schon um Alles oder Nichts: »Es geht um ukrainische Demokratie gegen Putins Tyrannei«, sagte Johnson in einer Videoansprache an das ukrainische Parlament. »Es geht um Freiheit gegen Unterdrückung. (…) Es geht um Gut gegen Böse. Und deshalb muss die Ukraine gewinnen.«

Der seit dem Zweiten Weltkrieg wohl einzigartige Präzendenzfall für einen Kampf des Guten gegen das Böse ist seitdem wohl nach in der ganzen Welt einhelligem Urteil der gute Kampf gegen das böse Hitler-Deutschland, natürlich zuerst in der Person des Bösen schlechthin, des Diktators Adolf Hitler. Insofern ist es nicht überraschend, dass nach Ausbruch des russischen Krieges gegen die Ukraine die Gesichtszüge Wladimir Putins in medialen Auftritten immer mehr die Züge Adolf Hitlers annehmen. Man sieht es gleich: der Böse Wladimir, nun der Böse schlechthin, sieht aus ja schon aus wie böse Adolf Hitler.

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Ein unvollendetes Projekt …

Das bislang letzte Buch, das ich gekauft habe, war eines aus dem Antiquariat: „Die Moderne, ein unvollendetes Projekt“, von Jürgen Habermas. Erschienen ist es damals im Reclam-Verlag, ein schmales Bändchen mit „philosophisch-politischen Aufsätzen“ aus den Jahren 1977 bis 1990. Ich fühlte mich gedrängt, diesem für meine Begriffe etwas inflationär verwendeten Begriff der „Erzählung“ und deren Entstehungszusammenhang im Denken der „Postmoderne“ etwa um den Philosophie-Lehrer Jean-François Lyotard oder den „Dekonstruktivisten“ Jacques Derrida nachzugehen. Dabei hatte ich aber bald den Eindruck: es lohnt sich garnicht dem zu viel Aufmerksamkeit zu wirdmen, denn gelöst sind die da aufgeworfenen Fragen m. E. ohnehin, und außerdem können wir es uns einfach nicht mehr erlauben, diesen platz- und zeitraubenden intellektuellen Gedankengespinsten nachzugehen; dazu fehlt einfach die Zeit. Wir stecken ja mitten drin in diesem großen, ungeheuer wichtigen, tatsächlich aus vielerlei Hinsichten überlebenswichtigen Projekt der Moderne. Dessen Vollendung ist allerdings womöglich nicht nur nicht abgeschlossen, sondern wird, wie im schlimmsten Fall zu befürchten ist, vielleicht auch nie mehr abgeschlossen werden können – wenn wir nicht sehr wachsam und vorsichtig sind.

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Warum vernünftige Freiheit unmöglich ist, solange die Vernunft schläft (erschienen auf Telepolis)

Der letzte große deutschsprachige Philosoph mit weltweiter Reputation, Jürgen Habermas, sieht in seinem großen Alterswerk „Auch eine Geschichte der Philosophie“ die Welt durch die in ihm beschriebene Entwicklungsgeschichte des Denkens hindurch auf dem Wege zu vernünftiger Freiheit. Weil philosophische Beschreibungen immer auch normative Beschreibungen der Geschichte und ihres Zieles sind, also solche, die – im Gegensatz zur bloßen Erbsenzählerei des jeweils historisch Vorfindbaren, des Kontingenten, bloß Faktischen – Aussagen darüber zu machen beanspruchen, wohin die Entwicklungsgeschichte des Denkens die Menschen und ihre Lebenswelt führen soll, sagt Habermas damit, dass die Geschichte vernünftigerweise zu vernünftiger Freiheit führen soll. Diese Beschreibung enthält somit auch einen Gestaltungsauftrag an die – vernunftbegabte – Menschheit. „Warum vernünftige Freiheit unmöglich ist, solange die Vernunft schläft (erschienen auf Telepolis)“ weiterlesen

Marx, Roboter und die Fundamentalökonomie

Wenn das Wirtschaftssystem den Planeten und die Freiheit bedroht, sollte man darüber nachdenken, wie sich der „alltägliche Kommunismus“ der Fundamentalökonomie mit Hilfe der Roboter in einen weit weniger alltäglichen Kommunismus verwandeln lässt.

Der weltbekannte Jazz-Bassist Richard Bona, der in einfachsten Verhältnissen im Kamerun aufwuchs und sich auf selbstgebauten Instrumenten das Bass-Spielen beibrachte, schrieb neulich in seinem Facebook-Profil, er strebe in allen Dingen die er tue, an jedem einzelnen Tag nach Vollkommenheit. Und tatsächlich – ist es denn nicht genau das, was jeden Meister seines Fachs, sei er Künstler oder Handwerker, Wissenschaftler oder Ingenieur, auszeichnet? Ist es denn nicht immer diese dem Geist nur undeutlich und unerreichbar fern vorschwebende Idee von Vollkommenheit, die schaffende Menschen immer von neuem vorantreibt, diesem Ideal immer weiter sich anzunähern? Und das, ist es einmal in einem Werk erreicht und verwirklicht, unvergleichliche Faszination ausübt, und seinerseits für andere Menschen Ansporn darstellt, diesem Ideal nachzueifern?

Nun verbindet man mit diesem großen Wort Vollkommenheit eher dem Bereich profaner Nutzanwendungen entrückte Kunstwerke; von auf dem Markt handelbaren und industriell hergestellten Produkten erwartet man sie nicht unbedingt. Aber auch etwa die schwäbischen Mercedes-Gründer Carl Benz und Gottlieb Daimler wollten perfekte, vollkommene Autos bauen, und dem italienischen Auto-Genie Ettore Bugatti wird man vielleicht zugestehen wollen, es mit seinen erlesenen automobilen Skulpturen auch geschafft zu haben. Oder wie ist es etwa mit Möbeln, ersonnen von großen Möbel-Designern, wie den bis heute faszinierenden Schöpfungen der Bauhaus-Designer, vom weniger bekannten Charles Macintosh mit seinem bezaubernden Hill House-Stuhl bis zu den unvergessenen Namen Charles Eames, Gerrit Rietfeld, Le Corbusier oder Marcel Breuer? Oder in der Architektur? Oder vielleicht mit Fernsehgeräten, von Braun, oder auch von Sony?

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Kleine Geschichte von Kapital und Arbeit

Kapital ist ein Tool.

Ein Tool ist dazu da, Arbeit einzusparen: die notwendige Arbeit nimmt ab, und die Produktivität steigt.

Nur wenn jemand Buch führt über ein Tool, heißt es Kapital. Sonst heißt es Waschmaschine, oder Kneifzange.
Wenn ein Tool Kapital ist, ist sein Produkt eine Ware, und soll Geld verdienen.
Wenn es kein Kapital ist, soll es nur Arbeit einsparen, damit man die Wäsche nicht mit der Hand waschen muss, oder den Nagel mit den Zähnen aus der Wand ziehn.

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Kapital und Arbeit

Menschen haben gewöhnlich keine Lust zu arbeiten, deshalb haben sie sich zuerst, als sie hergestellt worden waren, im Paradies aufgehalten, wo es alles umsonst gab. Aber da gab es ja dann Hausverbot. Die Menschen flogen raus, aber sie bekamen eine KI mit, eine App, den General Problem Solver.

Bei allem, was sie nun tun mussten, nachdem es nichts mehr umsonst gab, hat diese App gegrübelt, wie das leichter zu machen sein könnte. Ein Durchbruch war dann die Erkenntnis, dass fast alles leichter geht mit Tools. Der Mensch mit seiner KI im Kopf wurde zum Tool-making-Animal. Es teilen sich dann der Mensch und das Tool die Arbeit, weil der Mensch Arbeit abschieben kann auf das Tool.

Also arbeiteten die Menschen dann im Prinzip jeden Tag eine Stunde länger als notwendig, und in der Extrastunde bauten sie sich Tools. Die Stunde Arbeit für das Tool lohnt sich, wenn man auf das Tool mehr als eine Stunde Arbeit abschieben kann. Dahinter steckt ja nichts als Faulheit.

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Arbeitsmittel und ihre ökonomischen Epochen

Worum geht es in der Geschichte, einmal mit einem Horizont von vielleicht 10.000 Jahren betrachtet, also von den ersten Werkzeug benutzenden Kulturen des „tool making animal“, bis heute? Wie, welchen Fortschrittskriterien folgend, und wodurch ändern sich die Epochen?

Das ist das Resümee meines Buches „Die Große Digitalmaschinerie“.

Arbeitsmittel und ihre Epochen

Von den Moden zum Trend

Auf der Tagung Wirtschaftsinformatik ’95 hielt der Begründer des Studienfaches Wirtschaftsinformatik in Deutschland, Professor Peter Mertens, seinen Hauptvortrag „Wirtschaftsinformatik – Von den Moden zum Trend“. Es tat dies in der Absicht, seiner jungen Wissenschaft ihre „langfristigen“ und im Zeitverlauf unveränderlichen, bleibenden Ziele zu weisen.

Er begründete dies so: „Idealerweise würde sich eine Disziplin auf einem geraden Fortschrittspfad in Richtung eines (…) Langfristzieles bewegen.“ Mäandernde Entwicklungen, die einem Trial-and-Error-Pfad folgen, seien also zu vermeiden. Dann stellt er fest, dass es in der Wirtschaftsinformatik seiner Zeit zu mäandernden Entwicklungen gekommen war; die Wissenschaft war also kurzfristigen „Moden“ gefolgt, und hatte dadurch Zeit und Ressourcen verschwendet.

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